Marketing, das ungeliebte Fach. Aber warum?

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Marketing ist nicht alles", weiß der bekanntlich oftmals Wahrheit kundtuende Volksmund, "doch ohne Marketing ist alles nichts". Waschmittelfirmen, die uns weniger für mehr andrehen beweisen, was mit der Führungsrolle des Marketings gemeint ist, und weshalb alle anderen betrieblichen Funktionen dienen, während das Marketing führt. Dennoch aber scheint das Marketing bei Studenten wie bei Praktikern unbeliebt zu sein. Weshalb aber ist das so?

Die Erzählsitzung

Wie auch das Recht ist das Marketing kasuistisch, d.h., es wird anhand von Fällen und Beispielen unterrichtet. Anders aber als im Recht steht kein in sich (mehr oder weniger) logisch geschlossenes und systematisierbares Regelwerk dahinter. Man lernt also mit Marketing-Fällen keine Paragraphen, denen ein Prüfungsschema zugrundeliegt, sondern mehr oder weniger ungeordnete Einzelfälle, die keinen Bezug zur eigenen Lebenswirklichkeit haben. So ist der Fall des Kühlschrank-Verkäufers berüchtigt, der seine Produkte in Alaska mit dem Argument losschlug, darin gefröre das Gemüse nicht; zu einer systematischen Erkenntnis tragen solche Stories aber selten bei. Marketing-Leerveranstaltungen werden daher oft mit Märchenstunden verwechselt.

Strategie, Taktik und die eigene Lebenswirklichkeit

Eine weitere Erfahrung ist, daß fundamentale Marketing-Konzepte strategisch meist orientiert sind, aber die, die sie lernen müssen, keinen Einfluß auf die Strategiedefinition ihrer Unternehmen haben. Die auch als Marktanteils-Wachstums-Portfolio bekannte Boston Consulting Matrix, die in IHK-Prüfungen berüchtigte Ansoff-Matrix oder einfach nur die SWOT-Analyse, die die Kämmerlinge immer noch manchmal "SOFT" nennen, erwachen erst zum Leben, wenn man es selbst anwenden kann. Das aber ist selten, und auf die oberste Führungsriege beschränkt. Der Stoff wird daher als trocken und langweilig empfunden, was mit Unruhe und Lärm quittiert wird. Und das ist der Anlaß für einen weiteren Dozentenfehler, den Füllertanz.

Der Schreibakt

Pädagogische Leere wird nämlich oft mit Beschäftigungstherapie quittiert, und das buchstabiert sich wie seitenlanges Mitschreiben. Dem Dozenten gibt das die Sicherheit, jedes Thema im Stoffplan nachweisbar erwähnt zu haben, und seinen Nerven gewährt es Stille, denn wer mitschreibt, hat zu tun und gibt Ruhe. Nur Prüfungserfolg sichert das nicht, jedenfalls dann, wenn jemand anderes die Aufgaben komponiert, denn dann könnten ja Transferwissen und eigenständige Schlüsse gefragt sein. Da aber versagt der Mitschreiber gnadenlos.

Der verachtete Stand

Ein weiteres Problem ist der niedrige soziale Status des Verkäufers, und dessen Job wird allgemein mit dem Begriff "Marketing" verwechselt, selbst noch im Management. Daran freilich sind viele Verkäufer selbst schuld, sei es durch ihre entnervenden Spam-Praktiken oder einfach durch schlechten Service. Auch betrügerische Angebote werden von Kunden oft schnell durchschaut, was nicht grade zum Ruf der Branche beiträgt. Es wundert daher nicht, daß auf Verkäufer eher herabgeblickt wird – rauhe Sitten werdennicht honoriert – ganz im Gegenteil zu den Verhältnissen in den USA, wo ein erfolgreicher Salesman ziemlich weit oben wohnt, im Penthouse zum Bleistift. Hier aber kommt das Marketing gleich nach der Politik. Warum das?

Und schließlich: die Erziehung zur Unselbständigkeit

Am schwersten wiegt vermutlich, daß das Marketing sich in Denkmustern bewegt, die zu meiden der deutsche Untertan von frühesten Kindertagen an systematisch erzogen wird, nämlich Risiko und Selbständigkeit. Das aber ist in der rundum sorglosen Vollkaskomentalität des deutschen Sozialversicherten nicht vorgesehen, der lieber im Sozialuterus steckenbleibt und die Wohltaten eines alle ernährenden aber auch alle kontrollierenden und gängelnden Staates konsumiert. Da stören die frechen Aktionen findiger Marketingleute nur, und bringen die in drei Diktaturen bewährten planwirtschaftlichen Strukturen durcheinander. Und wer würde das schon wollen?

Angst und Marketing

Zwar ist die Angst ein wirksames Verkaufsargument, was nicht nur Versicherungen ganz gut zu nutzen wissen, sondern auch Politiker, die einst aus der Mär vom Waldsterben und jetzt aus dem angeblichen Treibhauseffekt ihre gesamte parasitäre Existenzberechtigung herleiten. Aber die Angst vor dem Leben ist mächtiger als die vor dem Weltuntergang. So traut sich niemand heraus in die böse Welt, was natürlich heißt, daß wir immer noch die grauen Wählscheibentelefone der Deutschen Bundespost hätten, und drei Staatsfernsehprogramme, wenn nicht die Globalisierung sogar den gelben Riesen bewegt hätte. Marketing ist halt nicht alles, aber ohne Marketing ist alles nichts.

Psychologie als Grundlagenfach für Betriebswirte

Na ja, nur Verkaufspsychologie, aber diese könnte eine gute Einleitung sein. Berühmt ist die Geschichte vom DDR-Marktleiter, der seine Fischkonserven nicht loswurde bis er sie in einer Pyramide im Fenster stapelte und ein Schild dranmachte, "nur eine pro Person". Das Zeug war am nächsten Tag weg, grade noch vor Ablauf der Haltbarkeit. Solche Zusammenhänge liegen den meisten Verkaufsgesprächen zugrunde, denn Marketing beginnt eigentlich erst, wenn der Kunde abgelehnt hat und mein größter innerer Vorbeimarsch umfaßt einen Versicherungsvertreter, der zu mir kam, mir seine zweifelhaften Produkte verkaufte, und ohne Vertrag abzog, aber mit einer in bar bezahlten BWL CD. Solche Erfolge machen aus Marketing auch eigene Lebenswirklichkeit, und das hat praktische Anwendung: jede Bewerbung ist nämlich nichts als Selbstmarketing. Und es gibt genug Leute, die das nötig haben. Die haben das aber noch nicht erkannt, und schlafen in Marketing-Lehrveranstaltungen ein. Wie schade.

Links zum Thema

Fax-Spam: Der BWL-Bote stellt Strafantrag gegen »carking.de« | Dienstleistungsbranche: immer noch eine Servicewüste. Aber warum? | Der organisierte Betrug | Marketing: Rauhe Sitten im Kampf um die Kunden (interne Links)

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