Während das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) noch immer nicht den Weg in das Bundesgesetzblatt geschafft hat, also noch nicht in Kraft getreten ist, beginnen Dozenten wie Buchhalter doch langsam über die Einführung der Neuregelungen nachzudenken. In http://www.bwl-bote.de/20090422.htm haben wir hierzu eine grundlegende Übersicht bereitgestellt. Viele bleiben aber viel zu eng an den Buchstaben des Gesetzes hängen und erfassen nicht die tiefgreifenden Paradigmenwechsel, die das BilMoG bietet.
Bekannteste Neuregelung ist vermutlich die neue Möglichkeit der Aktivierung selbsterstellter immaterieller Vermögenswerte nach dem neuen §248 Abs. 2 HGB, doch viel weitreichender ist die Abschaffung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes in §254 HGB. Die scheinbar geringfügige Neuregelung führt zu einer grundsätzlichen Neuorganisation der Abschreibung des Anlagevermögens, denn bisher völlig unübliche Methoden wie die digitale Abschreibung werden jetzt wieder zulässig. Das reduziert stille Reserven und erhöht den Informationsnutzen des Abschlusses. Daher sollten ab 2010 drei verschiedene Abschreibungsverfahren parallel geführt werden, steuerlich, handelsrechtlich und kalkulatorisch. In http://www.bwl-bote.de/20090508.htm haben wir beispielhaft demonstriert, wie das funktionieren könnte.
Überhaupt, die stillen Reserven. Bisher wurde der handelsrechtliche Abschluß für die vielen unausgewiesenen oder bisweilen stark unterbewerteten Vermögensgegenstände bzw. überbewerteten Verbindlichkeiten kritisiert. Die Neuregelung des Niederstwertgrundsatzes, die wir in http://www.bwl-bote.de/20090503.htm näher untersucht haben, die Einführung einer eigenen Vorschrift für Fremdwährungsbewertung (§256a HGB) und die Neuregelungen bei Bilanzierung und Bewertung von Rückstellungen und Verbindlichkeiten führt zu einer deutlichen Reduktion der stillen Reserven. Der HGB-Abschluß gewinnt damit an Glaubwürdigkeit und Informationsnutzen. Doch auch das hat weitreichende Nebenwirkungen:
So mußten vor einer Kennzahlenanalyse bisher umfangreiche Neu- und Umbewertungen, Neugruppierungen und andere Vorbereitungen durchgeführt werden. Das kann jetzt weitgehend entfallen, denn die Zahlen für den Abschluß werden brauchbarer und sind aussagekräftiger.
Das gilt aber auch für die Kostenrechnung. So führt ein realistischerer Ausweis auch zu größerem besseren Ausgangszahlen für die kalkulatorische Zinsrechnung und die vielen darauf aufbauenden Methoden wie z.B. die Lagerbewertung, denn Lagerkosten sind sehr weitgehend gerade Zinskosten. Das kann freilich auch zu bösen Überraschungen führen – wenn ein Kostenrechner plötzlich mit wirklichkeitsnäheren Zahlen konfrontiert wird, die er (und die Geschäftsleitung) bisher ignoriert haben.
Schließlich werden Informations- und Offenlegungspflichten u.a. im Anhang erheblich ausgeweitet, was kleine Gesellschaften als bürokratische Hürde empfinden mögen, doch in Wirklichkeit ist das ein Paradigmenwechsel: Offenlegung dient nicht mehr der bösen Konkurrenz, sondern der Werbung um Anteilseigner, ganz gleich ob Aktionäre, stille Gesellschafter oder Genußrechteinhaber. In Zeiten knapper Finanzierung können mezzanine Finanzierungsinstrumente gerade einen entscheidenden Finanzierungsvorteil vermitteln, aber der baut auf der Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes auf. Schon jetzt legen daher kapitalmarktnahe Gesellschaften viel mehr Informationen offen, als sie müßten. Da ist die generelle Ausweitung der Informationspflichten für alle Kapitalgesellschaften nur folgerichtig und wünschenswert.
Das bringt uns zum Ergebnis dieser Analyse, denn der finale Rat an Geschäftsführung und Buchhaltung ist, die anstehende Einführung der Bilanzrechtsmodernisierung für eine grundlegende Überarbeitung des betrieblichen Rechnungswesens zu nutzen. Bestimmte Verwaltungsarbeiten wie die Anpassung der verwendeten Buchführungssoftware, der Kontenpläne und der betrieblichen Entscheidungsprozesse ist ohnehin unausweichlich. Für nur etwas mehr Arbeit bekommt man viel mehr Zusatznutzen, zum Beispiel endlich eine aussagekräftige Kostenrechnung mit realistischem Ausweis der kalkulatorischen Kosten. Hier werden nämlich die meisten Fehler gemacht, wie wir in http://www.bwl-bote.de/20080310.htm und in http://www.bwl-bote.de/20080303.htm dargestellt haben.
(Harry Zingel)
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Hier eine Übersicht zur Bilanzrechtsmodernisierung (BilMoG) (PDF, 213 kb)
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