Postzettelphobie, oder von den Leiden eines Postkunden

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Da haben sie sich also wieder eingefunden in meinem Briefkasten, die blauen Benachrichtigungszettel der Post, und gucken mich vorwurfsvoll an, weshalb ich denn nicht zur Annahme einer Büchersendung und eines Einschreibens anwesend gewesen wäre heute morgen so gegen zehn, und also weiß ich, daß der alltägliche postalische Leidensweg am Ende der Postlaufzeit für mich wieder beginnt. Auf ein Neues also, das Salto Postale, vortreten zur Inempfangnahme von Postsendungen. Zustellung mit Hindernissen:

Dabei ist das Schlimme an diesen Zetteln ja nicht (nur), daß man damit höchstpersönlich zur Post muß, obwohl das alleine schon ein Erlebnis ist: also in der Hitze ins gutgeheizte Auto und ab um die Linksabbiegerampel in die enge Straße zur Post, wo nur genau unter dem Halteverbotsschild der übliche Risikoparkplatz frei ist, neun Minuten für vierhundert Meter, fast ein Rekord heute. Dann warten bis kein Verkehr von hinten kommt, so daß man aussteigen kann, um in der ebenfalls nicht gerade kühlen Post schlangezustehen und das Objekt der Begierde endlich in Empfang zu nehmen. Ein Seufzer, ein Fluch, die langersehnte Sendung ist es nicht. Also zurück zum Auto, das hoffentlich noch kein Zettelchen unter dem Scheibenwischer hat, warten bis kein Verkehr kommt, so daß man wieder unfallfrei und unter Wahrung der körperlichen Vollständigkeit einsteigen kann, die Einbahnstraße hoch, am Ende wenden, den Schleichweg um die Ecke fahren und an dem roten runden Schild mit weißem Querbalken vorbei zurück in heimatliche Gefilde, schweißgebadet, eine halbe Stunde für ein paar gedruckte Belanglosigkeiten. Schon unverlangte Werbesendungen haben mich auf diese dramatische Art erreicht, richtig wichtig, sozusagen.

Nein, viel schlimmer ist, daß man mit dem berüchtigten blaue Einschreibezettel gesagt kriegt, daß irgendwo wieder mal die Ka**e am dampfen ist, oder wenigstens sein könnte, aber nicht wo und warum. Und so vieles ist möglich: wieder eine Firma, der ein Artikel im BWL-Boten nicht gefällt, und die mir ihr Mißfallen durch ihren Anwalt mitteilen läßt, oder ein Kunde, der mit seiner Mahnung nicht einverstanden ist, oder einfach nur meine Botschaft, die festgestellt hat, daß ich seit sechs Monaten keinen gültigen Paß habe, wie fürsorglich doch, aber woher zum Teufel kennen die meine Adresse… nein, die Hüter von Briefmarke und Zustellvermerk lassen sich nicht erweichen, man kommt vor dem Folgetag nicht an die Sendungen ran, und vorher nichtmal an deren Telefonnummern, denn die hält die Post geheim. Könnte ja mal ein Kunde auf die Idee kommen, fernmündlich nachzufragen. Nix zu machen, selbst würde ich mir einem Blumenstrauß vor dem Zustellstützpunkt stehen (ich weiß, wo der ist, nur nicht seine Nummer!), es wäre sinnlos. Und am Ende bestellt nur wieder einer 'ne CD mit eingeschriebenen Bargeld, so wie heute. Der ganze Aufwand ist viel mehr wert als die mickrigen Geldscheine, die da zum Vorschein kommen. Ich sollte teurer werden, Postaufschlag für Briefbarzahler. Ja, die Leiden des zustellungsbenachrichtigten Postkunden…

Ein Blick in den gutgepflegten Vorgarten beim Aussteigen aus dem Auto beruhigt das Herz und senkt den Blutdruck. Mit meiner postalischen Jagdbeute im Arm schreite ich vorbei an Fetter Henne und Pelargonium Zonale. Nur der Briefkasten guckt mich drohend an. Beim Öffnen der Klappe gefriert mir der Atem trotz dreißig Grad im Schatten: Ein blauer Einschreibezettel, eingeworfen während meiner Anwesenheit in der Post. Abzuholen nicht vor morgen elf Uhr. Die Zustellerin muß auf mich gelauert haben.

Manche hassen Spinnen, andere haben Angst vor engen Räumen. Ich entwickle langsam eine Postphobie, die blaue Postzettelphobie.

 

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