Wer mit der Maus tanzt: Häufige Fehler in Studien- und Diplomarbeiten

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Da bevölkern also wieder Projektarbeiten von IHK-Teilnehmern recht zahlreich meinen Posteingangskorb und gucken mich vorwurfsvoll an, warum sie noch nicht bearbeitet worden sind. Dabei schaffe ich nur eine pro Tag, denn solche Werke wollen sorgfältig gelesen und nach-gedacht werden, bevor die Note drunter kommt. Und dabei fallen immer wieder die gleichen Fehler auf, die doch eigentlich vermeidbar wären.

Große Klappe, nix dahinter

Da verführen zunächst die technischen Mittel, die Farblaserdrucker nun mal bereitstellen, und manche Arbeiten erinnern eher an Werbezeitschriften und sind voller Bilder und Farben. Das aber ist nicht Sinn der Sache, denn eine Projektarbeit ist keine Illustrierte. Farben und andere graphische Mittel sollten zunächst dazu dienen, das CI-Schema des betrachteten Betriebes zu kommunizieren, und da scheitern gerade die, die die buntesten Arbeiten produzieren, denn dazu muß man mit Schriftarten, dem Logo des Unternehmens und anderen Elementen umgehen.

Geistiges Erbrechen

Manche Arbeiten sind gewissermaßen "gekotzt" – was nicht an sich ein Qualitätsurteil darstellt sondern nur bedeutet, daß jemand alles geschrieben hat, was ihm zu einem bestimmten Thema eingefallen ist. Dieser Fehler verrät sich an Versatzstücken, die meist etwas zusammenhanglos aneinandergereiht werden und oft noch Elemente enthalten, die gar nicht zum Thema gehören. Auf diese Art den Umfang auf die erwünschte Seitenzahl zu bringen, ist wenig sinnvoll, denn es wird genau auf eine logische Argumentation mit durchgängigem Sachbezug und ohne überflüssiges Beiwerk geachtet.

Vom Umgang mit Quellen

In Projekt- und mehr noch in Diplomarbeiten soll wissenschaftliches Arbeiten geübt werden. Eine Arbeit vollkommen ohne Fußnoten und ohne jegliche Quellenangabe ist daher wenig erfolgversprechend. Gleiches gilt für ein Literaturverzeichnis, das nur drei Zeilen umfaßt. Viel besser wäre es, mehrere, möglichst gegensätzliche Meinungen zu einem Thema aus der Literatur zu zitieren, und dann aus der Sache heraus zu einem eigenen Urteil über den betrachteten Gegenstand zu kommen. Anscheinend aber fällt das besonders schwer – denn es erfordert, nicht nur irgend etwas wiederzugeben, sondern sich eine eigene Meinung zu bilden, und diese auch zu begründen. Das aber wird anscheinend viel zu wenig geübt. Erstaunlich selten sind dagegen Plagiate: Anscheinend ahnen die Prüfungsteilnehmer, daß auch Prüfer mit Google umgehen können. Immerhin…

Umsetzen theoretischer Konzepte

Ein Erfolgsfaktor aller Studien- und Diplomarbeiten ist, ein theoretisches Konzept in die Wirklichkeit zu tragen, also etwas, was bisher nur in Übungsaufgaben und anderen Zumutungen vorgekommen ist, im Betrieb nutzbar zu machen. Raum dazu ist im Überfluß vorhanden, denn welcher Betrieb hat schon eine Lageroptimierung nach Groff oder wenigstens ein ordentliches Kostenrechnungssystem? Dazu müssen aber nicht nur die zugrundeliegenden Formeln und Verfahren angewandt werden, sondern oft auch Excel®- oder besser noch Access®-Datenbanken programmiert werden, denn der einzige Ort, an dem heute etwas ohne Computer flüssig erledigt wird, ist bekanntlich die Toilette. Es ist aber erstaunlich, wie selten selbst einer Diplomarbeit eine CD beiliegt – und wie wenig Wert die betreuenden Institutionen wie IHKen, Berufsakademien, Fachhochschulen oder Universitäten auf die Digitalkompetenz ihrer Schützlinge legen: mir wurde mal allen Ernstes von einem Fachbereichsleiter die positive Anmerkung einer vorhandenen Excel®-Datei aus dem Gutachten gerügt: darauf komme es doch nicht an, das stehe auch nicht in der Prüfungsordnung.

Vom Umgang mit der Software

Überhaupt, die Probleme mit dem Handwerkszeug: Schon vor Jahren erschien an dieser Stelle ein Artikel über Probleme im Umgang mit Microsoft® Word. Leider lädt Word noch immer zu den gleichen Fehlern ein, und mit der 2007er-Version könnte das noch weitaus schlimmer werden, denn diese neue Auflage des Klassikers soll, glaubt man den Gerüchten, den Nutzer noch viel mehr bevormunden als es bisher schon der Fall ist. Es ist aber Aufgabe eines Autors solcher Arbeiten, die offensichtlichen Fehler gerade zu unterlassen. Selbst wenn keine ordentliche Satzsoftware wie Adobe® PageMaker® oder QuarkXPress® zur Verfügung steht, sollten bestimmte technische Standards eingehalten werden.

Kein Selbstzweck

Das Verfassen solcher Werke ist kein Selbstzweck, sondern eine sinnvolle Übung: einerseits soll der Kandidat nämlich ein bestimmtes Thema so bearbeiten, daß sein Betrieb einen meßbaren Nutzen davon hat, aber andererseits soll er sich auch selbst an seinem Thema in visueller und verbaler Präsentation üben. Und das ist notwendig, denn schriftliche Kommunikation ist ein betrieblicher Erfolgsfaktor insbesondere im mittleren Management, wo heute längst keiner mehr einen Assistenten hat, der die technische und/oder graphische Umsetzung besorgt. Man muß es sich also selbst besorgen, und das heißt, daß der Umgang mit Farben, Schriften, Software und Gedanken von Anfang an trainiert werden sollte. Daran aber scheint es zu mangeln. Warum, das wäre freilich ein neuer Artikel.

Links zum Thema

Erfolgstips für Studien- und Diplomarbeiten | Studien- und Diplomarbeiten: Schummeltips für Prüfer und Kandidaten | Gravierende Schwächen in Studien- und Diplomarbeiten: wie man es nicht machen sollte | Schlappe Leistung: Wie Microsoft® Project® Projektpläne verhackstückt | Hinweise zur Verteidigung von Studien- und Diplomarbeiten (interne Links)

Literatur

Zingel, Harry: "Lehrbuch für Prüfungsteilnehmer. Schriftliche und mündliche Prüfungen erfolgreich überstehen", 14,8 x 20,9 cm, 136 S., 14,80 EUR, ISBN: 3-937473-06-8, Amazon.de | BOL | Buch.de. Dieses Buch befindet sich auch als PDF auf der BWL CD.

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