Mündliche Prüfungen bei der Berufsakademie Eisenach

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An dieser ja immer noch recht neuen Institution finden derzeit die zweiten mündlichen Prüfungen statt, und ich habe vier Diplomkandidaten betreut, drei aus dem Bereich "Industrie" und einen aus dem Bereich "Handel". Dieser kleine Bericht enthält Details, die für alle, die es noch vor sich haben, interessant sein könnten. Selbstverständlich werden keine persönlichen Einzelheiten verraten (und auch auf Anfrage nicht bekanntgegeben). Der Datenschutz (und die mit der Prüfungstätigkeit verbundene Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit) bleiben gewahrt.

Stattfinden, Ort und Zeit

Die Prüfungen finden verteilt auf mehrere Tage statt, jeder Kandidat bekommt eine individuelle Zeit. Das Bestreben des Prüfungsausschusses, diese Zeiten einzuhalten und Verspätungen zu vermeiden, war unverkennbar; die Zustände auf der Autobahn lassen aber rechtzeitiges Auflaufen für alle Teilnehmer geboten erscheinen.

Der Prüfungsausschuß

…besteht aus vier Teilnehmern, darunter zwei betrieblichen Betreuern, dem Betreuer von der BA und einem Mitarbeiter der BA (in meinem Fall Dr. Herrmann). Da Sie nur zwei Betreuer haben, also einen aus Ihrem Betrieb und einen von der BA, ist auch eine unbekannte Person dabei: lassen Sie sich davon nicht aus dem Konzept bringen!

Ablauf der Prüfung

Zunächst präsentiert der Kandidat seine Diplomarbeit. Hierfür stehen neben einer Tafel und einem Flipchart auch ein Overhead-Projektor zur Verfügung; der Einsatz weiterer Technik kann mit der Berufsakademie abgestimmt werden. Ich würde Ihnen den Einsatz weiterer Präsentationsmittel empfehlen, schon alleine weil dies sicher zeitgemäß ist. Wenn Sie den Overhead-Projektor verwenden, sollten Sie entsprechende Folien vorbereiten. Anschließend fragen die Teilnehmer des Prüfungsausschusses in verschiedene Richtungen, und zwar die betrieblichen Betreuer aus naheliegenden Gründen eher in Richtung des Themas der Diplomarbeit, die Ausschußmitglieder der BA eher in andere Richtungen. Sie sollten also nicht nur Ihr Thema beherrschen; auch darüber hinaus sollten Sie die Inhalte des Studiums parat haben. Daß Dr. Herrmann gerne Marketing-Fragen stellt, ist bekannt, ebenso wie daß ich eher ein Kostenrechner und Controller bin, manchmal auch als Korinthen… ääh, Erbsenzähler bekannt. Auf beides können Sie sich freilich nicht verlassen.

Bewertung und Bekanntgabe des Ergebnisses

Nach Abschluß der eigentlichen Prüfung findet eine kurze Beratung des Prüfungsausschusses statt, bei der Einigkeit über die Benotung erzielt wird. Die Ergebnisse werden gleich danach bekanntgegeben. In manchen Fällen mußten wir hernach größere Felsbrocken aus dem Raum schleppen: die, die den Kandidaten von der Seele gepoltert waren.

Allgemeine strategische Ratschläge

Schon andernorts hatte ich betont, daß übermäßiges Spezialistentum eher für die Verteidigung der Doktorarbeit, nicht aber für eine Diplomprüfung die angemessene Verhaltensweise ist. Versuchen Sie also, die grundlegenden Inhalte parat zu haben: die Fragen gehen eher in die Breite denn in die Tiefe. Wenn Sie alle Details Ihres Fachgebietes kennen, bleiben Sie damit vermutlich alleine. Ein guter Prüfer fragt Sie nicht nach der letzten Formel, sondern eher nach Grundsätzlichkeiten. Er versucht, Ihre grundsätzliche Orientierung im Thema zu erforschen und weniger, Ihre Spezialkenntnisse aufzufinden. Antworten wie "da haben wir eine Software, die das berechnet" oder, daß Sie "keinen Bezug" zu einem Thema hätten (beides schon gehört, nicht unbedingt aber an der BA) sind gewiß die falschen Antworten! Weitere Hinweise finden Sie in meinem Beitrag "Überlebensstrategien für die mündliche Prüfung"

Zusammenarbeit mit dem Gutachter

Sowohl an der Berufsakademie (wo es jetzt zum zweiten Mal gelaufen ist) als auch an der IHK stelle ich immer wieder fest, daß einige Kandidaten intensiv mit dem Betreuer zusammenarbeiten, andere dagegen kaum. Bedenken Sie aber, daß Ihr Betreuer später Ihr Prüfer ist – Sie ihn also schon vorher aushorchen sollten. Wenngleich vorher auch keine Themen oder konkreten Fragen verraten werden so ist es doch sinnig, Ihr Werk schon im Vorfeld mal begutachten zu lassen, denn eine solche Abstimmung räumt (dem Prüfer, nicht unbedingt aber auch Ihnen) offensichtliche Fehler und Probleme aus, bevor sie notenwirksam werden.

Folien und Präsentationen

In der einleitenden Präsentation haben Sie ein Heimspiel, d.h., Sie präsentieren ein Thema, das Sie gut kennen. Nutzen Sie diesen Vorteil durch intensive Vorbereitung. Die Berufsakademie beschränkt die Zahl der Folien, die Sie verwenden dürfen, und eine Überschreitung dieser Anzahl kann zu einem Punkteabzug führen. Sinn dieser Regelung ist, daß Sie das Wichtigste, also die Kernaussagen in wenigen Sätzen und Darstellungen kondensieren sollen – besonders dem vierten Mitglied des Prüfungsausschusses, das Ihre Arbeit nicht kennt, müssen Sie die Inhalte in überzeugender Form in kurzer Zeit "rüberbringen". Das ist übrigens auch der Zweck des Thesenpapiers und des Autorenreferates.

Die Digitalresistenz der Berufsakademie

Immer wieder auffällig ist das meiner Meinung nach schwache Niveau hinsichtlich elektronischer Lösungsstrategien: selbst Kandidaten mit ausgesprochen datenbanknahen Themen bieten nur eine unter Umständen auch physikalisch schwere gebundene Diplomarbeit mit goldenen Lettern drauf, aber weder eine Datenbank noch sonst etwas Zeitgemäßes. Und die EDV-Fähigkeiten der Studenten, die ich immer wieder beobachte, lassen auf große Lücken in der Ausbildung schließen (vgl. unter anderem hier). Diesbezügliche Hinweise Ihres Betreuers, mit denen Sie bei mir mit Sicherheit rechnen können, sind nicht böse gemeint, sondern sollen Sie in eine Richtung drängen, in die die Reise geht, ob es Ihnen gefällt oder nicht: wenn Sie das Studium erfolgreich abschließen, sind Sie nämliche zunächst eher ein Stabsmitarbeiter, und dann müssen Sie mit VBA, SQL, C++ oder einfach Excel, Word und Access souverän umgehen können, um Nutzen für den Betrieb zu stiften. Und selbst wenn Sie zehn Jahre später Ihre Linieninstanz ablösen, wird es vermutlich auch keine Sekretärin mehr – zumal Sie mit dem Navision- oder SAP-Programmierer in Ihrem Haus reden können müssen, also wissen sollten, was der den ganzen Tag so treibt.

Und eine Ehrenrettung

Das vorstehend über die Berufsakademie Angemerkte gilt leider auch für viele Betriebe, die noch immer nicht im Informationszeitalter angekommen sind. Das verwundert mehr, denn die BA unterliegt staatlichen Budgets, und das heißt, staatlichen Zwängen in einem viel größeren Maß als mancher Betrieb. Doch ist das kein Grund, sich auszuruhen: die Entwicklung schreitet nämlich fort, und zwar mit Ihnen oder ohne Sie.

Die BWL CD

Entgegen eines Gerüchtes, das hier und da zu kursieren scheint, werde ich Ihnen meine CD auch in Zukunft kostenlos als elektronische Ressource zur Verfügung stellen – lediglich 50 Cent für den Rohling werden verlangt. Der Inhalt kostet nach wie vor nichts.

Weitere Hinweise zur Vorbereitung

Die Berufsakademie bietet eine extrem wirtschafts- und das heißt, praxisnahe Vorbereitung. Die muß man aber auch nutzen. Vorlesungsveranstaltungen "alten Stils", in denen einer spricht und der Rest zuhört (oder auch nicht) sind meiner Erfahrung nach wenig dazu angetan – viel eher sollten Sie Ihre Dozenten intensiv mit Fragen belästigen, denn die wissen immer mehr, als sie in der kurzen Zeit einer Vorlesung vermitteln können. Kurz gesagt sollte die Vorlesung eher eine Fragestunde denn ein Vortrag sein: Kommt es zu einem echten Dialog, ist der größte Erfolg einer Lehrveranstaltung meist am Größten. Treten Sie also aus sich heraus, nehmen Sie keine Rücksicht auf Gruppenkonformität und Angst vor Strebertum, und formen Sie den Unterricht mit – oder sagen Sie mir mit meinem Lehrgangsbewertungsformular, anonym und unverbindlich, was ich falsch mache.

 

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