Der konspirative Dozent: Wie die BfA Existenzen vernichtet

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Alle Welt spricht von Selbständigkeit und Schaffung von Arbeitsplätzen, aber die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vernichtet Existenzen: selbst wer alle Steuern ordnungsgemäß zahlt muß ständig damit rechnen, von der Rentenversicherung abgeschossen zu werden. Ein kaiserliches Gesetz, das einst dazu bestimmt war, den sozialen Abstieg bestimmter Berufsgruppen zu verhindern, wird nun als Hebel benutzt, genau dies zu erreichen. So ungerecht ist die Zwangssozialversicherung:

Unbekannte Zwänge

Freiberufliche Lehrer, bestimmte selbständig ausgeübte Sozialberufe, Künstler, Hausgewerbetreibende und eine Reihe andere Selbständige sind gemäß §2 SGB VI in der gesetzlichen Zwangsrentenversicherung versicherungspflichtig – und viele wissen es nicht einmal. Erst 1992 wanderte diese Uraltregelung in das Sozialgesetzbuch ein, und wurde seither weitgehend ignoriert. Erst im Zusammenhang mit der damaligen Diskussion um die sogenannte Scheinselbständigkeit begannen die Zwangsrentenversicherungen intensiver zu prüfen, und das war der Beginn der Hexenjagd.

Die Hexenjagd

So kriegen manche Dozenten nette Brieflein von der BfA, in denen sie aufgefordert werden, sich zur Rentenversicherung anzumelden – und für vergangene Jahre nachzuzahlen, und zwar Arbeitnehmer- wie Arbeitgeberbeitrag. Dabei beträgt die Verjährung im Sozialrecht vier Jahre: werden beispielsweise 400 € pro Monat verlangt, summiert sich das auf satte 19.200 €, bei den derzeit bekanntlich fallenden Honoraren und seltener werdenden Aufträgen in der Regel eine schlagartige Vernichtung des Sparbuches oder der Existenz. Kein Wunder, daß manche Kollegen knallhart aus den Wolken fallen: von Sozialhilfe bis zu einem Selbstmord ist alles zu finden, wenn man nur ein wenig googelt.

Es gibt Auswege, aber nicht sehr viele

Erwin Denzler beschreibt auf seiner ganz ausgezeichneten Webseite die rechtlichen Details und die möglichen Auswege: so könnte ein Dozent einen Arbeitnehmer anstellen, der mehr als einen sogenannten Minijob haben muß – das führt zur Freiheit vom Versicherungszwang, aber möglicherweise nicht zur Freiheit von den Nachzahlungen. Der Lehrer könnte auch selbst nach Abzug aller Betriebsausgaben im steuerrechtlichen Sinne nur einen geringfügigen Lehrjob haben – und wäre dann auch versicherungsfrei. Hat er aber gut verdient, und/oder zu wenige Betriebsausgaben, dann erwischt es ihn ganz hart: bei einem angenommenen monatlichen Verdienst von 4.000 € beträgt die monatliche Zwangsabgabe schon 760 € und die Nachzahlung über vier Jahre 36.480 € – eine private Katastrophe, oder ein Insolvenzverfahren.

Alle Rechtsmittel ausgeschöpft

So wird der Begriff "Lehrer" aus dem SGB weit ausgelegt: alle erzieherischen oder unterrichtenden Tätigkeiten werden erfaßt, auch ohne pädagogische Qualifikation. Und der Klageweg wurde schon beschritten, bis zum Bundessozialgericht: Schon die Vorinstanzen hatten festgestellt, daß es nicht zur Sache tut, wenn jemand sich schon eine solide private Vorsorge aufgebaut het: Die Zwangsversicherung greift auf jeden Fall. Ein Betriebswirtschaftsdozent, denn das BfA-Fallbeil erwischt hat, hatte dann vor dem BSG mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG argumentiert und selbst mit dem Verweis auf das europäische Wettbewerbsrecht keinen Erfolg gehabt (Details finden sich auf Plagemann-rae.de). Dagegen, daß der Staat einzelne Dozenten wirtschaftlich vernichtet (und andere ungeschoren läßt), ist also nichts einzuwenden. Das Ganze erinnert stark an das Ökosteuer-Skandalurteil des Bundesverfassungsgerichtes, in dem es die Richter nicht gestört hat, daß einige Unternehmen den Fünffachen (!) Ökosteuersatz anderer Steuerpflichtiger zahlen und daran wirtschaftlich zugrundegehen.

Die Erfolgreichen werden bestraft

Besonders ungerecht ist nicht nur, daß das Sozialfallbeil vornehmlich die Erfolgreichen köpft, also die, die sich im Laufe der Zeit eine solide Existenz im Bildungsgewerbe aufgebaut haben, die sie dann durch einen einzigen Bescheid verlieren. Die Politik weiß das auch, und handelt nicht – mehr. So gab es nämlich schon in 2001 eine Möglichkeit, sich freiwillig zu melden und dadurch keine Nachzahlungen für die Vergangenheit leisten zu müssen – eine Sozialamnestie, sozusagen. Dies wurde damals ausdrücklich mit der sozialen Härte einer existenzvernichtenden Nachforderung begründet. Der Gesetzgeber weiß es also ganz genau, aber tut nichts mehr. So ungerecht kann die Sozial"versicherung" sein!

Der konspirative Dozent

Bleibt also nur sicherzustellen, daß die Lehrtätigkeit ein Nebengeschäft ist, so daß man sich immer auf Geringfügigkeit berufen kann, denn wer den Erfolg wagt, kommt darin um. Es ist also schon so weit, daß man selbst bei ordnungsgemäßer Erklärung und Abführung aller Steuern immer noch konspirativ arbeiten muß – oder gleich Sozialhilfe beantragen kann: Vom Millionär zum Tellerwäsche ist offenbar immer noch der Deutsche Traum, durchgesetzt mit tatkräftiger Unterstützung des Sozialsystems. In keiner Krankenversicherung zu sein, hilft übrigens, denn Krankenversicherungen, ganz gleich ob private oder gesetzliche, stehen im Verdacht, Kontrollmeldungen zu schreiben wenn sie erfahren, daß jemand unter §2 SGB VI fallen könnte. Was also einst gedacht war, Lehrer, Hebammen und eine Zahl anderer Berufe im Alter vor Armut zu schützen, bewirkt heute genau das Gegenteil. Das also ist der Wahnsinn des Zwangsversicherungssystems, den wir täglich ertragen müssen!

Links zum Thema

Ökosteuer-Urteil: Schlappe für die Marktwirtschaft | Die Rentenversicherung ein Kettenbrief? | Bürgerversicherung: Die Leitbilder der Zwangsmentalität (interne LinksHervorragende Webseite von Erwin Denzler zum Thema | Zwangsversicherungspflicht selbständiger Lehrer (externer Link)

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