Unternehmensbewertung: Marktkapitalisierung und Finanzierung aus Kapitalaufstockung

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In der Unternehmensbewertung wird bisweilen versucht, nach Marktwerten zu bewerten. Das hat nur bei börsennotierten Kapitalgesellschaften Sinn, weil nur für diese ein Marktwert in Gestalt eines Börsenkurses besteht. Doch auch in diesem Zusammenhang sind spannende Prüfungsfragen möglich. Schauen wir mal ein kleines Beispiel an:

 

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Über eine an einer Börse gelistete Aktiengesellschaft sind zu einem Stichtag die folgenden Daten bekannt:

 

Grundkapital: 20 Mio. Euro
Summe der Rücklagen: 50 Mio. Euro
Stückelung des Aktienkapitals: 1 Euro/Anteilsschein
Aktueller Börsenkurs: 12 Euro/Anteilsschein

Hier laufen offensichtlich auch 20 Millionen Anteilsscheine um. Da die Börse diese aber mit jeweils 12 Euro bewertet, beträgt die Marktkapitalisierung (oder Börsenkapitalisierung) des Unternehmens 240 Mio. Euro. Dieser Wert ist zwar keine echte Unternehmensbewertung, aber er spiegelt doch die Erwartungen der Kapitalmarktteilnehmer an die künftige Kurs- und Ertragsentwicklung des Unternehmens wieder. Das bedeutet aber noch nicht, daß man das Unternehmen für diesen Wert auch übernehmen könnte, weil der Erwerb von Anteilsscheinen in nennenswertem Umfang eine Auswirkung auf den Kurs hätte.

Für das Unternehmen spielt die Börsenkapitalisierung zunächst keine Rolle. Sie hat keine direkte bilanzielle Auswirkung. Sie ist aber bei der Finanzierung von Investitionsvorhaben durch Emission neuer Anteile relevant. Ein Beispiel zeigt, wie das vor sich geht.

Das Unternehmen möchte eine Investition in ein neues Werk i.H.v. 40 Mio. Euro durch eine Kapitalaufstockung im Verhältnis 8:1 finanzieren. Die Verhältniszahl bedeutet, daß für je acht alte Anteilsscheine eine neue Aktie emittiert werden soll. Es sollen also 2,5 Millionen neue Aktien (sogenannte "junge Stücke") ausgegeben werden.

Teilt man das Investitionsvolumen von 40 Mio. Euro durch diese Stückzahl, so erhält man einen notwendigen Emissionskurs i.H.v. 16 Euro/Anteilsschein. Dieser liegt um vier Euro je Aktie über der aktuellen Börsennotierung von 12 Euro je Aktie. Das Investitionsvorhaben kann daher nicht ohne weiteres alleine aus der Kapitalaufstockung finanziert werden.

Hier zeigt sich aber auch, wie unzuverlässig solche Methoden der Marktbewertung von Unternehmen sind, denn alleine durch die Ankündigung der Emission steigt in der Regel schon der Kurs. Um wie viel, ist jedoch schwer vorherzusagen, weil die Erwartungen der Kapitalmarktteilnehmer sich in der Nachfrageausweitung abbilden. Damit ist die Unternehmensbewertung zu Marktpreisen aber auch sehr manipulierbar, weil die gezielte Verbreitung positiver Informationen über das ins Auge gefaßte Investitionsvorhaben den Kurs in die Höhe treiben kann. Oder, knapper und knackiger gesagt: Propaganda lohnt sich. Die Unternehmensbewertung zu Marktpreisen kann daher Hinweise auf den Unternehmenswert enthalten, sollte aber nie die einzige angewandte Methode sein.

Links zum Thema: Aktienrechtliche Rücklagen nach §150 AktG, ein Prüfungsknaller | Wirtschaftliches Eigenkapital: Ein Beitrag zur Bonitätsbeurteilung (interne Links)

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Eine Antwort

  1. Wasi sagt:

    Unternehmensbewertung ist ein sehr wichtiger Schritt bei einem M&A-Deal. Viele haben dies jetzt auch erkannt. Denn im dritten Quartal dieses Jahres steigerten sich die Bewertungen bei Firmenübernahmen. Das zeigen die aktuellen Bewertungsmultiplikatoren, die FINANCE regelmäßig für insgesamt 16 Branchen veröffentlicht. [Quelle: http://www.finance-magazin.de/strategie-effizienz/ma/ma-bewertungen-ziehen-weiter-an/ ]
    Dennoch gibt es einige Sektoren, die diesem Trend nicht folgen. Nahrungs- und Genussmittel sowie beratende Dienstleister gehören zu diesen Sektoren.
    Gruß