Im vorigen Beitrag haben wir das grundlegende Schema der Prozeßkostenrechnung dargestellt. Dieses baut darauf auf, daß alle Prozesse, die eine identifizierbare Verursachergröße haben, nach dieser Verursachergröße zugerechnet werden – als sogenannte LMI-Kosten. Doch die Bemessung dieser Leistungsmengeninduzierung ist ein komplexes Thema, und falsche oder nicht verursachergerechte Maßgrößen demotivieren Mitarbeiter und erbringen verzerrte oder falsche Ergebnisse. Die angebliche Stärke der Prozeßkostenrechnung, präziser hinzuschauen und verursachergerechter abzurechnen, kann also ebensogut auch eine Schwäche sein.
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Die Kostenverursachergröße, nach der die leistungsmengeninduzierten Kosten bemessen werden, heißt auch Kostentreibergröße. Die richtige Bemessung dieser Größe ist eine Kunst, denn Fehler können fatale Folgen haben, auch wenn die grundlegenden Beispiele einfach aussehen:
Bereich, Abteilung | Beispiel für Kostentreibergröße |
Produktion | Anzahl gefertigter Teile |
Maschineneinrichtung | Anzahl der Fertigungslose |
Qualitätskontrolle | Anzahl hergestellter Produkte, Anzahl Auslieferungen |
Fakturierung | Anzahl der Rechnungen |
Hotline-Callcenter | Anzahl der Kundenanrufe |
Was so einfach aussieht, kann gleichwohl leicht versemmelt werden. Zunächst muß die Kostentreibergröße aussagekräftig für die Leistung sein. Sie muß eine Verursachergröße im Sinne des Kostenverursacherprinzipes sein. Die Kosten für den jeweiligen Prozeß müssen sich also proportional zur Kostentreibergröße verhalten. Beispielsweise müssen die Kosten der Qualitätskontrolle tatsächlich von der Anzahl der Auslieferungen abhängen.
Weiterhin müssen die Leistungseinheiten untereinander vergleichbar sein. Sind sie das nicht, so erhält man frustrierte Mitarbeiter und unzuverlässige Ergebnisse. Beispielsweise muß die Anzahl der Kundenanrufe aussagekräftig für die Leistung der Kundenhotline sein. Das ist sie nur, wenn die Anrufe untereinander vergleichbar, also einander ähnlich sind. Dagegen ließe sich einwenden, daß der Mitarbeiter mit einem Kunden lange, aber mit dem anderen nur kurz telefoniert. Sind diese Unterschiede groß, ist die Leistung pro Kunde nicht vergleichbar und die Anzahl der Anrufe ist kein gutes Maß. Die Dauer der Anrufe könnte dann ein besseres Maß sein. Oft ist zwischen mehreren möglichen Kostentreibergrößen auszuwählen und sorgfältig abzuwägen. Eine allgemeine Richtgröße ist, daß eine Kostentreibergröße meistens dann geeignet ist, wenn sie auch als Maßzahl für eine Akkord- oder Leistungsentlohnung geeignet wäre. Dort nämlich ist das Gespür für Ungerechtigkeiten am größten.
Schließlich muß die Anzahl der Kostentreibereinheiten meßbar sein. Ist die Anzahl der Kopien ein Maß für einen Prozeß "Fotokopieren", so muß sie erfaßbar sein und auch tatsächlich erfaßt werden. Während die Teilkostenrechnung nur eine Leistung kennt, nämlich die betriebliche Ausbringung, gibt es in der Prozeßkostenrechnung eine große Zahl von Output-Größen. Ein großer Fehler ist hier, zu genau hinzuschauen. Erfaßt man beispielsweise Kopien verschiedener Größen, Farbkopien, doppelseitige Kopien und weitere Leistungen des Gerätes separat, so ist die Zurechnung zwar verursachergerecht, aber kaum mehr zu handhaben. Nichts versteinert einen Betrieb schneller und demotiviert Mitarbeiter gründlicher als das starre Korsett der Bürokratie.
Mindestens das Argument der Prozeßkostenrechner, ein einfaches Modell anzubieten, ist also nicht immer stichhaltig. Eine sorgfältige Einbettung in die bestehende Prozeßbeschreibung des Qualitätsmanagementsystems ist erforderlich. Werden hier Fehler gemacht, so kann dies das ganze Kostenrechnungssystem erfolgreich versenken, und mit ihm das QM-System gleich mit. Das ist leider nur allzu häufig.
Links zum Thema: Prüfungsrelevant: so funktioniert die Prozeßkostenrechnung | Häufige Irrtümer: warum nicht alles, was veränderlich ist, auch variabel ist (interne Links)
Literatur: Zingel, Harry, "Kosten- und Leistungsrechnung", Weinheim 2008, ISBN 978-3-527-50388-9, Amazon.de | BOL. Auf der BWL-CD ohne Mehrkosten enthalten.