Kalkulatorische Abschreibung: der Wiederbeschaffungswert als Bemessungsgrundlage

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Schon früher haben wir an dieser Stelle über die wichtigsten Rechenmethoden und häufigsten Fehler im Zusammenhang mit der kalkulatorischen Abschreibung nachgedacht. Dies ist hochbedeutsam, denn die kalkulatorische Abschreibung wird noch immer oft mit der steuerlichen AfA verwechselt. Das betrifft besonders ihre Bemessungsgrundlage.

So ist es der vermutlich häufigste Fehler, die kalkulatorische Abschreibung auf den steuer- oder handelsrechtlichen Neuwert zu richten. Dies entspricht aber dem Gedanken der Absetzung für Abnutzung (AfA), und ist daher gerade keine kalkulatorische Größe. Die Kostenabschreibung dient der Refinanzierung des erst in der Zukunft benötigten Ersatzwirtschaftsgutes. Sie muß daher stets auf den künftigen Wiederbeschaffungswert gerechnet werden:

 

Die kalkulatorische Abschreibung

Interessant ist hier jedoch, wie man den Wiederbeschaffungswert bestimmt, denn Prognosen sind bekanntlich immer dann schwierig, wenn sie sich auf die Zukunft beziehen.

Qualitative Überlegungen

Der Wiederbeschaffungswert ist der Wert, der am Ende der Nutzungsdauer des bestehenden Vermögensgegenstandes für einen anderen Vermögensgegenstand gleicher Art bereitgestellt werden muß. Die kalkulatorische Abschreibung ist damit aus Sicht der Kostendefinition ein Mittel zur Erhaltung der Leistungsbereitschaft und beruht aus Sicht der Grundprinzipien des Rechnungswesens auf dem Grundsatz der Unternehmensfortführung (§252 Abs. 1 Nr. 2 HGB).

Keinen Wiederbeschaffungswert, aber dann auch keine kalkulatorische Abschreibung, gibt es also, wenn die Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Dies senkt daher die Kosten, denn ein bedeutender Kostenposten entfällt. Strom aus Kernkraftwerken, die in Zukunft nicht mehr ersetzt werden dürfen, ist daher noch kostengünstiger als ohnehin. Leider merkt man das nicht auf der Stromrechnung.

Gleichartigkeit bedeutet, daß ein Ersatzwirtschaftsgut gleicher Art und Funktion bereitgestellt werden muß. Dies kann ein identisches Objekt sein, aber auch ein ganz andersartiges – etwa, wenn der technische Fortschritt z.B. bei Computern so schnell abläuft, daß ein technisch gleichartiger Rechner am Ende der Nutzungszeit des bestehenden Gerätes für die dann übliche Software nicht mehr nützlich wäre. Ein Beispiel illustriert, was das bedeutet: Der erste Computer des Autors dieses Artikels war ein Commodore CBM 8032 mit CBM 8050 Doppel-Diskettenlaufwerk, zusammen für ca. 10.000 DM oder 5.000 Euro. Das Gerät, das damals (1981) ein absolutes Spitzensystem war, findet man heute im Museum. HighEnd-Rechner unserer Zeit kosten aber leicht ebenfalls um die 5.000 Euro. Die Preise für ein bestimmtes Gerät verfallen also, nicht aber der Wiederbeschaffungswert, der unter Berücksichtigung des Standes der Technik anzusetzen ist.

Der Ersatz kann weiterhin unternehmerische Strategien und Entwicklungen artikulieren. Beispielsweise kann ein Unternehmen grundsätzlich nur gebrauchte, alte Fahrzeuge benutzen. Dann wäre auch der Wiederbeschaffungswert eines am Ersatzzeitpunkt selbst bereits alten Fahrzeuges, also entsprechend niedrig. Entsprechend sind auch die Kosten durch kalkulatorische Abschreibung gering. Der Ersatz kann aber auch den Aufstieg (oder Abstieg) eines Unternehmens dokumentieren, wenn beispielsweise derzeit noch ausschließlich alte Gebrauchtfahrzeuge eingesetzt werden, aber an deren Ersatzzeitpunkt Neufahrzeuge beschafft werden sollen: dann steigen die Kosten, und der Markt muß einen Ersatz hierfür hergeben.

Quantitative Überlegungen

Die numerische Bestimmung des Wiederbeschaffungswertes kann problematisch sein. Das einfachste Verfahren der Schätzung des Wiederbeschaffungswertes ist die Inflationsschätzung durch Zinseszinsrechnung. In der grundlegenden Zinseszinsformel

 

Die allgemeine Zinsformel

wird hierbei die Inflationsrate als Verzinsung des Anschaffungskostenwertes (AK) des Vermögensgegenstandes aufgefaßt. Der Ersatzgegenstand wird also teurer, aber nicht wertvoller. Das führt zu einer Wiederbeschaffungswertschätzung, die stabile Märkte und unveränderte technische und prraktische Rahmenbedingungen voraussetzt:

 

Die Zinsschätzung des WBW

Leider ist diese einfache Methode in der Praxis nur selten anwendbar. Die Inflationsschätzung ist nur sinnvoll, wenn die Märkte ungestört und stabil sind. Leider ist das nur in wenigen Fällen wirklich gegeben. In weniger stabilen oder sich schnell entwickelnden Märkten kann man meist nur "strategisch schätzen". Gleiches gilt bei staatlichen Eingriffen in Märkte. Hier kann mit einer der Kreativitätstechniken oder mit der qualitativen Szenarioanalyse versucht werden, Änderungen vorherzusehen und in den Wiederbeschaffungswert einzupreisen. Solche Schätzungen sind oft sehr ungenau, aber doch besser, als gleich von einem ganz falschen Wert auszugehen.

Die Aufgabenautoren der diversen prüfenden Körperschaften ignorieren solche Grundlagen leider nur allzuoft. Das ist schade, denn man muß es meist auch den Geschäftsführern der Betriebe erläutern, wie ich aus meiner eigenen Beratungserfahrung sehr genau weiß. Das setzt aber eine ordnungsgemäße Lehrveranstaltung und eine mit dieser übereinstimmende Prüfung voraus. Bei der kalkulatorischen Kostenrechnung ist das aber sehr oft nicht gegeben. Kaum irgendwo sonst werden im Bereich des Rechnungswesens so viele Fehler gemacht wir hier.

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Links zum Thema: Kostenrechnung: Rechenmethoden und Rechenfehler bei der kalkulatorischen Abschreibung | Die Kraft der zwei Abschreibungen, oder warum alle Anlagegüter doppelt abgeschrieben werden (sollten) (interne Links) Wiederbeschaffungswert im Gründerlexikon erklärt (externer Link)

Literatur: Zingel, Harry, "Kosten- und Leistungsrechnung", Weinheim 2008, ISBN 978-3-527-50388-9, Amazon.de | BOL. Auf der BWL-CD ohne Mehrkosten enthalten.

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