Stadtverwaltung Erfurt: Die Regenwassersteuer

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Im kommenden Jahr bricht nicht nur die Unternehmensteuerreform über uns herein, die den Standort Deutschland für Investoren interessanter machen soll indem z.B. die Abschreibung verschärft wird und die Gewerbesteuer nicht mehr ertragsteuerlich abzugsfähig ist, sondern auch die Gemeinden führen ihre eigenen Steuerreformen durch. Die Stadt Erfurt hat sich dabei einen besonderen Leckerbissen einfallen lassen: die Regenwassersteuer.

 
Die Regenwassersteuer:
Gewitter über dem Haus des Autoren
Sommerliche Wetterereignisse dieser Art werden künftig steuerpflichtig sein, jedenfalls in Erfurt.
Schon jetzt schafft es die Kanalisation nicht mehr
Dabei schafft es die Kanalisation schon jetzt nicht mehr: im Bild der vollkommen überforderte Abfluß vor dem Haus des Autoren. Höhere Steuern für weniger staatliche Leistung, wie immer…
(Beide Aufnahmen © Harry Zingel 20.07.2007)

"Steuern", so weiß §3 Abs. 1 Abgabenordnung (AO), "sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft". Sie unterscheiden sich von den ebenfalls von öffentlichen Gemeinwesen auferlegten Abgaben dadurch, daß den Abgaben sehr wohl eine spezifische Gegenleistung gegenübersteht. Beiden gemein ist aber, daß durch Vermeidung des zugrundeliegenden Tatbestandes die Steuer oder Abgabe vermieden werden kann: wer kein Einkommen hat, zahlt keine Einkommensteuer. Wer kein Auto fährt, vermeidet die Kfz- und die Mineralölsteuer. Nur den Regen, den kann man nicht vermeiden.

So hat die Stadt Erfurt schon im vergangenen Jahr von allen Grundstückseigentümern unter Berufung auf die §§78, 90 AO Auskünfte darüber angefordert, wie viel Regenwasser von ihren Grundstücken in die öffentliche Kanalisation gelangen kann – um genau auf diese Regenwassermenge ab 2008 die Abwassergebühren zu berechnen: Die Regenwassersteuer kommt.

Bedenklich ist hier insbesondere, daß man zwar weniger fahren und damit weniger Benzinsteuer zahlen, nicht aber es weniger regnen lassen kann. Der Steuer- oder Abgabenpflichtige hat also keinerlei Möglichkeit, die von ihm erhobene Steuer zu beeinflussen. Der Verursachergrundsatz, der dem Steuerrecht unausgesprochen zugrundeliegt, ist damit aufgegeben worden: bisher zahlt eine Steuer oder Abgabe, wer etwas verursacht oder besitzt. Der Steuerpflichtige wird für sein Tun belastet: wer erbt, zahlt Erbschaftsteuer. Wer einen Gewerbebetrieb betreibt, zahlt Gewerbesteuer. Den Regen verursache ich nicht, der kommt ohne mein Zutun. Nur Abwasserabgaben soll ich darauf zahlen, jedenfalls ab 2008.

Ebenso aufgegeben wurde der staatliche Fürsorgegedanke, denn nicht nur billige Energie sondern auch ein funktionierendes Rohrleitungssystem sind Teil der staatlichen Daseinsfürsorge. Die Kommunen als Betreiber des Abwassersystems müssen damit dafür sorgen, daß das System die örtlich zu erwartenden Regenwassermengen aufnehmen kann. Schon für den Regen Leute zur Kasse zu bitten, die u.U. das Abflußrohrsystem gar nicht nutzen, verstößt gegen den Gedanken der kollektiven Existenzsicherung.

Freilich offenbart die neue Abzocke-Idee der Stadtoberen noch eine weitere, viel bedenklichere Mentalität: man kann die Regenwassersteuer nämlich vermeiden, indem man nicht baut. Dann versickert das Regenwasser im Grundstück und gerät nicht in den öffentlichen Bereich. Pferdewiesen und Waldstücke zahlen keine Regenwassersteuer, wohl aber Eigenheimgrundstücke und Gewerbeflächen. Das aber ist ein Denkmuster des Nachhaltigkeitswahnes, jede menschliche Aktivität durch Besteuerung einzuschränken. Ob es der Stadt Erfurt damit gelingt, bei Häuslebauern und Gewerbetreibenden attraktiv zu werden, bleibt abzuwarten.

Links zum Thema: Vorausschau auf die Unternehmensteuerreform 2008 | Vorausschau auf die Unternehmensteuerreform 2008 | Unternehmensteuerreform 2008: Neuregelung der Abschreibung des Anlagevermögens | Unternehmensteuerreform 2008: Neue Berechnungsmethode für die Gewerbesteuer | In Deutschland: Steuersenkungen per Grundgesetz verboten (interne Links)

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