Immer wieder haben wir uns an dieser Stelle über die diversen Absurditäten der sogenannten Gesundheitsreform ausgelassen. Jetzt ist ein neues Beispiel aufgetaucht: Privatkassen versichern nahezu kostenlos, auch das so ein Wahnsinn im System. Wir verraten, wie das geht – gewiß zum Mißfallen der privaten Versicherungswirtschaft.
So blieb bisher der befürchtete (oder erhoffte) Ansturm auf die gesetzlichen Kassen aus, denn wenn diese ihre ehemaligen Mitglieder pflichtgemäß wieder aufnehmen, leben ebenso pflichtgemäß deren unbezahlte Beitragsschulden aus der Zeit vor dem Rauswurf wieder auf – plus Zinsen. So daß die ehemaligen Mitglieder ihre Kassen bisher aus Zahlungsmittelmangel meiden. Manche haben aber eine unerwartete Alternative…
So haben die Privatkassen jetzt bekanntlich einen Kontrahierungszwang, d.h. die müssen alle (unversicherten) Antragsteller zu einem bestimmten Standardtarif ohne Gesundheitsprüfung aufnehmen – eine Versicherungspflicht besteht freilich noch nicht, die kommt erst 2009. Bis dahin kann, wer in eine Privatkasse eintritt, diese auch wieder kündigen. Das aber ist eine goldene Gelegenheit – über die die Privatkassen nicht wirklich erfreut sind.
Niemand hat nämlich im Gesundheitsreformdurcheinander an die freiwillig Unversicherten gedacht, oder an jene, die sich die Segnungen des Gesundheitssystems nicht leisten können, gleichwohl aber keine Transferleistungen vom Staat erhalten. Man glaubte nämlich, das Angebot einer Krankenversicherung sei heißbegehrt. Daß es manche gar nicht wollen, oder sich das auch jetzt noch nicht für ca. 500 Euro pro Monat leisten können, hat niemand beachtet. Diese unversicherten Personengruppen profitieren nun. Sie schreiben sich bei einer Privatkasse ein, die sich über neue Kundschaft freut – freilich meist nicht lange, denn kurz nach der Unterschrift kommen schon die ersten Rechnungen: Ärzte, Krankenhäuser, das ganze Sanierungsprogramm. Leistungsfreie Wartezeiten, wie bei "normalen" Kunden üblich, sind bei der Aufnahme Unversicherter nicht erlaubt. Haben diese dann ihre Behandlung abgeschlossen, oft für Tausende von Euro, kündigen sie sofort wieder – nach ein- oder zweimaliger Zahlung des Beitrages i.H.v. ca. 500 Euro. Wahrlich ein gutes Geschäft – aber diesmal für den Versicherten.
Das freilich ist wenig fair, aber das diesbezügliche Gerechtigkeitsgefühl ist bei den Versicherten wenig ausgeprägt: Viele haben schließlich vorher schon Erfahrungen mit Versicherungen gemacht, die erfolgreich Gründe fanden, nicht zu zahlen, oder die erst im Namen des Volkes leisteten. Kein Wunder, daß der Frust über das Assekuranzunwesen groß ist, noch größer als jetzt die Schadenfreude über diese frisch entdeckte Gesetzeslücke.
Links zum Thema: Mehr Kassenbeitrag als Einkommen: das Raubsystem | Private Krankenversicherung: morgen Kinder wird's was geben | Die Krankenkasse und der Dildo, oder vom Wahnsinn im Gesundheitssystem | Der organisierte Betrug: Tips und Ratschläge für Versicherungsgeschädigte (interne Links)