Insgesamt 16 Seiten liegen vor mir, virtuell als PDF, aber Millionen Antragsteller werden das in den nächsten Tagen auf Papier genießen: das große Sozialquiz, der Antrag auf Arbeitslosengeld II. Der BWL-Bote hat sich das offizielle Formular angeschaut – und sich seine wie immer unzeitgemäßen Gedanken gemacht.
Für jemanden, der nicht oft mit Behörden zu tun hat, muß es ein Schock sein, was alles an Fragen gestellt und an Unterlagen verlangt wird. Schon die Begrifflichkeiten sind abschreckend – oder wissen Sie aus dem Stand, was eine „Bedarfsgemeinschaft“ ist? Noch massiver sind die Dokumente, die man vorlegen muß: Wehe dem, der seine Unterlage schlecht sortiert oder gar verlegt hat, denn alle Versicherungen, Verträge und Bescheinigungen müssen vorgelegt werden, und Rückkaufwerte, Beleihungs- und Guthabenzinsen, Kosten vorzeitiger Auflösung und der Wert des Autos müssen angegeben werden. Wer kann solche Zahlen aus dem Ärmel schütteln?
Die Offenlegung des Vermögens und der Einkommensverhältnisse geht deutlich über eine Steuerprüfung hinaus: Sogar wertvolle Gemälde im Besitz des Antragstellers müssen angegeben werden. Natürlich, wer Arbeitslosengeld II beantragt hat zu Hause ein kleines Museum. Natürlich steht auch alles unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, was für die Antragsteller die Demütigung bedeuten kann, daß Behördenvertreter den persönlichen Schmuck auf seinen Wert überprüfen.
Die Verfasser des Antrages haben an fast alles gedacht, so auch an die, die kein Konto mehr bekommen. Das allerdings muß durch eine Bescheinigung der Bank, kein Konto eröffnen zu wollen, nachgewiesen werden. Auch daß jemand vor Stellung dieses Antrages in keiner Krankenkasse mehr ist, ist im Formular abgebildet.
Die Datenschützer haben übrigens ganz offensichtlich nicht beim Erstellen des Formulars mitgewirkt, denn gegen eine so weitgehende Offenlegung fast schon intimer Verhältnisse – u.a. auch konkrete Krankheiten werden gefragt und müssen ärztlich attestiert werden – wäre ansonsten datenschutzrechtlich bedenklich. Besonders in der Kritik steht die angeforderte Verdienstbescheinigung des Arbeitgebers, der dadurch nämlich vom Antrag erfährt. Immerhin verwunderlich in einem Land, in dem ein Arbeitgeber eine Arbeitnehmerin nicht fragen darf, ob sie schwanger ist, und fast zehn Jahre darum prozessiert wurde, von einer Telefonnummer den Namen des Anschlußinhabers erfahren zu dürfen. Wird der Datenschutz wieder mal gegen den Betroffenen ausgelegt?
Wer Lust hat drauf, oder Angst davor, kann Muster der Formulare nachfolgend einsehen.
Links zum Thema: Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) (das eigentliche Hauptformular) | Zusatzblatt 1 zur Feststellung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Verpflegung | Zusatzblatt 2 Einkommenserklärung/Verdienstbescheinigung | Zusatzblatt 3 zur Feststellung des zu berücksichtigenden Vermögens | Zusatzblatt 4 zur Eintragung weiterer Angehöriger (interne Links)