Neue Personenkennzahlen: der Überwachungsstaat im Turbo-Gang

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Schon durch das Steueränderungsgesetz 2003 wurden die damals neuen §§139a bis 139d AO über das "dauerhafte Identifikationsmerkmal" und die Wirtschaftsnummer in die Abgabenordnung geschrieben. Im Herbst 2006 wurde die Einführung dieser Personenkennziffern ab Sommer 2007 beschlossen und jetzt, ein Jahr nach diesem Termin, ist es endlich so weit: den Steuerpflichtigen flattern die Mitteilungen mit den neuen Steuernummern ins Haus. Jeder Bürger ist damit beim Bundeszentralamt für Steuern mit einer lebenslang gleichbleibenden digitalen Identifikation erfaßt.

Von der Wiege bis zur Bahre

Die neue Personenkennziffer besteht aus zehn Stellen und einer zusätzlichen Prüfziffer. Sie wird ab Geburt oder bei Zuzug in das Bundesgebiet vergeben, bleibt ein Leben lang unverändert und wird erst 20 Jahre nach dem Tod des Steuerpflichtigen gelöscht – um Erbschaftsteuerfälle auch noch lange nach dem Erblassen des Erblassers ungestört abwickeln zu können. Das System ähnelt damit stark der amerikanischen Sozialversicherungsnummer oder der Personenkennzahl der DDR. Neben der Personenkennziffer erhalten Unternehmer und Freiberufler zusätzlich eine Wirtschafts-Identifikationsnummer, haben dann also zwei solche Kennziffern.

Auch eine Art der Entbürokratisierung

Die einheitlichen Personenkennziffern erlauben, Leistungsmißbrauch und Steuerhinterziehung schneller aufzudecken. Die schon lange erwartete Steuerprüfung per Datenbankrecherche ist damit beinahe Realität. Das ist so gesehen eine Art Entbürokratisierungsmaßnahme, aber eben auch datenschutzrechtlich bedenklich. Man denke in diesem Zusammenhang nur an die sogenannte "Kontenspionage": nach §24c Kreditwesengesetz (KWG) haben die Behörden Zugriff auf die Daten der Bankkunden, ohne daß die Bank von diesen Zugriffen Kenntnis erhielte. Dies wurde ursprünglich als Mittel zur Terrorfahndung eingesetzt, dient jetzt aber der Auffindung von Steuersündern. Böse Terroristen haben anscheinend keine Konten in Deutschland (oder sie kaufen Sprengstoffe nicht per Kreditkarte). Es liegt also nahe zu erwarten, daß die jetzt vergebenen Personenkennzahlen bald für DataMining-Zwecke mißbraucht werden, oder sogar an Werbefirmen verkauft werden. Ganz unbürokratisch, sozusagen, und es bringt zudem noch Geld ins Staatssäckel…

Die Rentner in der Falle

Auch die Rentner freuen sich auf die Neuregelung, denn Rentenkassen, Versorgungswerke und Lebensversicherungen müssen schon seit 2005 ausgezahlte Beträge flächendeckend an den Fiskus melden. Das geschieht jetzt mit der neuen Personenkennziffer, so daß man kein Prophet sein muß zu erraten, daß viele Nachfestsetzungen oder gar Steuerstrafverfahren die Folge sein dürften. Der Fiskus reibt sich schon die Hände, daß die Knöchel knacken. Auch hierdurch dürften sich die Kosten der gegenwärtigen doch recht großen Briefaktion schnell amortisieren.

Mehr Überwachung

Natürlich werden deutsche Gesetze nicht mehr in Berlin gemacht, auch nicht die §§139a bis 139d AO. Sie beruhen auf EU-Vorgaben und einer OECD-Empfehlung zur sogenannten "Taxpayer Identification Number" (TIN). Dies aber eröffnet bekanntlich ganz neue Perspektiven, denn schon jetzt müssen ja Steuernummern auf Rechnungen angegeben werden, nicht nur in Deutschland: die neuen einheitlichen Personenkennziffern erlauben dann bald, Geschäfte auch im Ausland lückenlos zu überwachen. Das dürfte spätestens dann lückenlos möglich sein, wenn die Buchführung der Unternehmen zumindestens teilweise auf staatlichen Servern geführt werden muß – und genau das ist längst geplant.

Zukunftsprojekte

Und neue Projekte liegen längst in der Schublade: So wurde der "Energiepaß" für Gebäude gewiß nicht nur zur Information von Mietern und Käufern eingeführt, sondern auch zur Identifikation und Erfassung von Immobilien – zum Beispiel, um eine Energierationierung bei Heizungen einzuführen. Auch das sogenannte englische Modell individueller Energiezuteilungen scheint noch immer in der Debatte zu sein. Frau Merkel soll es sehr befürworten. Solche Klimaschwindel-Grausamkeiten bedürfen aber stets einer eindeutigen und sicheren Identifikation jeder einzelnen Person. Der Öko-Staat muß ein Überwachungsstaat sein, sonst funktioniert bekanntlich nichtmal die Mülltrennung. Die Personenkennzahl ist möglicherweise die organisatorische Grundlage hierfür.

Ähnliches gilt übrigens für die ganz offenbar geplante Ausweitung der bisherigen LKW-Autobahnmaut auf alle Fahrzeuge und alle Strecken: auch hier muß jede Person zweifelsfrei identifizierbar sein, insbesondere bei Haftungsfällen. Auch dies ist mit der neuen Personenkennzahl viel einfacher.

Wie einst beim Euro

Da wundert die lange Zeit von der gesetzlichen Neuregelung bis zur tatsächlichen Einführung nicht, denn das ist typisch für unpopuläre Projekte: so war der Euro schon 1991/92 im Vertrag von Maastricht (offenbar als Preis der Einheit) vorgesehen, wurde aber erst 1999 als Verrechnungseinheit und 2002 als Bargeld eingeführt. Auch hier wurde offenbar auf das schlechte Gedächtnis des deutschen Michels gebaut, und ganz offenbar erfolgreich: von Protesten ist, vom leisen Maulen der noch verbliebenen Datenschützer mal abgesehen, nirgendwo etwas zu hören. So wenig wie bei Maut-Einführung oder Umsatzsteuererhöhung: geschimpft wird nur an den Stammtischen, und dann wird brav bezahlt. So dürfte es auch hier kommen…

Links zum Thema: Personenkennziffern ab Juli 2007 beschlossen | Energierationierung für Heizungen wird schon vorbereitet | Individuelle Energierationierung in England ernsthaft geplant! | Grüner Punkt wird abgeschafft: kommt die Politik endlich zur Vernunft? | Maut-Skandal: Haftung der Mitarbeiter für ihre Vorgesetzten (interne Links)

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