Die Kostenrechnung beruht auf spitzfindigen und bisweilen theoretisch erscheinenden Definitionen, die gleichwohl für die korrekte Anwendung der zugrundeliegenden Rechenverfahren unerläßlich sind. Wer das mit den Definitionen nicht richtig macht, der kriegt auch keine brauchbaren Zahlenwerke. Selbst dann, wenn die mathematischen Methoden richtig angewandt werden. Ein beliebtes Thema ist dabei immer wieder die Abgrenzung der variablen Kosten von den Fixkosten.
So behauptete auf unseren Artikel über sprungfixe Kosten ein Forennutzer, die Rüstkosten in der Produktion müßten doch wohl variable Kosten sein, weil sie von Los zu Los erneut aufträten. Ein beliebter Irrtum, denn diese Debatte gab es früher schon mal imForum für Betriebswirtschaft.
Veränderlich ist noch lange nicht variabel!
Größte praktische Hürde ist zunächst meist der häufige umgangssprachliche Irrtum von den sogenannten "festen Kosten". Diese gibt es nicht. Im Leben ist nichts fest und unveränderlich, schon gar keine Kostenart. Auch Kosten, die sich von einer Rechnungsperiode auf eine andere in der Höhe ändern, können Fixkosten sein. Sie sind veränderlich, aber nicht variabel. Für die Eigenschaft der Variabilität im kostenrechnerischen Sinne ist einzig und alleine der direkte proportionale Leistungsmengenbezug ausschlaggebend. Die Telefonkosten eines Industriebetriebes beispielsweise ändern sich von einer Periode zur nächsten. Sie sind veränderlich, aber nicht variabel, denn die Anzahl der geleisteten Einheiten, also der hergestellten Produkte, hat nichts mit der Anzahl der Telefonminuten zu tun. Die Telefonkosten eines Callcenters sind ebenfalls veränderlich, aber zudem auch variabel: das Callcenter ruft Kunden an. Diese Anrufe sind die erbrachte Leistung. Mehr Leistung, mehr Kosten – eine variable Kostenart.
Einige Beispiele für häufige Fehler aus der Lehr-, Prüfungs- und Beratungspraxis des Autoren:
Sprungfixe Maschinenkosten
Viele Kostenarten insbesondere in der Maschinenkostenrechnung sind für einen bestimmten Kapazitätsbereich unveränderlich. Erfordert der Markt, daß eine zusätzliche Anlage zur Ausweitung der Leistung bereitgestellt wird, so ändern sich die Kosten schlagartig auf ein neues, höheres Niveau. Man spricht von den sogenannten "sprungfixen" Kosten. Die aber sind, wie schon die Bezeichnung zeigt, immer noch Fixkosten: obwohl die Kosten bei Ausweitung der Ausbringung steigen, sind sie doch nicht direkt davon abhängig. Sie steigen nicht mit jeder einzelnen Ausbringungseinheit, z.B. jedem einzelnen hergestellten Produkt, sondern erst bei Überschreiten einer Kapazitätsgrenze. Das macht noch keine variablen (sondern nur veränderliche) Kosten.
Rüstkosten
In vielen Produktionsprozessen sind Rüstkosten erforderlich. Diese haben etwas damit zu tun, daß Maschinen eingerichtet und Produktionsprozesse vorbereitet werden müssen. Rüstkosten sind meist einem Auftrag zuzuordnen, denn sie entstehen wenn der Betrieb beginnt, den Auftrag eines bestimmten Kunden abzuarbeiten und hierfür z.B. Werkzeuge in Maschinen installiert, Software auf Produktionsanlagen lädt und Roboter einrichtet. Solche Rüstkosten gestatten dann eine bestimmte Zahl von Produktionsprozessen. Sie fallen erneut an, wenn z.B. ein ein neuer Auftrag vorbereitet oder eine neue Maschinenkalibrierung für andere Produkte eingerichtet werden muß. Solche Kosten heißen intervallfix, d.h. sie entstehen in bestimmten Intervallen immer wieder neu. Auch das macht sie aber noch nicht zu variablen Kosten, denn sie hängen wiederum nicht von der Ausbringungsstückzahl direkt ab. Sie sind daher veränderliche Fixkosten. Variabel sind sie lediglich, wenn sie verschleißbedingt sind. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein, aber ein Beispiel zeigt, was gemeint ist: läßt ein Autofahrer in der Werkstatt neue Reifen aufziehen, weil die alten abgenutzt sind, so ist dies eine verschleißbedingte Instandhaltung, also eine variable Kostenart. Werden aber die Winterreifen aufgezogen, so ist dies eine Fixkostenart, weil der Wintereinbruch (und nicht der Verschleiß) Anlaß der Aktion ist und kein direkter Ausbringungsmengenbezug besteht: Winterreifen braucht man, ganz gleich, ob man im Winter sehr viel oder nur wenig fährt.
Warenkosten
Gleiches gilt im Einkauf. Hier haben wir es gleich mit zwei Irrtümern zu tun. Daß eingekaufte Waren keine Kosteneigenschaft haben,wurde schon dargestellt. Sie werden aktiviert, also erst bei Entnahme durch den Kunden zu einer Kostenart – und das kann viel später passieren, z.B. in einer anderen Rechnungsperiode. Im Zusammenhang mit dem Einkauf von Produkten müssen aber Mitarbeiter Lieferanten besuchen, Qualitätsprüfungen durchgeführt werden, Angebote verglichen, Rechnungen gebucht und andere administrative Leistungen erledigt werden. Diese verursachen Kosten, aber natürlich ebenfalls Fixkosten, denn sie hängen nicht oder kaum von der Stückzahl ab. Die Rechnung, die zu buchen ist, und der Besuch des Einkäufers auf der Messe, haben hinsichtlich der damit verbundenen Kostenhöhe nichts mit der Anzahl der eingekauften Einheiten zu tun. Allerdings sind die Qualitätsprüfungen im Wareneingang, die nach § 377 Abs. 1 HGB unverzüglich stattzufinden haben, von der Anzahl der zu prüfenden Produkte abhängig: je mehr Produkte zu prüfen sind, desto höher sind die Kosten. Selbst das ist aber noch keine variable Kostenart, weil der Wareneingang keine Ausbringungsgröße darstellt (sondern die Eingangsseite der Unternehmung). Zudem ist es üblich, bei größeren Chargen nur noch Stichproben zu nehmen. Auch das ist ein Grund, daß die Prüf- und ähnlichen Wareneingangskosten keine variablen Kosten sind, denn sie hängen gerade wegen der Stichprobennahme nicht direkt und klar von der Menge ab, nichtmal von der Einbringungsmenge.
Lagerkosten
Weiterhin ist der Irrtum beliebt, Lagerkosten seien variabel, weil sie mit der Zahl der Produkte zunehmen. Das genau ist aber falsch, denn Lagerkosten sind im wesentlichen Zinskosten. Gelagerte Bedarfsgegenstände verursachen Zinskosten unabhängig von der Finanzierung, weil die Zinskosten von den Zinsaufwendungen zu trennen sind. Zinskosten entstehen also auch, wenn der Lagerbestand in bar oder aus dem Bankguthaben bezahlt worden. Die Lagerkosten nehmen deshalb auch nicht mit der Zahl der gelagerten Bedarfsgegenstände zu, sondern mit deren Wert, weil die kalkulatorischen Zinsen sich auf die Kapitalbindung (also den Produktionsfaktor Kapital) und nicht die Anzahl der Gegenstände beziehen.
Variabel weil veränderlich pro Exemplar?
Schließlich wurde eingewandt, Kosten seien variabel, weil sie pro Exemplar zurückgehen. Man spricht hier von der Stückkostendegression: dividiert man die Gesamtsumme der Kosten durch die Anzahl der hergestellten Einheiten, so ist das Ergebnis um so kleiner je höher die Produktionsstückzahl ist. Auch das macht noch keine variablen Kosten: Variabilität ist nur in der absoluten Höhe der Kosten und nicht in einem Kostenverhältnis gemessen. Es kommt bei der Abgrenzung der variablen Kosten von den Fixkosten nie darauf an, wie hoch die Kosten pro Stunde, Stück oder Einheit sind, sondern nur und ausschließlich darauf, wie hoch die Kosten pro Rechnungsperiode sind.
Grundlegende Regel
Grundsätzlich soll in Zweifelsfällen der Begriff der variablen Kosten stets eng ausgelegt werden. ist unklar, ob eine Größe variabel oder einfach nur veränderlich (und damit eine Fixkostenart) ist, so sollte sie stets als Fixkostenart klassifiziert werden. Das hat den Grund, daß viele Rechenmethoden nur eine einzige variable Kostenart zugrundelegen. Sie anzuwenden ist schwierig, wenn es mehrere anscheinend oder wirklich variable Größen gibt. Allerdings wird es zu einem späteren Zeitpunkt auch Abstufungen von Fixkosten geben. Das ist der richtige Ort für die Zweifels- und Grenzfälle, denn man kann unterschiedliche Arten von "fix" unterscheiden.
Links zum Thema: Die Kostenarten der Maschinenrechnung, 3 von 3: Sprungfixe Kosten | Buchungen der Warenkonten: die verbesserte Bruttomethode, oder wie die Scannerkasse Kundentransaktionen erfaßt | Kostenartenrechnung: eine richtig gute Prüfungsknallschote | Kostenartenrechnung: ein grundlegender Aufgabentyp, und wie man damit fertig wird (interne Links)