Der Bilanzgewinn und die SGD, oder wie man Können und Erkennen sachgerecht vermittelt

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"Free things always hurt" weiß der englische Volksmund, was in etwa dem deutschen Sprichwort vom geschenkten Gaul entspricht, dem man bekanntlich nicht ins Maul schaut. Kostenpflichtige Leistungen, die zahlende Gäste in Anspruch nehmen, sind hingegen sehr wohl einem berechtigten Qualitätsanspruch ausgesetzt, der mit steigenden Preisen höher wird. Das gilt natürlich auch für das Bildungsgewerbe. Leider wissen das aber noch nicht alle Veranstalter.

Ja, der öfters auf dieser Seite lustweilende Leser ahnt, um wen es geht: wieder mal die Studiengemeinschaft Darmstadt (SGD). So schneite mir heute von einem Informanten die folgende wahrlich komplexe Frage aus einem dieser SGD-Lernhefte der auf den Bildschirm:

"Wie beurteilen Sie die Aussage, daß der Bilanzgewinn das im Geschäftsjahr erwirtschaftete Ergebnis zeigt?"

Ich schlucke also und sammle meine Augen auf, die mir gerade herausgefallen und auf den Schreibtisch gekullert sind. Dann kommt die bittere Erkenntnis: das meinen die ernst. Diese Frage soll zu einem Lernergebnis führen, und wenn möglich nicht nur zu Wissen, sondern auch zu Können und Erkennen. Schauen wir mal, warum das nichts werden kann.

  1. Gewinnvortrag/Verlustvortrag aus dem Vorjahr
./. 2. Entnahmen aus der Kapitalrücklage
./. 3. Entnahmen aus Gewinnrücklagen
  a) aus der gesetzlichen Rücklage
  b) aus der Rücklage für eigene Aktien
  c) aus satzungsmäßigen Rücklagen
  d) aus anderen Gewinnrücklagen
+ 4. Einstellungen in Gewinnrücklagen
  a) in die gesetzliche Rücklage
  b) in die Rücklage für eigene Aktien
  c) in satzungsmäßige Rücklagen
  d) in andere Gewinnrücklagen
= 5. Bilanzgewinn/Bilanzverlust

Zunächst wird in der Frage der Begriff des Bilanzgewinnes verwandt. Natürlich muß man wissen, was genau unter einem Bilanzgewinn zu verstehen ist, denn im Rechnungswesen geht es bekanntlich ja oft um messerscharfe Abgrenzungen. Diese hier findet sich übrigens in §158 Abs. 1 Aktiengesetz (AktG). Die Frage aber setzt voraus, daß man den nebenstehenden Gesetzeswortlaut auswendig gelernt hat – was kaum sinnvoll ist, denn sowas kann man im Betrieb nachschlagen. Uns aber sagt das, daß die Aufgabenlyriker der SGD das stupide Auswendiglernen solcher Schemata von ihren Schützlingen verlangen – oder aber es mit den zugrundeliegenden Definitionen nicht sehr genau nehmen.

Dabei ist die Idee nicht schlecht, nur ihre Durchführung: der Gewinnbegriff, der hier vermutlich wirklich gemeint ist, ist nämlich bekanntlich keine ganz einfache Sache. Auch er baut nämlich auf zugrundeliegenden Definitionen auf, und wer die nicht kennt, kommt nicht weiter. Schauen wir uns mal ein paar Beispiele an:

Jahresüberschuß = Ertrag ./. Aufwand (GuV-Rechnung)
Betriebsergebnis = Leistungen ./. Kosten (KLR)
Kapitalfluß = Einzahlungen ./. Auszahlungen (Cash Flow Rechnung)

Jetzt also kommen wir der Sache näher: alle diese drei Gewinnbegriffe, und das sind beiweitem nicht die einzigen, stellen das in einer Rechnungsperiode erzielte Ergebnis dar – und ergeben doch vollkommen verschiedene numerische Ergebnisse. So ist der Cash Flow beispielsweise oft ein Vielfaches des Jahresüberschusses, und selbst dieser entspricht in keiner Weise dem Betriebsergebnis.

Hier aber wird es interessant, denn um diese Unterschiede zu verstehen muß man wissen, daß viele Kosten keine Zahlungen aber auch viele Aufwendungen keine Kosten sind. Man muß, um es kurz zu machen, mit spitzfindigen Definitionen hantieren, auf denen doch gleichwohl das ganze Rechnungswesen aufbaut. Wer aber erfolgreich buchen und bewerten will der muß wissen, warum Anschaffungskosten noch lange keine Kosten sind, obwohl sie so heißen, und für ein in bar bezahltes Auto dennoch Zinskosten entstehen, aber keine Zinsaufwendungen. Eine Menge Prüfungsfragen bauen auf solchen Bosheiten auf, und nicht ohne guten Grund: die Anwendung solcher Definitionen macht aus Wissen nämlich Können und Erkennen, und dies ist die Grundlage für beruflichen Erfolg. Das sollte man auch bei der SGD zur Kenntnis nehmen, und bei den dortigen Fernstudenten auf ein frühes und vertieftes Verständnis solcher Grundlagen drängen – insbesondere auch mit Blick auf die schwerer werdenden IHK-Prüfungen. Leider ist von einer solchen kontinuierlichen Qualitätsverbesserung bei der SGD nichts zu sehen.

Literatur: Zingel, Harry, "Lehrbuch der Kosten- und Leistungsrechnung", Heppenheim 2004, ISBN 3-937473-05-X, Amazon.de | BOL |Buch.de. Auf der BWL-CD ohne Mehrkosten enthalten.

Links zum ThemaWie aus Lernen Erfolg gemacht wird | »Rechnungswesen/Controlling«: was wir aus der Prüfung vom 02.03.2006 lernen können | IHK-Lehrgänge: ein grundlegender Strategiewechsel? | Unfaire Prüfungsfragen: Ein neues Beispiel von der SGD |»Donald Dick«: Porno-Sprache in Übungsaufgaben! | FIFO, LIFO und die SGD: veraltete Aufgaben, falsche Lösungen | Kleine Typologie unfairer Prüfungsfragen (interne LinksStudiengemeinschaft Darmstadt (externer Link)

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Eine Antwort

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