Semesterwechsel: die einen gehen, andere kommen, und was man daraus schließen kann

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Semesterwechsel: die einen gehen, andere kommen, fast wie im richtigen Leben. Und hier wie dort lassen sich aus dem Vergleich derer, die gehen, mit denen, die kommen, tiefschürfende Schlüsse ableiten: jene, die kommen, können von denen, die gehen, etwas lernen. Schauen wir mal nach, was.

So schloß ich vergangene Woche an einer wohlbekannten höheren Bildungsinstitution, deren Namen ich hier freilich geflissentlich verschweige, eine Marketing-Veranstaltung in einem höheren Semester ab. Die Diplomarbeit bereits in greifbarer Nähe ließt die Begeisterung für die Absatzwirtschaft doch bedenklich nach, ein im Prinzip bekanntes Problem. Nur etwas entnervend: so schien es plötzlich weitaus mehr Staus auf den Autobahnen zu geben, und viel mehr andere wichtige Termine. In den ersten und den letzten drei Stunden meiner sechsstündigen Lehrveranstaltung herrschte jedenfalls ein Kommen und Gehen wie in einer Straßenbahn, eigentlich eine Rücksichtslosigkeit. Kaum ein Konzentrationsbogen dauert länger als ein Werbespot. Auch die ständige akustische Unruhe ist ein Problem: traditionelle Mittel wie plötzliches Innehalten und den Unruhestifter anstarren brachten kaum Besserung. Mehr wie die Standardinhalte und extrinsische Motivation sind kaum mehr möglich. Die jeweiligen Parties der letzten Tage scheinen den Studierenden interessanter als der Marketing-Mix. Und daß der System-Admin der fraglichen Akademie das Internet so weit wie ein Scheunentor offen ließ, gab der Veranstaltung den Todesstoß, jedenfalls überall da, wo jemand ein Notebook dabei hatte. Ein Trauerspiel eigentlich, selbst die Angst vor der bevorstehenden Klausur richtet nicht mehr viel aus. Bei dieser Truppe so wenig wie bei den früheren.

Ein ganz anderes Bild freilich bot sich diese Woche bei meiner ersten Veranstaltung im neuen Semester: punkt acht war die ganze Seminargruppe vollzählig, auf der Autobahn muß es leer gewesen sein an diesem Tag. In wohlgeordneten Unterlagen erblicke ich schon vom Dozentenpult aus Formelsammlungen, Gesetzbücher und ein Werk von J.M. Keynes. Bei meiner Kollegin hat die Truppe sogar Extra-Hausaufgaben verlangt, bei mir sind sie mucksmäuschenstill. Fragen nur zum Thema, über meine kleinen Witzchen zwischendurch wird vornehm gelacht. Dann wieder Konzentration. Die Klausur ist fern, aber auch nur eine Formsache. Gemeinsam geführte Gedankengänge erlauben, Fragestellungen zu vertiefen und Zusammenhänge zu verdeutlichen, komplexe Wechselwirkungen können dargestellt werden. Drei mal neunzig Minuten Konzentration werden nur von Pausen unterbrochen, die präzise eingehalten werden. Dazwischen kein Kaffee, keine Brötchen: daß die Mensa am anderen Ende der Lehranstalt liegt, wissen die Erstsemester besser als die Absolventen. Das einzige, was etwas stört, ist die lastende Hitze in dem überfüllten Seminarraum. Trotzdem eine Sternstunde, so soll es sein.

Auch Dozenten sind nur Menschen. Sie funktionieren nicht autonom, sondern in Wechselwirkung mit den Lernenden. Deren Konzentrationsbogen aber sollte die Dauer eines Fernsehwerbespots deutlich überschreiten, denn betriebswirtschaftliche Konzepte und strategische Methoden sind komplizierter als die Geschmacklosigkeiten der Tamponwerbung zum Abendessen.

Daß es zum Erfolg keinen Lift gibt, haben wir an dieser Stelle schon oft genug beschworen. Daß der Dozent aber das Pferd nur zur Tränke führen kann, und der jeweilige Lehrgangsteilnehmer dann auch etwas zum Lernprozeß beitragen muß, scheint sich ebenfalls noch nicht überall herumgesprochen zu haben. Darüber, was hier schiefläuft, werden wir möglicherweise in der nächsten Zeit an dieser Stelle ein wenig philosophieren: Mangel an Disziplin wie Mangel an Übernahme nach der Ausbildung mögen ebenso eine Rolle spielen wie das meines Erachtens noch immer zu niedrige Niveau, das fähige Köpfe nicht genug fördert. Doch wer rastet, der rostet – auch im Studium: es ein Jahr vor dem Finale hängen zu lassen ist ein gutes Rezept für die Rote Karte am Schluß, denn der Zug, der hier abfährt, wird nur selten wieder eingeholt.

Links zum Thema: Marketing, das ungeliebte Fach. Aber warum? | Die Sendung ohne Maus, oder wie wir den Anschluß mutwillig verpassen (interne Links)

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