Bildung in Deutschland: weniger, kürzer, knapper

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Seit Ausbruch der Hartz-Reformen schwadroniert die Bundesregierung von Bildung und vom Wissenschaftsstandort Deutschland, von Elitebildung und noch viel mehr. Aber offenbar hat selbst der Pisa-Schock nicht geholfen, nennenswerte Verbesserungen herbeizuführen: im Gegenteil, während ständig von Qualität geredet wird, macht die Regierung die Bildung systematisch kaputt. Hat das einen nichtkommunizierten Zweck?

Die Streichkonzerte der Bundesagentur

Unter Kohl war es wenigstens vorhersagbar, da wurde nur im Jahr vor der Wahl ein Streichkonzert gespielt, so daß man kurz vor der Wahl durch Ausweitung der öffentlichen Ausgaben ein paar Geschenke verteilen konnte. So war es 1993, so war es 1997, zwei Pleitejahre, die diejenigen Dozenten, die schon länger im Geschäft sind, noch in übler Erinnerung haben. Das war vorhersagbar, man konnte vorbauen. Unter Schröder wurde alles anders.

Dauerhafte Kürzungsorgien

Jetzt wird ständig von Bildung geredet, während gerade die Bildung auch ständig gestrichen wird, und zwar wirklich dauernd. Was einst ein vorhersagbar vorübergehender Effekt war, ist jetzt zu einem Dauerzustand geworden: Bildungsmaßnahmen werden gekürzt, zusammengestrichen, angesagt. Die öffentlich geförderte Bildung liegt darnieder.

Pleiten bei den Bildungsfirmen

Bildungsmaßnahmen sind klassische Probleme der Break Even Rechnung, d.h., man muß eine bestimmte Zahl von Teilnehmern gewinnen, um mit einer Maßnahme gewinnbringend anfangen zu können. Das ist immer seltener möglich, was bedeutet, daß immer mehr Bildungsfirmen in die Verlustzone rutschen. Elementarer ökonomischer Verstand lehrt, daß dies nicht auf Dauer gutgeht. Kein Wunder also, daß Institute in Insolvenz gehen oder Honorare streichen, was zur Abwanderung der besten Dozenten in die Industrie oder in den Westen führt, oder gleich ins Ausland. So verschwinden die besten Kräfte, die anderswo leicht Aufträge finden, und zurück bleiben schlechtbezahlte und zumeist unmotivierte Mitarbeiter – kein der so oft geforderten Qualität förderlicher Zustand.

Didaktische Probleme

Läßt man die wirtschaftliche Betrachtung außer Acht, so ergeben sich auch neue didaktische Probleme, die den Dozenten vor kaum lösbare Herausforderungen stellen. Konnten einst mehrere Klassen gebildet werden, in denen dann vergleichsweise homogene Teilnehmer saßen, so hat man es heute insgesamt nur mit 8 oder 10 Leuten zu tun, darunter möglicherweise Studienabgänger, Langzeitarbeitslose, Rentenanwärter, die die Zeit bis zum Rentenbeginn überbrücken wollen, und Hochqualifizierte, die durch irgendeinen dummen Zufall ihren Job verloren haben. In einer so heterogenen Gruppe jedem das Richtige zu bieten, ist kaum möglich. Selbst wenn es dem Dozenten gelingt, ein angemessenes Mittelmaß zu finden, werden immer mehrere Teilnehmer unter- oder überfordert sein. Frustration auf beiden Seiten ist die unausweichliche Folge.

Absturz Ost

Das Problem ist besonders in Neufünfland gravierend, weil hier immer mehr Teilnehmer nach einer solchen Veranstaltung keinen Job finden, also schon vorher wissen, daß es hernach nix wird. Auch dies ist ein Zustand, der weder der Motivation der Teilnehmer noch dem Leistungswillen oft ohnehin schon unterbezahlter Dozenten dient. Mehr oder weniger unmoralische Auswüchse sind die Folge…

Fehlentwicklungen werden gefördert

Latente oder offene Gewalt, Sabotage und offene Verweigerung sind Mißstände, über die wir schon berichtet haben. Hinzu kommen neuerdings Korruption und der Mißbrauch der Teilnehmer als Absatzmarkt. Beides habe ich selbst erlebt, über beides werde ich aber nur abstrakt berichten und niemanden an dieser Stelle oder anderswo bloßstellen.

Korruption

Daß Dozenten für die Erteilung eines Lehrauftrages Geld zahlen müssen, ist eine neue Erscheinungsform der Korruption im Bildungsgewerbe, über die mir inzwischen glaubwürdige Berichte zu Ohren gekommen sind. Um sich hier im Geschäft zu halten, wird so das Honorar indirekt gedrückt. Kein Wunder also, daß immer mehr Lehrkräfte zu mehr oder weniger unseriösen Mitteln greifen, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren…

Lehrgangsteilnehmer als Absatzmarkt

So kenne ich selbst eine Dozentin, die Musikinstrumente in einer berufspädagogischen Teilnehmergruppe verkaufen wollte, um ihre offensichtlich klamme Kasse aufzubessern. Andere verwandeln ihre Lehrveranstaltungen in MLM-Shows, was schon wegen des sektenhaften Charakters dieser unseriösen Vertriebsform besonders verwerflich ist. Solche unzulässigen Vermischungen sind natürlich verboten, und meine Teilnehmer erhalten die bekannte BWL CD kostenlos; ich weiß von Dozenten, die wegen Verkäufen an die Teilnehmer achtkantig gefeuert wurden, aber auch von vielen Fällen, wo so was niemals aufflog.

Ein gewollter Niedergang?

Es drängt sich der böse Verdacht auf, daß dies alles mit Wissen und mit Vorsatz der Regierung geschieht, denn so blind können die Verantwortlichen nicht sein, solche Zustände einfach zu übersehen. Es steht mindestens die Vermutung im Raum, daß man wieder mal den schönen Schein durch neue Formen wie den so liberal anmutenden Bildungsgutschein (statt der früheren administrativen Zuteilung) oder die Mutation der Bundesanstalt zur Bundesagentur aufpolieren will, aber den Verfall des wahren Seins billigend in Kauf nimmt. Ein schlecht gebildetes Volk ist schließlich leichter regierbar, widerspricht weniger den konfiskatorischen Zugriffen eines parasitären Staates und nimmt die Regierungskriminalität und -Korruption weniger zur Kenntnis. Kurz, je dümmer desto besser.

Links zum Thema

Handys, Quake und BMW: Erfahrungsbericht eines Dozenten | Grundbegriffe des Multi Level Marketings | Amway und die Bergpredigt: über die religiösen Wurzeln einer Marketing-Sekte | Bildung als Ware: Über Reformen und Reförmchen im deutschen Bildungssystem | Endzeitstimmung bei den Bildungsfirmen | Die reale Zahl: 7,2 Millionen Arbeitslose? (interne Links)

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