Der Kammerbetriebswirt: ist ein IHK-Zertifikat ein Studienabschluß?

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Immer wieder werden IHK-Abschlüsse wie "Geprüfter Betriebswirt" oder "Geprüfter Technischer Betriebswirt" mit Diplomen oder gar dem Master-Niveau amerikanischer Universitäten verglichen. Der BWL-Bote hält dies für einen Irrtum, und das gleich aus mehreren Gründen.

So ist zunächst die Zielgruppe nicht vergleichbar und damit auch nicht das Resultat: die universitäre Ausbildung richtet sich an junge Menschen. Sie ist eine Erstausbildung. Die Kammerlehrgänge hingegen setzen eine Erstausbildung und eine nachfolgende Berufserfahrung schon voraus. Sie sind daher meist berufsbegleitend. Sie sind Fortbildungen und keine Ausbildungen, und schon von daher mit einem Studium keinesfalls zu vergleichen.

Das kann man am besten an der Praxisnähe der IHK-Kurse und der entsprechenden Praxisferne mancher Vorlesung an der Universität demonstrieren: während die Professoren über Institutionenökonomie, die Principal-Agent-Theorie und die Transaktionskostenlehre lesen, lernt der Kammerbetriebswirt, welche Belege als Kosten zu erfassen sind und welche er zu aktivieren hat und warum. Der Studienabsolvent erleidet daher nach seiner Exmatrikulation von der universitären Spielwiese meist einen Praxisschock, weil in der betrieblichen Wirklichkeit viele der wissenschaftlichen Theorien kaum bekannt und völlig praxisfern sind, während der Kammerbetriebswirt, wenn er ordentliche Dozenten und ein bißchen Disziplin hatte, Kosten von Aufwendungen unterscheiden und richtig buchen kann. Und das ist praxisrelevant, aber leider nicht immer der Fall.

Wären dies nämlich eigentlich ausgezeichnete Voraussetzungen, so leiden die Kammerabschlüsse doch unter dem Mangel an Marketing und den vielen unseriösen Anbietern: verstünden es die Kammern, ihr Produkt zu verkaufen (anstatt nur mit Prüfungsgebühren Geld zu verdienen), dann hätten sie ein besseres Ansehen. Leider haben die Kammern aber weder ihre eigene Qualität im Griff, wie das Dauer-Drama mit den Textbänden und den vielen Fehlern in den Prüfungen zeigt, noch können oder wollen sie die ebenfalls zahlreichen unseriösen Anbieter vom Markt vertreiben. Immer weniger Teilnehmer, hohe Fluktuation und noch höhere Durchfallerquoten sind daher die Folgen. Und Personaler, die einen Ferienkurzlehrgangs-Betriebswirt vor sich haben und fragen, wie man wohl einen so komplexen Lehrgang in wenigen Tagen absolvieren kann. Kein Wunder, daß die Kammerzertifikate bisweilen schon regelrecht verrufen sind.

Schließlich ist die Bildung in diesem Lande geringgeschätzt, was sich am stetigen Verfall der Honorare demonstrieren läßt. Während die Preise explodieren, sind die Dozentenentgelte auch an den Kammern selbst stetig gefallen – von Acht-Euro-Angeboten privater Bildungsfirmen mal ganz zu schweigen. Man kann daher nur noch als Dozent tätig sein, wenn dies eine Nebentätigkeit ist, also das eigentliche Geld anderswo verdient wird, und solche Nebenfachler sind meistens Pfeifen, wenn sie sich nicht auch außerhalb der Lehre (etwa durch Autorentätigkeit) ständig mit den Lehrinhalten befassen. Auch Professoren lehren nicht gerne, denn mit Beratungsaufträgen verdienen auch sie viel mehr, aber sie verkörpern wenigstens noch einen fachlichen Standard, den viele Billigdozenten nicht mitbringen. Kein Wunder, daß das Ansehen der Kammerzertifikate darunter leidet.

Der IHK-Abschluß könnte daher einem Studium mit Praxisnähe und Anwendbarkeit des erworbenen Wissens Konkurrenz machen, wenn die Kammern ihr Produkt nur angemessen positionieren könnten oder wollten. Leider fehlt es ihnen an Qualität, Potential und vielleicht sogar an Willen. Sie sind zum Teil Opfer ihres eigenen starren Systems, leiden aber auch an den Bildungs-Mißständen in diesem Lande. Die wirklich Leidtragenden sind die Absolventen, die zwei Jahre lang die Wochenenden in den Skat gedrückt haben und dafür vielfach keine angemessene Gegenleistung erhalten. Ein grundlegender Neuanfang wäre dringend nötig, ist gleichwohl bei den derzeitigen politischen Rahmenbedingungen in diesem Lande kaum zu erwarten.

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Links zum Thema: Die Betriebswirtschaft als Wissenschaft oder vom Hochmut der Professoren | Der olle Willi, oder was die IHK besser kann als eine Universität | Industrie- und Handelskammer: Marketing ist nicht alles… | Schwarze Schafe: Hinweise zur Wahl der richtigen Bildungsfirma | Vom Wochenende in den Opportunitätskosten, oder die Zeitnöte der berufsbegleitenden Fortbildungen (interne Links)

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