In meiner Übersicht zur Bilanzrechtsmodernisierung weise ich auf die Abschaffung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes hin. Hiermit begründe ich insbesondere kreative neue Möglichkeiten bei der Bewertung des Anlagevermögens. Einige Leser haben meinem Hinweis mit den Einwand widersprochen, nur die umgekehrte Maßgeblichkeit sei abgeschafft, nicht aber die Maßgeblichkeit selbst. Dieser Einwand ist unzutreffend, aber man muß das Gesetz genau lesen.
Zunächst besteht Einigkeit darüber, daß der umgekehrte Maßgeblichkeitsgrundsatz im alten §254 HGB ersatzlos gestrichen wurde. Dort befindet sich jetzt eine ganz andere Vorschrift.
Aber auch der "eigentliche" Maßgeblichkeitsgrundsatz des bisherigen §5 Abs. 1 EStG ist faktisch abgeschafft worden. Satz 2 dieser Vorschrift verlangt jetzt nämlich die laufende Führung "besonderer Verzeichnisse", wenn nicht mehr der handelsrechtlich maßgebliche Wert steuerlich ausgewiesen wird. Eine grundlegende und völlige Trennung der beiden Regelwerke ist damit aber ausdrücklich vorgesehen. Der handelsrechtliche Ausweis von Vermögensgegenständen ist explizit nur noch steuerlich maßgeblich, "es sei denn" im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts wird oder wurde ein anderer Ansatz gewählt. Die Möglichkeit, sich steuer- und handelsrechtlich völlig unterschiedlich zu verhalten, ist damit im neuen §5 Abs. 1 EStG ausdrücklich vorgesehen. Der Maßgeblichkeitsgrundsatz, wenn man überhaupt noch davon sprechen kann, ist durch die Worte "…es sei denn…" im Gesetzeswortlaut faktisch zu einem Wahlrecht degradiert worden.
Und das ist auch sinnvoll, denn der Zweck der steuerlichen Rechnungslegung unterscheidet sich erheblich vom kapitalmarktorientierten Paradigma der handelsrechtlichen Offenlegung. Beide Regelungskreise sollten daher voneinander entkoppelt dargestellt werden – wie es ja bereits im Bereich der internationalen Rechnungslegung längst der Fall ist. Die Möglichkeit, handelsrechtliche Ansätze auch steuerlich zu nutzen, ist damit nur noch eine Art Vereinfachung, aber kein leitendes Grundprinzip mehr.
Gesamtübersicht zur Bilanzrechtsmodernisierung
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