Die verschluckte Krankenschwester, oder von Onanie in der Marktkommunikation

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Es ist erstaunlich, mit welchem geistigen Dünnpfiff der Werbeadressat bisweilen unfreiwillig konfrontiert wird: Verschluckte Krankenschwestern, am Ohr hängende Brunnen oder Wichser an der Kinokasse sind geistige Entgleisungen, die möglicherweise nicht im Interesse der Werbetreibenden sind. Sie könnten nämlich negative Werbeeffizienzkennziffern bewirken, oder deutlicher gesagt, einen Boykott.

 

  Die verschluckte Krankenschwester

So hat auf diesem Plakat mein Sparschwein gerade eine Krankenschwester verschluckt, was offenbar illustrieren soll, daß mit einer geringen Ersparnis anderswo soziale Dienste finanziert werden sollen. Ähnlich die Sache mit dem am Ohr hängenden Brunnen oder den Schulbüchern, mit denen man sich angeblich gerade eingechremt hat: Schmuck oder Kosmetikartikel, so die verquaste Botschaft der Plakataktion, finanzieren bedürftigen Ortes das Gesundheitswesen. Aber hätte man das nicht auch etwas sinnvoller kommunizieren können?

Legende ist in diesem Zusammenhang die Brüllwerbung der Telekom, die auch den letzten TV-Schläfer aus seinen Träumen riß, oder der am Flughafen wartende Kunde des gleichen Telekommunikationskonzernes, der mangels schnellen Internetzuganges anfängt, an seinen Socken zu schnüffeln.

Ist das peinlich…

Ja, die Konkurrenz treibt bisweilen seltsame Blüten. Dabei dienen solche Frontalattacken auf das Großhirn unter Umständen noch nichtmal der werbenden Organisation, denn sie wirken bei vielen Adressaten abstoßend. Was im Kino zur Zeit mit dem Wichser los ist, weiß ich jedenfalls noch immer nicht – weil ich es ablehne, mich mit dem Unsinn auseinanderzusetzen. Onanierende Kinohelden und verschluckte Krankenschwestern sind, was die Marktforschung als Eindrucksqualität bezeichnet. Ist diese kognitiv dissonant, fühlt sich also der Werbeadressat genervt, so kann dies auch zu einer negativen Werbeeffizienz führen, oder kurz gesagt, zum Boykott der beworbenen Güter oder Leistungen.

Unabhängig vom bisweilen fraglichen kommerziellen Erfolg solcher Werbekampagnen offenbaren solche Ausrutscher aber auch eine gesellschaftliche Dimension: immer mehr Werbebotschaften verursachen Kopfschütteln, Ablehnung oder Widerwillen. Entweder wird also die Werbung dümmer und Geschmackloser, oder die Werbetexter denken in immer seltsameren Bahnen, die vom einfachen Volk nicht mehr verstanden werden. Wir sind also dabei, so die Quintessenz der verschluckten Krankenschwester, eine stets zugrundeliegende kollektive Kommunikationsnorm zu verlieren. Die Gesellschaft zerfällt in viele Parallelwelten mit jeweils internen Kommunikationsmustern ("Wichser"), auf die die Werbetexter eingehen. Werbemaßnahmen werden damit teurer, schwerer auf die Zielgruppe zu richten und risikoreicher. Rücksicht auf Andersdenkende (und Anderssprechende) wird dabei kaum genommen, wie beispielsweise bei der Onanie an der Kinokasse.

Zum Glück sind nicht alle Werbeadressaten dem geistigen Erbrechen der Werbetexter und -Gestalter hilflos ausgeliefert, doch darüber kann der geneigte Leser an diesem Ort in wenigen Tagen mehr erfahren.

Links zum Thema: Neue Werbeformen: brauchen wird bald Bildschirmschoner für Fernseher? | Fernseh-Werbeblocker erlaubt: Am Beginn einer Revolution der Marktkommunikation | Medien & Marktkommunikation, Back to the Roots – oder zurück zu den Wurzeln? | Skript zu Werbung, Verkaufsförderung und PR (interne Links)

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