Die Bundesregierung hat den Entwurf des Gesetzes "Modernisierung des Urheberrechts" beschlossen. Der sogenannte "Zweiten Korb" der Urheberrechtsnovelle enthält die Neuregelungen, die die zugrundeliegende EU-Richtlinie den Mitgliedsstaaten überlassen hat. Der zwingende Teil dieser demokratisch zustande gekommenen Richtlinie wurde bereits im sogenannten "Ersten Korb" in 2003 ins Werk gesetzt. Damals wurde u.a. die Privatkopie eingeschränkt und das Kopieren aus Tauschbörsen verboten. Was aber kommt jetzt auf uns zu?
Die Privatkopie, so der Gesetzesentwurf, bleibe zwar "im vollen Umfang" erhalten, aber der ist schon jetzt eher minimal. "Offensichtlich widerrechtliche Quellen" wie Tauschbörsen oder die Umgehung technischer Kopierschutzmaßnahmen bleiben weiterhin verboten. Eine Bagatellklausel für Heimanwender, die anfänglich vorgeschlagen war, fehlt jetzt aber im Gesetzentwurf. Massenabmahnungen gegen Hunderttausende von Tauschbörsennutzer wie erst kürzlich vom Hersteller eines Computerspiels werden also weiterhin möglich sein. Auch ein genereller Auskunftsanspruch der Industrie gegen Internet-Provider scheint (mindestens im Rahmen des UrhG) nicht auf uns zuzukommen, was die Verwertungsgesellschaften gefordert hatten. Es ändert sich also eigentlich nichts, was weder die Anwender noch die Industrie beglückt.
Offensichtlich traut man aber auch dem digitalen Rechtemanagement (DRM, auch als "Digital Restriction Management" bezeichnet) nicht uneingeschränkt über den Weg, denn das pauschale Vergütungssystem soll bestehen bleiben. Zu einer gesetzlichen Sanktionierung digitaler Rechtemanagement-Techniken über das bereits bestehende Maß kommt es also nicht, aber es gibt keine Pauschalvergütung mehr für per DRM abgerechnete Werke. Die Höhe der Pauschalvergütung soll künftig aber von den Beteiligten selbst festgelegt werden, also den Verbänden der Hersteller als Zahlungspflichtige und den Verbänden der Rechtsinhaber (den Verwertungsgesellschaften) als Zahlungsempfänger. Für die Ermittlung der "angemessenen" Vergütungshöhe gibt der Gesetzentwurf Kriterien vor.
Weiterhin sollen Urheber künftig auch über künftige unbekannte Verwertungsformen im voraus entscheiden dürfen. Das soll den aufwendigen oder unmöglichen Nacherwerb von Rechten überflüssig machen, der die spätere Verwertung alter Werke verhindert: wer beispielsweise jetzt ein Film aus früheren Jahrzehnten im Internet zeigen will, müßte die Rechte dazu nachkaufen – was oft nicht mehr möglich oder sehr schwierig ist. Diese Reform öffnet auch die Archive und erlaubt neue Zugangsarten zu bestehenden Werken, was potentiell eine sehr gute Sache sein könnte.
Öffentlichen Bibliotheken, Museen und Archiven soll es schließlich erlaubt werden, ihre Bestände auch an elektronischen Leseplätzen zu zeigen. Auch der Versand von Kopien aus Zeitungen und Zeitschriften sowie kleiner Teile von Büchern als graphische Datei soll erlaubt sein, soweit die Verlage kein eigenes elektronisches Angebot machen. Das Fernleihsystem wird also auch in Gestalt von PDF-Dateien nicht vom Urheberrecht blockiert.
Wer heute den Kopf in den Sand steckt, knirscht morgen mit den Zähnen. Die wesentlichen urheberrechtlichen Probleme wie Filesharing und Tauschbörsen werden durch diesen Gesetzentwurf nicht gelöst. Man hat offenbar (hoffentlich?) erkannt, daß "hartes" Rechtemanagement, wie vor Jahren geplant, zu Zensur und Diktatur führen kann. Illegale Downloadseiten wird es ebenso weiter geben wie Esel, die digitale Goldstücke scheißen und Polizisten, die sie einzusammeln suchen. Wir wurschteln also weiter wie bisher. Das ist angesichts der informellen Verwertungsstrukturen, die längst bestehen, diesmal eigentlich auch eine gute Nachricht.
Links zum Thema: Neues Urheberrecht tritt in Kraft | Urheberrecht: wer zu heftig zuschlägt… | Das Urheberrecht und seine wirklichen Leitbilder | TCPA: Auf dem Weg in die totale Kontrolle (interne Links)