Schon zu vor einem Jahr berichteten wir über die Europäische Genossenschaft, die nach der unmittelbar geltenden Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 seit einiger Zeit möglich ist. Heute hat Deutschland diese Verordnung in nationales Recht umgesetzt. Neben den Neuregelungen zur SCE enthält das "Gesetz zur Einführung der Europäischen Genossenschaft und zur Änderung des Genossenschaftsrechts", so der umständliche Name, auch Änderungen des deutschen Genossenschaftsrechts.
Die SCE ist die übernationale Version der eingetragenen Genossenschaft (Rechtsform) und soll, wie die Societas Europaea (SE), zur Entwicklung des Binnenmarktes und zur Globalisierung beitragen.
Die SCE besitzt wie die eG eine eigene Rechtspersönlichkeit des privaten Rechts. Das Grundkapital besteht aus den auf die Landeswährung lautenden Geschäftsanteilen der Mitglieder. Hauptzweck der SCE ist es, den Bedarf der Mitglieder zu decken und/oder deren wirtschaftliche, kulturelle und/oder soziale Tätigkeiten zu fördern. Wie im neuen nationalen Genossenschaftsrecht kann auch eine SCE schon durch drei (nicht mehr wie früher sieben) Mitglieder gegründet werden. Eine Sachgründung ist zulässig. Die SCE wird wie die eG in das Genossenschaftsregister der jeweiligen Mitgliedsstaaten eingetragen.
Eine SCE kann auf drei verschiedene Arten gegründet werden:
- durch Neugründung,
- durch Verschmelzung (Fusion) von zwei oder mehr Genossenschaften aus mindestens zwei verschiedenen Mitgliedstaaten,
- durch Umwandlung einer bestehenden Genossenschaft, die seit mindestens zwei Jahren eine Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat hat, in eine SCE.
Bei Gründung durch Verschmelzung haben die Mitglieder der übertragenden ein sogenanntes Ausschlagungsrecht, das sie durch Widerspruch gegen den Verschmelzungsbeschluß geltend machen. Die Genossenschaft muß die Anteile solcher Mitglieder auszahlen. Dies kann im Effekt die Verschmelzung verhindern, wenn genügend Mitglieder Widerspruch anmelden.
Wie auch bei der eG hat die SCE kein gesetzlich festgelegtes Mindestkapital; eine Mindestkapitalvorschrift kann aber in die Satzung aufgenommen werden. Aus Bonitätsgründen kann das sinnvoll sein. Sitz und Hauptverwaltung müssen sich im gleichen Mitgliedsstaat der Europäischen Union befinden. Die eu-weit freie Wahl des Sitzes ermöglicht aber, von nationalen Regelungen zu profitieren, da die EU-Verordnung subsidiär ist, also nur regelt, was die jeweiligen nationalen Gesetze nicht reglementieren.
Mitglieder können juristische oder natürliche Personen sein, die durch Teilnahme an der Gründung oder Eintritt mittels schriftlicher Beitrittserklärung und Zustimmung des Leitungs- oder Verwaltungsorgans in die SCE eintreten. Die Mitglieder verfügen über das Recht zur satzungsgemäßen Benutzung der Einrichtungen der Genossenschaft, ferner i.d.R. über ein Stimmrecht, Informationsrechte und bei großen Genossenschaften ggfs. über das aktive und passive Wahlrecht zur Vertreterversammlung. Zudem besteht ein Recht auf eine Dividende. Hauptpflicht ist die Einzahlung des Geschäftsanteiles und ggfs. eine Nachschußpflicht. Die Satzung kann weitere Pflichten vorsehen.
Neben den Mitgliedern mit Recht auf Nutzung der Genossenschaftseinrichtungen kann die Satzung auch Mitglieder vorsehen, die dieses Recht nicht haben. Diese heißen investierende Mitglieder. Die SCE rückt damit in die Nähe der Aktiengesellschaft, deren Anteilsscheine ja auch oft "nur" aus Investitions- und Spekulationsgründen gehalten werden. Investierende Mitglieder können aber auch Fördermitglieder etwa nach dem Vorbild vieler Vereine sein, die einen "guten Zweck" durch finanzielle Zuwendungen unterstützen.
Die Gründung der SCE unterliegt, wie auch der Jahresabschluß, der Abschlußprüfung. Die SCE muß ihren Jahresabschluß wie eine Kapitalgesellschaft publizieren, unterliegt also den für Kapitalgesellschaften üblichen Vorschriften zur Offenlegung. In dieser Hinsicht ist ein einheitliches Europäisches Recht ja noch weit entfernt – wie auch beim Steuerrecht: Die SCE ist wie eine Kapitalgesellschaft steuerpflichtig, zahlt also Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer. Steuerfreiheit kann durch Gemeinnützigkeit eintreten, was insbesondere bei sozialen und kulturellen Zwecken denkbar ist. Umsatzsteuerlich unterliegt sie nationalen Vorschriften.
Wie die SE kann auch die SCE
- nach dem dualistischen System strukturiert sein, also etwa nach deutschem Vorbild einen Vorstand und einen Aufsichtsrat als Leitungsorgane haben oder
- nach dem monistischen System aufgebaut sein, also nur einen Verwaltungsrat als einiges Leitungsorgan besitzen.
Wird das dualistische System gewählt, muß der Aufsichtsrat aus mindestens drei Personen und das Leitungsorgan aus mindestens zwei Personen bestehen. Wird das monistische System gewählt, so leitet der Verwaltungsrat die Gesellschaft alleine, ohne durch einen Aufsichtsrat überwacht zu werden. Der Verwaltungsrat muß aus mindestens fünf Mitgliedern bestehen bzw. wenn die Genossenschaft nicht mehr als 20 Mitglieder hat nur aus mindestens drei Personen. Der Verwaltungsrat bestellt als Geschäftsführer einen oder mehrere Direktoren, die die Gesellschaft nach außen hin wie ein Vorstand vertreten. Die Wahl ist im Registergericht anzumelden.
Investierende Mitglieder der SCE haben zwar ein Stimmrecht, dürfen aber die anderen Mitglieder in keinem Fall überstimmen und haben keine Leitungsbefugnis.
Die Mitgliedschaft in der Genossenschaft endet, wie im nationalen Recht vorgeschrieben (Austritt, Ausschluß, Übertragung auf ein anderes Mitglied, Auflösung bei Mitgliedern, die juristische Personen sind). Die Anteile sind vererblich. Bei Insolvenz wird die Genossenschaft aufgelöst. Die Vorschriften hierzu richten sich nach nationalem Recht (z.B. Insolvenzverfahren) und sind nicht in der EU-Verordnung geregelt.
Links zum Thema: SCE: Societas Cooperativa Europaea, oder das neue Genossenschaftsrecht | Regelungen zur Societas Europaea (SE) erschienen (interne Links)