Betriebswirt IHK: Bericht zur Herbstprüfung im Fach "Europäische und internationale Wirtschaftsbeziehungen"

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Nachdem ich bereits am 11. Dezember über die Prüfung im Fach Qualitätsmanagement berichtet habe, folgen nun Details über die Außenwirtschaft. Auch in diesem Fach bin ich Zweitprüfer, und habe die Aufgaben und die Exemplare heute vom Erstprüfer bekommen. Also, schaun' wir mal…

Prüfungsinhalt

Diese Prüfung ist textlich noch knapper als die im Bereich QM: Man faltet den Aufgabensatz aus, und hat es vor sich: ganze zwei Seiten. Übersichtlich, das: fünf Aufgaben harren der Bearbeitung, aus einer blitzen böse Zahlen, mit denen es zu rechnen gilt, ansonsten sieht das auf den ersten Blick harmlos aus: keine Diagramme, keine Grafiken, nur ein paar hoffentlich nicht so kryptische Abkürzungen…

Aufgabe 1

Also, machen wir's kurz: erklären Sie mal die Begriffe "Intrahandel", "INTRASTAT", das "Bestimmungslandprinzip" und was eine USt.-ID-Nummer ist – und schon haben Sie acht Punkte. Das sollte ein einfacher Anfang sein, vielleicht mit Absicht. In Frage b) soll sich der Teilnehmer dann über die "vier Freiheiten" des EU-Vertrages verbreiten – auch das kein Problem, hoffe ich, aber es bringt 12 Punkte, die nicht so schwer verdient werden.

Aufgabe 2

Diese Aufgabe wird mit einer Vierzeilen-Fallstude eröffnet, die Ihnen im wesentlichen nur sagt, daß Sie in einem Unternehmen arbeiten, das nach Argentinien exportiert – inwieweit dieses Unternehmen von der derzeitigen Finanz- und Staatskrise in diesem Land betroffen ist, geht aus der Aufgabenstellung nicht hervor. Aber es wird angedeutet, daß ein Exportgeschäft in dieses südamerikanische Land eröffnet werden soll, und in Frage a) soll sich der Teilnehmer für neun Punkte über drei mögliche Vertriebswege für den Aufbau dieses Exportbereiches auslassen und je zwei Vor- und zwei Nachteile dieser Vertriebsarten erläutern. Na? Wie war das noch gleich? Richtig: Indirekter Export, direkter Export, Lizenzerteilung, Joint Venture und Direktinvestition – ein typischer Vertreter der Vorteils-Nachteils-Frage und gewiß ein Standardthema.
In Teil b) sollen für fünf Punkte fünf firmeninterne Voraussetzungen für die Geschäftsanbahnung genannt werden – ich bin versucht, hier von einer Laberfrage zu sprechen. Ein bißchen Geschwafel mit geringfügigem Inhalt verdient aber die Punkte: solche Platitüden wie Kenntnisse über den Außenhandel, Landeskenntnisse über Argentinien, Sprach- und Kulturkenntnisse und dergleichen mehr zieren meine offiziellen Lösungsvorschläge.
Teil c) schließlich ist, was offensichtlich einige Feedbacks kritisiert haben, aber so schlimm ist es doch gar nicht: Der Aufgabensatz nennt elf Zahlenwerte, vom eigentlichen Warenwert über Zölle bis hin zu verschiedenen Fracht- und Verladekosten, und der wackere Kandidat soll die Kosten nach Buenos Aires nach den INCOTERMS 2000 gemäß FOB, CFR und CIF kalkulieren: das sieht nur auf den ersten Blick schwierig aus; weiß man aber, daß "FOB" die Abkürzung für "Free on bord" ist, dann fällt es nicht schwer, di entsprechenden Positionen aus der Liste zu picken und zu addieren – fertig isses. Und wenn nicht, hat man nur 6 Punkte verloren, also halb so wild!

Aufgabe 3

Auf nach Mexiko, wo ein Unternehmer 10.000 Spielzeugautos bei einem deutschen Hersteller bestellt. Kein Wunder, die richtigen Autos bauen die deutschen Hersteller ja schon in Mexiko… Ähem, zur Sache: in Frage a) soll die Zahlungsbedingung "Documents against Payment" erläutert, d.h., der Ablauf dargestellt werden – da bietet sich eine kleine Skizze an. Die bringt 8 Punkte und will gelernt sein – sonst geht es nicht, und man sollte gleich bei b) weitermachen, wo nach dem besonderen Risiko des skizzierten Falles gefragt wird: das ist offensichtlich und geht ohne Kenntnis von "d/p", denn der Fall skizziert, daß die Spielzeugautos Sonderanfertigungen sind, die also ansonsten unverkäuflich wären – und das waren 6 Punkte. In Teil c) schließlich soll man sich über drei weitere Risiken des Exportlandes Mexiko verbreiten – weitere 6 leichtverdiente Punkte, oder?

Aufgabe 4

Das könnte der Hammer gewesen sein, denn zunächst soll für immerhin 16 Punkte der Ablauf des Dokumentenakkreditivs erläutert werden – auch eine Lernfrage, d.h., man muß es einfach wissen – Schwafeln geht nicht. Auch b) ist nicht ohne – für allerdings nur 4 Punkte soll der Unterschied zwischen Dokumentenakkreditiv und Dokumenteninkasso erklärt werden – auch das will gewußt sein. Immerhin ist diese Frage deutlich "härter" als die vorhergehenden – vielleicht nicht ohne Absicht.

Aufgabe 5

Jetzt kommen wir zum EU-Recht, aber auf recht unverfängliche Art: zunächst sollen die allgemeinen Konsequenzen der EG-Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit sowie die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen erläutert und daraus entstehende Ansprüche dargestellt werden. Oops, was für eine Verordnung?? Ich muß gestehen, von diesem Regelwerk noch nichts gehört zu haben, und wäre möglicherweise der 6 Punkte, die es hier zu verdienen gab, verlustig gegangen, und ich kann mir denken, daß das manchen aus der Bahn geworfen hat. Aber ich habe nachgeschaut: die genannte ominöse Verordnung regelt, welches Gericht zur Streitentscheidung zuständig ist, daß ein in einem Land ergangenes Urteil auch in anderen Ländern angewandt wird und daß es dabei nicht auf die jeweilige Gerichtsbarkeit sondern nur auf den Rechtsbereich ankomme, denn einige sind ausdrücklich ausgeschlossen. Öhem! Steht das im offiziellen IHK-Skript?? Ich gelobe, es nachzusehen! 😉
In Frage b) sind wir aber wieder back on track, hoffe ich, denn jetzt sollen je zwei Beispiele für primäres und für sekundäres Gemeinschaftsrecht genannt werden – ein Heimspiel, hoffe ich. Zur Erinnerung: Primäres Gemeinschaftsrecht sind die EU-Verträge, sekundäres die Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen des EuGH, Stellungnahmen und Empfehlungen. Und das für 8 Punkte…
Frage c) schließ- und endlich fragt nach dem Unterschied zwischen EU-Verordnungen und EU-Richtlinien, und auch das sollte kein großes Problem sein, sich die dort zu holenden 6 Punkte auch zu fangen.

Meine Wertung

Das sah auf den ersten Blick versöhnlich aus, hatte aber seine verborgenen Härten. Und seine Fairneßmängel: während ein wackerer Betriebswirt/IHK über primäres und sekundäres EU-Recht prinzipiell bescheidwissen sollte, ist es schlicht unfair, nach einer entlegenen EU-Verordnung über gerichtliche Zuständigkeiten zu fragen. Da der BeWehEller kein Anwalt werden will, wird er sich für den grenzüberschreitenden Gerichtsinnerhalb der EU wenig begeistern – und diese Verordnugn nicht kennen. Und das kostet 6 Punkte, na ja, nicht so viel, aber immerhin. Nicht nett ist übrigens auch, daß das Ding mit der Verordnung im Kopf der Aufgabe steht, und so zumindestens auf den ersten Blick der Eindruck entsteht, alle 20 Punkte, die es bei dieser Frage zu holen gibt, drehten sich um die seltsame Verordnung.
Sieht man von diesem Problem, das ich übrigens auf den Feedback-Bogen an die Aufgabenkommission schreiben werde (ich gelobe!) einmal ab, dann war das eine nicht zu schwierige Angelegenheit – wie gesagt, ohne jetzt diese seltsame Verordnung im IHK-Skript gesucht zu haben, ist der Rest der Fragen Mainstream und die Antworten sollten einem eifrigen Teilnehmer sozusagen aus dem Ärmel fallen. Und damit meine ich nicht den Spickzettel, mit dem hier jeman derwischt worden sein soll!

Nur 60 Minuten

Das vermutlich wirkliche Problem steht nicht in den Aufgaben, sondern auf der Titelseite: nur schlappe 60 Minuten hat man für das Ganze Zeit, eine Stunde Angst: Das ist nämlich eindeutig zu wenig. Wer die Antworten nicht sofort parat hat, findet kaum noch Zeit zum Nachdenken, aber eine Menge Gelegenheiten, Panik zu entwickeln. Und dann ist Leere, wo gestern noch Wissen war. So ist das weniger eine Prüfung über Außenwirtschaft als eher eine über die Fähigkeit, schnell an Prüfungsfragen heranzugehen und sinnvolle Auswahlen zu treffen, also auf den ersten Blick festzustellen, was man kann, das zu erledigen und liegenzulassen, was man nicht kann. 90 oder 120 Minuten wären aus meiner Sicht eindeutig angemessener gewesen – ein IHK-internes Kommunikationsproblem, einfach ein Irrtum oder absichtliches Aussieben? Wer weiß… Aber ich gelobe, auch das auf den Feedback-Bogen zu schreiben, der nach Abschluß der Prüfung an die Aufgabenkommission geht. Mal sehen, ob das was bringt…

Mehr Ressourcen zum Thema Außenwirtschaft

Nach 31 Jahren: Der Europarat beschließt die Europäische Aktiengesellschaft | Klickbare Liste wichtiger Verbände und Organisationen im Außenhandel | Klickbare Liste wichtiger Förderprogramme des Bundes | Die IHK-Textbände: Warum sie schlecht sind, weshalb man sie dennoch braucht und wo man sie herkriegt | Herbstprüfung 2002 Betriebswirt/IHK: Die Feedbacks der Prüfungsteilnehmer | BWL CD (interne Links)

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