Im deutschen Steuer- und durch das Maßgeblichkeitprinzip auch im deutschen Handelsrecht ist ein Vermögensgegenstand eine wirtschaftliche Einheit, die einer selbständigen Nutzung fähig ist (§6 Abs. 2 Satz 1 EStG). Komponenten einer Anlage sind damit zu der Anlage hinzuzuaktivieren und können weder selbständig bewertet noch selbständig abgeschrieben werden. Grundlage für diese Einheitstheorie ist letztlich der einheitliche Begriff der Sache aus den §§90 ff BGB. Dies unterscheidet sich auf den ersten Blick von den Regelungen des IAS 16. Dennoch gibt es eine überraschende Parallele.
Zwar gehören in den IAS/IFRS, wie auch im deutschen Recht, materielle Vermögenswerte, die ein Unternehmen für Zwecke der Herstellung oder Lieferung von Gütern und Diensten, zur Vermietung an Dritte oder für Verwaltungszwecke besitzt und die erwartungsgemäß länger als ein Jahr genutzt werden zu den Sachanlagen; anders als im deutschen Recht sind diese aber im Rahmen von IAS 16 in Komponenten aufzuteilen, die im deutschen Recht Scheinbestandteile i.S.d. §§93, 95 BGB wären. Ein Flugzeug würde beispielsweise im Rahmen des deutschen Rechts stets als Einheit bilanziert werden, da es nur als Ganzes dem Zweck der Leistungserbringung der Fluglinie dient; im Rahmen von IAS 16 würden aber mindestens der Airframe (Rumpf mit Flügeln, Leitwerken und Fahrwerken), die Innenausstattung und die Triebwerke unterschiedliche Vermögensgegenstände sein, denn die Abschreibungszeit des Airframes beträgt i.d.R. so um die 20 Jahre (nach der AfA-Tabelle Position 4.3.1 nur 14 Jahre, wenn zulässiges maximales Fluggewicht unter 20 t), während Triebwerke und Innenausstattungen viel kürzere Nutzungsdauern haben. Hier manifestiert sich die Asset-Definition, denn die jeweiligen Komponenten versprechen einem separat identifizierbaren künftigen wirtschaftlichen Nutzen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom "Component Approach". Grundlage hierfür ist der Materiality-Grundsatz.
Das aber ist dem Steuerrecht eigentlich gar nicht so fremd – wovon sich überzeugen kann, wer R 4.2 EStR eingehend studiert: diese Richtlinie erlaubt nämlich eine Aufteilung von Immobilien in Sachzusammenhänge, die aber – anders als in IAS 16 – nach Funktionszusammenhang aufgeteilt werden müssen. Beispiele wären:
Steuerrechtliche Aufteilung nach R 4.2 Abs. 3 EStR nach Funktionszusammenhang, z.B.
nur bei Gebäuden möglich. |
Aufteilung nach IAS 16 i.S.d. Maßgeblichkeit nach wesentlichen Komponenten, z.B.
bei allen Sachanlagen möglich. |
Gerade das vorstehende Flugzeug-Beispiel zeigt aber, daß viele Anlagen in Wirklichkeit gar keine Einheiten sind, auch wenn sie aus Komponenten (wie dem Rumpf, den Triebwerken usw) bestehen, die nur zusammen einen Nutzen ergeben: es wäre also auch im deutschen Recht sinnvoll, zumindestens solche Anlagen komponentenweise- und nicht insgesamt zu bewerten. Das hat man nicht nur im internationalen Rechnungswesen verstanden, sondern auch im deutschen Steuerrecht – jedenfalls bei den Immobilien.
Die Sache belegt auch etwas, was immer wieder Lehrbeispielen und Prüfungsfragen z.B. im Lehrgang "Bilanzbuchhaltung International" zugrundegelegt wurde: Steuerrecht wie IAS/IFRS bewerten "realistischer". Sie zeigen ein wahreres Bild der wirtschaftlichen Gegebenheiten, als es das Handelsrecht tut. Grund genug für das Handelsrecht, weiter reformiert zu werden!
Links zum Thema: AfA-Tabelle | IAS/IFRS-Gesamtskript | Skript zum HGB-Abschluss (interne Links)