Flache Hierarchien, der Chef als „Coach“ und jede Menge Goodies für die Belegschaft – bis hin zum gemeinsamen Grillen und After-Work-Freibier. In vielen Firmen sieht Personalführung heute anders aus als noch vor wenigen Jahrzehnten. Hat man doch vielerorts längst verstanden, dass die Beschäftigten mehr sind als Humankapital und der unternehmerische Erfolg letztlich auch von ihrem Wohlbefinden und ihrer Motivation abhängt. Und doch sorgen mitunter gerade die Firmen für negative Schlagzeilen, die sich diesbezüglich besonders innovativ zeigen. Liegt es an einer Schwachstelle bei BWL-Studiengängen, wie eine Studie vermuten lässt?
„Sind das Hamburgs schlimmste Chefs?“, schrieb etwa die MOPO (Hamburger Morgenpost) im Dezember 2015. Gemeint waren die Brüder Christian und Kai Wawrzinek, Mitgründer des Spieleunternehmens „Goodgame Studios“. Was nach außen hin wie ein gechillter Vorzeigebetrieb à la Sillicon Valley wirkte, samt Swimmingpool und Fitnessraum für alle, erwies sich laut dem Bericht als „coole Scheinwelt“. Hinter der Fassade sei „gnadenlos ausgebeutet“ worden. Als die Mitarbeiter einen Betriebsrat gründen wollten, so lag es zumindest nahe, wurden etliche von ihnen gefeuert.
Im Lehrplan kaum vorgesehen
Betriebsrat, schon der Begriff ist nach wie vor ein rotes Tuch für viele Arbeitgeber und ihre Führungsverantwortlichen. Nach wie vor hat der Großteil aller betriebsratsfähigen Unternehmen keine solche Arbeitnehmervertretung. Dabei gibt es auch Ökonomen, die sie als Treiber von Innovationen sehen, kann sich doch ein Recht zur Mitbestimmung, geschickt gefördert, auch auf produktive Weise auswirken. Zumal, einmal völlig unabhängig von jeglicher Wertung betrachtet: Der Betriebsrat ist als innerbetriebliche Institution eine feste Größe in der Arbeitswelt. Jede Führungskraft wird früher oder später mit diesem Thema konfrontiert.
Wer in Deutschland eine gehobene Führungsposition in einem größeren Unternehmen inne hat, muss sich sogar laufend mit den Mitbestimmungsrechten der Arbeitnehmer auseinandersetzen. Das Spektrum reicht vom Betriebsrat bis hin zu den Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsräten von Kapitalgesellschaften. Damit sollte man umgehen können. Also sollte doch auch dies bereits in der Ausbildung von Managern vermittelt werden, sprich im Studium der Betriebswirtschaftslehre. Sollte man meinen, jedoch sehen die Lehrpläne in der Regel anders aus.
„Eine hoch problematische Lücke“
„Das BWL-Studium blendet demokratische Beteiligung am Arbeitsplatz oft aus“, lautet das Fazit einer im Februar 2016 veröffentlichten Studie. Sie wurde von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert, dem Mitbestimmungs-, Forschungs- und Studienförderungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Durchgeführt wurde die Untersuchung von Prof. Dr. Martin Allespach und Birgita Dusse von der Europäischen Akademie der Arbeit in Frankfurt. Dazu analysierten die beiden Wissenschaftler die Ausbildungsinhalte von mehr als 50 Studiengängen an 25 Hochschulen, darunter die zehn größten Universitäten.
Ihren Erkenntnissen zufolge prägt zwar Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Unternehmenskultur, die Entscheidungsprozesse und den betrieblichen Alltag in großen Unternehmen. In der Ausbildung künftiger Manager kommt sie hingegen fast nicht vor. Demokratische Prinzipien im Arbeitsleben derart auszublenden, stelle eine hoch problematische Lücke in den Inhalten von BWL-Studiengängen dar, warnen die Forscher. In den Ausbildungsgängen für Manager sei die Mitbestimmung meist ein „blinder Fleck“.
Allespach und Dusse hatten für ihre Studie in Studienordnungen und Modulhandbüchern nicht nur nach Lehreinheiten zum Thema Mitbestimmung gesucht, sondern genauer hingeschaut: ob Betriebsräte, Betriebsverfassung, kollektives Arbeitsrecht oder Ähnliches überhaupt einmal vorkommen. Ergebnis: Mitbestimmung werde zwar „nicht völlig ausgeklammert“, sei aber kein „grundsätzlicher Bestandteil“ der Lehrpläne. Wenn die institutionalisierte Interessenvertretung von Arbeitnehmern thematisiert wird, dann geschieht dies meist im Zusammenhang mit Arbeitsrecht, Personalmanagement oder Corporate Governance. Die entsprechenden Veranstaltungen sind in der Regel nicht verpflichtend für alle Studierenden.
Wo das Thema Mitbestimmung zu finden ist
Was also sollten angehende BWLer tun, die sich im Studium mit diesem Thema genauer beschäftigten möchten? Da die Modulhandbücher oft nicht besonders aussagekräftig sind – es könnte sich da und dort sogar mehr zum Thema Mitbestimmung verbergen, als es aussieht – dürfte ein Gespräch mit der Fachstudienberatung zielführender sein. Dabei können sich Interessierte auch näher nach den Inhalten des anvisierten Studiengangs und möglichen Alternativen erkundigen. Und: Noch eher als im Bachelorstudium ist das Thema in einigen Masterstudiengängen wie zum Beispiel „Arbeitsrecht“ zu finden. Wer sich hier eine Nische schafft, könnte als Manager/in mit Spezialwissen punkten.
Linktipp:
Die komplette Studie „Der blinde Fleck? – ‚Mitbestimmung‘ in BWL- und Managementstudiengängen“, durchgeführt im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung (Martin Allespach, Birgita Dusse / Januar 2016) gibt es hier zum Download.