Der bekannte Nachrichtendienst heise.de berichtet gestern, daß Deutschland nach Einschätzung der Bundesregierung in den nächsten Jahren ein "massiver Mangel an Naturwissenschaftlern und Ingenieuren" drohe. Der neuste Regierungsbericht zur technologischen Leistungsfähigkeit bezeichnet dies als "massive Gefahr" für den "Innovationsstandort Deutschland". Untersuchen wir mal, weshalb das so sein könnte:
Derzeit ist es nämlich eher frustrierend, in Deutschland als Ingenieur oder Naturwissenschaftler tätig zu sein, und das begann schon vor Rot-Grün: So wollte die Hoechst AG in Frankfurt/M eine Anlage zur gentechnischen Produktion von Insulin errichten. Das Vorhaben wurde vom damaligen hessischen Umweltminister Josef "Joschka" Fischer so lange verzögert, bis das Werk im Elsaß gebaut wurde: geradezu ein Paradebeispiel für die menschenverachtende Verhinderung der Gentechnik, die gerade durch ihre medizinische Anwendung Leben zu retten oder zu verlängern in der Lage ist.
Sowas ist aber beileibe kein Einzelfall: die Blüten des deutschen Bürokratismus sind bunt und zahlreich. So gab der Betreiber der Chipfabrik, die in Frankfurt/O. errichtet werden sollte, nach einem dreijährigen (!) Genehmigungsverfahren entnervt auf. So haben die Frankfurter immerhin ihre Ruhe vor Streß und Überstunden.
Ein Lieblingsziel der Öko-Demonteure ist traditionell die kerntechnische Industrie. Jürgen Trittin und seine Wadenbeißer verhinderten beispielsweise die Inbetriebnahme der schon fertiggestellten Mox-Anlage in Hanau, und sogar deren späteren Verkauf nach China. Die Entwicklungskosten von damals über 4 Mrd. DM für den Hochtemperaturreaktor wurden durch Stillegung der Anlage nach nur acht Betriebsmonaten praktisch zum Fenster hinausgeworfen was um so ärgerlicher ist, als diese Anlage auch zur Kohleveredelung dienen sollte und die deutsche Steinkohle wieder wettbewerbsfähig gemacht hätte. Zudem hätte sie sich zum Recycling von CO2 in Methan geeignet: daß man das nicht wollte beweist die Verlogenheit der von Trittin geschürten CO2-Hysterie. Immerhin wird die Technologie in China und Südafrika weiterentwickelt und möglicherweise einst von Deutschland re-importiert – zum Beispiel dann, wenn die bereits angekündigte Energierationierung in Kraft getreten ist.
Die (damals) 6 Mrd. DM Entwicklungskosten des zu 90% fertiggestellten Schnellen Brüters in Kalkar wurden auf ähnliche Art von denjenigen vernichtet, die behaupten, auch Kernbrennstoffe seien endlich: dabei könnte der Schnelle Brüter den Energieertrag aus eben diesen Kernbrennstoffen um das Sechzigfache (!) steigern.
Ein besonderes Drama ist der Transrapid, der in Deutschland 34 Jahre entwickelt wurde, 34 Jahre der Frustration und der Stagnation – und dann in China in Rekordzeit errichtet und in Betrieb genommen wurde. Da selbst jetzt noch kein Entschluß für ein deutsches Transrapidsystem gefallen ist, dürfte die Technologie erst weiterentwickelt werden, wenn sie ganz an die Chinesen übergegangen ist, was nur noch eine Frage der Zeit sein dürfte. Überhaupt die Verkehrstechnologie: da man in Deutschland unter Fortschritt offensichtlich nur noch die erfolgreiche Inbetriebnahme des Straßenmautsystems versteht wundert es nicht, daß die Cargolifter-Technologie abgetrieben wurde. Wie einst das sowjetische Raumfähren-Projekt "Buran" nach einem einzigen aber erfolgreichen Raumflug als Weltraum-Gaststätte im Gorkij-Park endete (!), wurde aus der fliegenden Landstraße ein Ökopark-Projekt gemacht. Sehr zeitgemäß, immerhin: Deutschland auf einer Stufe mit der zerfallenden Sowjetunion. Wirklich treffend. Aber nicht gerade geeignet, Fachkräfte der Luft- und Raumfahrtbranche anzulocken.
Selbst in "low-tech"-Branchen zu arbeiten ist kein reines Vergnügen mehr: so wurden hochmoderne Anlagen wie die Kokerei Kaiserstuhl nach wenigen Betriebsjahren wieder abgebaut und nach China verkauft. Heute wird Hüttenkoks zum Zehnfachen (!) des damaligen Preises verkauft und ist aufgrund des Preisanstieges für Stahl ein glänzendes Geschäft. Daß wir uns das haben entgehen lassen, führt zu Kostensteigerungen und entsprechenden Sparmaßnahmen in stahlverarbeitenden Industrien – was die Arbeiter bei DaimlerChrysler ebenso kennen wie die bei Opel.
Nein, es wundert nicht, daß es in Deutschland an naturwissenschaftlich-technischen Fachkräften mangelt: das Land, in dem einst die Raumfahrt, das Automobil und der Computer erfunden wurden hat keinen technischen Nachwuchs mehr. Der arbeitet und forscht in den USA, oder bald in China. So setzen wir selbst in die Tat um, was uns als Morgenthau-Plan einst vorgegeben wurde: wir verwandeln uns langsam in ein Land der Wiesen und Felder, ungestört von Technologie und Arbeit. Das ist natürlich die bessere Lösung, denn der Strom kommt aus der Steckdose und die Lebensmittel findet man im Supermarkt. Warum sich also mit Kraftwerken, Kokereien oder gar mit Lastzeppelinen plagen?
Links zum Thema: Moskau ratifiziert Kyoto: Ein Ausblick | EU-Kommissarin warnt vor Energie-Engpässen ab 2007 | Steigt jetzt auch China aus dem Transrapid aus? | Cargolifter: Sandstrände statt Hochtechnologie (interne Links) Originalbericht auf Heise.de (externer Link)