Kunst auf Konfrontationskurs mit Kommerz

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Kunst und Kommerz gelten seit jeher als Antagonisten, deren Erfahrungshorizont, Zielsetzung und Anspruch unterschiedlicher nicht sein können. Sowohl Künstler als auch Marketingexperten von Unternehmen versuchen die Aufmerksamkeit der Menschen dadurch auf ihre Produkte zu lenken, indem sie Gefühle ansprechen. Beide arbeiten häufig mit dem Moment des Überraschenden, um Betrachter in den Bann zu ziehen. Während die Kunst in der Regel jedoch auch ein aufklärerisches Anliegen verfolgt, arbeiten Werbeexperten eher mit dem Stilmittel der gekonnten Verführung.

Eine international besetzte konzertierte Aktion

Pünktlich zur Olympiade in London haben sich einige britische Künstler für eine besondere Initiative zusammengeschlossen, die als Protestaktion gegen Werbung angelegt ist. So haben sie die Plakatwände in mehreren englischen Großstädten mit eigenen Motiven überklebt, um auf diesem Wege gegen ungebremsten Konsum und aggressive Werbung zu protestieren. Die Vereinigung „Brandalism“, die als Zusammenschluss von Künstlern, Aktivisten und Organisationen aus insgesamt acht Ländern bereits mehrfach in Erscheinung getreten ist, zeichnet sich verantwortlich für die Kampagne. Sie wendet sich damit sowohl gegen den Konsumterror als auch gegen die visuelle Übermacht der Werbung im Straßenbild. Laut den Machern von „Brandalism“ gibt es allein in Großbritannien mehr als 100.000 großformatige Plakatwände. 33 dieser Wände sind in fünf ausgewählten Städten mit kritischen Motiven der Künstler überklebt worden. Damit soll ein Signal gegen den zwangsweisen Konsum von Werbung gesetzt werden, der Passanten ungewollt und ohne eine Chance des Ausweichens zur Auseinandersetzung mit Werbebotschaften zwingt.

Satirische Botschaften

Eines der überklebten Motive ist beispielsweise der Fußballstar Wayne Rooney, der für Nike posiert. Die Künstler verfremden dieses Motiv und gestalten den Sportler zu einem Rowdy um, der mit zahllosen Einkaufstüten beladen ist. Der Claim „Just do it“ wird durch „Just loot it“ übermalt, was in der deutschen Übersetzung „Plündere es nur“ bedeutet. Die Überklebungen fordern den Passanten natürlich heraus und konfrontieren ihn auch mit eigenem Verhalten. Denn längst gibt es in der britischen Gesellschaft eine Neigung zum Zweifel am stetig steigerbaren Wachstum und an der Sinnhaftigkeit von ungehemmtem Konsum.

Motivation der Künstler: alles ganz selbstlos?

So nachvollziehbar und ehrenhaft die Motive der Künstler und Aktivisten auch sein mögen, dem kritischen Betrachter der Aktion wird nicht unentdeckt bleiben, dass die Künstler hier kostenlose Werbung in eigener Sache, sprich für die eigene Kunst betreiben. Der Wermutstropfen, der sich damit in das Füllhorn der edlen Absicht mischt, ist nicht zu übersehen. Bekanntlich zählt der Kunstmarkt zu den am härtesten umkämpften Märkten schlechthin. Promotion gehört hier zu den wichtigsten Elementen neben vorhandenem Talent, das oft weit weniger bedeutend erscheint als geschickte Eigenvermarktung.

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