»Kontenklärung«: Über die rabiaten Werbemethoden der Rentenversicherung

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Ich hatte ein bewegtes Leben, das sich nicht nur in Hörsälen und universitären Seminaren abspielte, sondern auch auf Handelsmessen in Indien und in kleinen Flugzeugen über Afrika. Ich bin, in einem Wort, nicht nur dagewesen, ich habe auch gelebt. Erst jetzt bin ich zur Ruhe gekommen, habe es zu Frau, Haus und Garten gebracht aber noch immer nicht zu einem ordentlich abgezockten Angestelltenjob. Ich habe daher als Freiberufler auch keine Zwangssozialversicherung. Dachte ich, bis gestern. Jetzt weiß ich es besser.

So war ich ziemlich erstaunt, als mir aus dem Briefkasten ein Schreiben der "Deutschen Rentenversicherung" in die Hände purzelte, in dem man mich zur "Kontenklärung" auffordert. Die Kontenklärung, so lerne ich bei der Lektüre des automatisch erstellten Briefes diene dazu, ungeklärte Versicherungszeiten anzugeben. Bis vorhin dachte ich, daß ich gar keine Versicherungszeiten bei der Deutschen Rentenversicherung hätte, und daher auch nichts klären können oder müsse. Das aber scheint ein Irrtum zu sein.

So prangt über dem Schreiben sogar eine Versichertennummer, die ich zum ersten Mal in meinem immerhin schon fast 43-jährigen Leben erblicke. Wie komme ich zu der zweifelhaften Ehre, in der deutschen Rentenversicherung versichert zu sein? Und, ein paar Zeilen weiter ist sogar von "Versicherungszeiten" die Rede, irgendwann vor vielen Jahren für sechs Monate, zu wenig, um Ansprüche zu erwerben aber genug, um Neugier zu wecken.

Ein Anruf bei der Rentenbehörde in Berlin steigert mein Erstaunen noch, denn angeblich war ich sogar bei einer Krankenkasse in Würzburg versichert, bei einer Kasse, von der ich ebenfalls zum ersten Mal höre. Denn ich war zu der Zeit gar nicht in Würzburg, ja noch nichtmal in Deutschland – sondern in Afrika, und zwar ganz gewiß nicht für eine deutsche Firma. Diese Krankenkasse aber habe, so lerne ich, angeblich Zwangsbeiträge für mich abgeführt – die ich mir auszahlen lassen könne, aber erst im Alter von 65 Jahren. Pustekuchen!

Die Sache wird immer rätselhafter, denn daß die mich mit jemandem verwechseln, halte ich für unwahrscheinlich. Daß ich dort eingezahlt hätte ist aber noch viel unwahrscheinlicher, das weiß ich genau: ich habe stets drauf geachtet, in keiner Zwangsversicherung Mitglied zu werden, und in Afrika ist das Risiko, von der Deutschen Rentenversicherung eingefangen zu werden, doch eher gering. Wo aber kommen dann meine Daten bei denen her? Meine Adresse, mein (korrekt angegebenes) Geburtsdatum? Und schließlich, und da kommen wir zu des Pudels Kern, was soll die ganze gewiß nicht versehentliche Aktion?

Es ist bekannt, daß das wenig soziale Zwangssystem eine Menge krasse Ungerechtigkeiten produziert und bisweilen Existenzen unter dem Vorwand der sozialen Gerechtigkeit vernichtet. Wird mit hier aber eine Gutschrift gewährt, ganz so wie Telefongesellschaften Neukunden mit Einstiegsrabatten werben? Mir kommt nämlich ein böser Verdacht: das ist kein Fehler, sondern in Wirklichkeit eine Marketing-Maßnahme. Die Rentenversicherung ist auf Mitgliedersuche, und sie versucht, Leute mit (bewußt? absichtlich?) falschen Angaben über Vorversicherungszeiten zum Eintritt zu bewegen.

Links zum Thema: Steuern und Abgaben bei Arbeitnehmern | Krankenversicherung: Deutsche Kassen zahlen für Eltern von Ausländern in deren Heimat | Der konspirative Dozent: Wie die BfA Existenzen vernichtet (interne Links)

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