Einrichtung von Kostenrechnungssystemen: wer auf Sand baut…

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Viele Studienteilnehmer haben nach ihrem Abschluß die Aufgabe, ein Kostenrechnungssystem für ihren Betrieb einzurichten – und nicht wenige scheitern daran, denn der Sprung von der prüfungssicheren Beherrschung isolierter theoretischer Konzepte im Rahmen vorhersagbarer Prüfungsfragestrategien zu ihrer richtigen praktischen Anwendung in der Wirklichkeit ist groß. Um diesen Realitätsschock zu mindern, werden wir beginnend mit diesem Beitrag ein bißchem aus dem Nähkästlein des Kostenberaters plaudern: Der BWL-Bote packt aus. Beginnen wir heute mit den Fudnamenten, auf denen jede Kostenrechnung steht: die grundlegenden Definitionen.

  1. Umsatzerlöse
2. Erhöhung oder Verminderung des Bestands an fertigen und unfertigen Erzeugnissen
3. andere aktivierte Eigenleistungen
4. sonstige betriebliche Erträge
5. Materialaufwand:
  a) Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und für bezogene Waren
  b) Aufwendungen für bezogene Leistungen
6. Personalaufwand:
  a) Löhne und Gehälter
  b) soziale Abgaben und Aufwendungen für Altersversorgung und für Unterstützung
    davon für Altersversorgung
7. Abschreibungen
  a) auf immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens und Sachanlagen sowie auf aktivierte Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs
  b) auf Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens, soweit diese die in der Kapitalgesellschaft üblichen Abschreibungen überschreiten
8. sonstige betriebliche Aufwendungen
9. Erträge aus Beteiligungen
  davon aus verbundenen Unternehmen
10. Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens
  davon aus verbundenen Unternehmen
11. sonstige Zinsen und ähnliche Erträge
  davon aus verbundenen Unternehmen
12. Abschreibungen auf Finanzanlagen und auf Wertpapiere des Umlaufvermögens
13. Zinsen und ähnliche Aufwendungen
  davon aus verbundenen Unternehmen
14. Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit
15. außerordentliche Erträge
16. außerordentliche Aufwendungen
17. außerordentliches Ergebnis
18. Steuern vom Einkommen und vom Ertrag
19. sonstige Steuern
20. Jahresüberschuß/Jahresfehlbetrag

So fängt ein jedes Kostenrechnungssystem immer mit den Basisdefinitionen an, und das ist alles andere als trivial. Zwar reden alle immer von Kosten, Ausgaben und dem Rest, aber diese Begriffe wollen richtig definiert sein – denn wenn fehlerhafte Ausgangsdaten in das zu errichtende System eingehen, können keine brauchbaren Ergebnisse herauskommen.

 

Kosten sind, so weiß das Lehrbuch, bewerteter, periodisierter Güter- und Leistungsverzehr zur Erstellung der betrieblichen Leistung oder Aufrechterhaltung der Leistungsbereitschaft, so die umständliche "offizielle" Definition. Knapper, knackiger und viel verständlicher ist, daß Kosten den Einsatz an Produktionsfaktoren bewerten. Produktionsfaktoren sind Boden, Kapital, Arbeit und Information. Einsatz ist die tatsächliche Nutzung, also nicht der Einkauf.

Da genau gehen die Fehler schon los: viele Betriebe buchen nämlich den Einkauf von Waren oder Material direkt in die Kosten. Das ist falsch. Wie es besser zu machen ist, haben wir am Beispiel der Warenbkonten hier demonstriert. Wer immer eine Kostenrechnung aufziehen will, braucht also erheblichen buchhalterischen Sachverstand – und muß um nicht auf Sand zu bauen die Kompetenz haben, das bisherige Buchungssystem auf Fehler zu durchsuchen und Korrekturen anzuregen.

Dann nehmen wir uns mal die Gewinn- und Verlustrechnung vor. Rein zufällig ist nebenstehend das Schema der GuV nach dem Gesamtkostenverfahren nach §275 Abs. 2 HGB abgebildet. Auch wenn es im Rahmen der IAS/IFRS kein starres Schema wie im Handelsrecht gibt, so kennt man dort doch auch die nature-of-expense- und die function-of-expense-method, die dem GKV und dem UKV entsprechen. In der Software ist das meist per Auswertungskennzeichen abgebildet.

Erste Pflicht ist hier, die Größen zu finden, die als neutrale Aufwendungen aus der Kostenrechnung ferngehalten werden müssen, dort also nichts verloren haben. So sind Schuldzinsenkeine Kosten und steuerliche Abschreibungen auch nicht. Die Gewinn- und Verlustrechnung reicht also als Erkenntnisgrundlage nicht aus, denn diese Größen müssen durch entsprechende kalkulatorische Zinsen und kalkulatorische Abschreibungen ersetzt werden. Wer das unterläßt, braucht nicht weiterzumachen, denn dann kann am Ende der ganzen Mühe nichts richtiges herauskommen. Erfahrungsgemäß ist es sehr schwer, das oftmals unwissenden Vorgesetzten klarzumachen. Glauben Sie mir, ich kämpfe mit dem Problem seit vielen Jahren 😉

Das ist übrigens in einer deutschen Gewinn- und Verlustrechnung leichter als in einer nach IAS/IFRS: dort sind nämlich außerordentliche Posten stets verboten (IAS 1.85). Solcherart nicht-betriebsnotwendige neutrale Aufwendungen sind also schwerer zu erkennen, weil sie nicht zusammengefaßt in einer GuV-Position erscheinen, sondern verteilt über viele Einzelposten. Sie müssen also aus dem Buchungsstoff einzeln extrahiert werden, eine Schweine-Arbeit.

Das übrigens bringt uns zum häufigen Ansatz des schematischen Denkens: wer glaubt, das obige Schema einfach schablonenhaft anwenden zu können, der irrt gewaltig: auch im Rahmen der deutschen HGB-Buchhaltung müssen einzelne Buchungen auf Sinn und Inhalt geprüft und ggfs. klassifiziert werden. Das betrifft die Zweifelsfälle. So sind Wertpapiererträge (Zeile 10) beispielsweise bei den meisten Betrieben neutrale Erträge, also aus der Kostenrechnung fernzuhalten. Sie können aber bei Finanzdienstleistern auch im Einzelfall betriebsbedingt und damit Leistungen sein. Ähnliches gilt für Erträge aus Beteiligungen: sie können betriebsbedingt und damit Kosten sein, oder auch als neutrale Aufwendungen auszuscheiden sein. Schließlich können die sonstigen betrieblichen Erträge (Zeile 4) Leistungen oder neutrale Erträge sein – je nachdem, um was es sich handelt. Eine detaillierte Bewertung einzelner Sachverhalte ist also absolut unerläßlich.

Erfahrungsgemäß ist es für diese Analyse übrigens nützlich, sich das QM-Handbuch vorlegen zu lassen, wenn der Betrieb ein Qualitätsmanagementsystem besitzt: das nämlich muß eine Prozeßanalyse enthalten, aus der u.U. abzuleiten ist, ob etwas als betriebsnotwendig ist oder nicht.

Ein damit zusammenhängender beliebter Fehler ist die Verwechslung der Kosten mit Zahlungen: der größte Teil der Kosten ist nämlich gerade nicht zahlungsgleich. Das kann man an einem Beispiel demonstrieren: fragt man den Geschäftsführer, der gewiß ein dickes Auto fährt, was denn die größten damit zusammenhängenden Kosten seien, dann lamentiert er fast immer über Steuern, Versicherungen oder natürlich den Benzinpreis. Alles aber falsch: es sind in aller Regel die kalkulatorischen Abschreibungen, gefolgt von den kalkulatorischen Zinsen – gerade bei einem schweren Auto, das nämlich eine hohe Kapitalbindung und eine noch höhere Wiederbeschaffungsbewertung bedingt. Die daraus resultierenden Kostenposten aber sind gerade nicht zahlungsgleich ("nichtpagatorisch"). Oder noch ein kleiner Versuch: was ist wohl in einem Produktions- oder in einem Handelsbetrieb neben dem Waren- oder Materialeinsatz die größten Position unter den Lagerkosten? Der Staplerfahrer? Der Strom für das Hochregalsystem? Die teure Versicherung? Falsch: der Lagerzins. Gelagerte Waren verursachen nämlich auch Zinskosten, wenn sie nicht fremdfinanziert werden. Sie binden Kapital, repräsentieren also einen Faktoreinsatz. Sie bedingen daher eine Lagerzinsrechnung – und zwar völlig unabhängig von der Finanzierung!

Der Leser ahnt, daß die Abgrenzung der Kosten von den Aufwendungen, Ausgaben und Auszahlungen kein triviales Problem ist. Sie ist das Fundament des gesamten internen Rechnungswesens. Wer hierbei Fehler macht, der baut auf Sand. Wer schablonenhaft vorgeht, kommt aber auch nicht weiter – denn was in einem Fall richtig ist, stimmt in einem anderen nicht. Man muß also mit viel Gehirnschmalz ans Werk gehen, eine ordentliche Kostenliste zusammenzustellen – und möglichst gleich die richtigen Auswertungskennzeichen vergeben, so daß der EDV-Bearbeiter Monat für Monat die richtigen Daten exportieren kann. Das ist ein hartes Stück Arbeit, aber unerläßlich. Es dem Vorgesetzten oder Auftraggeber zu kommunizieren, ist eine wichtige Vorarbeit – denn sonst entstehen Mißverständnisse, die die Arbeit behindern und den Erfolg verhindern. Auch die vorgängige Beratung ist also einzuplanen. Sie ist ebenso unerläßlich.

Wer jetzt noch nicht die Lust verloren hat, findet in der nächsten Zeit in unregelmäßiger Folge weitere Beiträge zum Thema an gleicher Stelle.

Links zum ThemaBuchungen der Warenkonten: wie man es nicht machen sollte | Buchungen der Warenkonten: die verbesserte Bruttomethode, oder wie die Scannerkasse Kundentransaktionen erfaßt | Irrungen und Wirrungen der Kostenrechnung: warum Bankzinsen keine Kosten sind (interne Links)

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