Der Stasi-Staat: Kontrolle, Überwachung und Gängelung als neues Leitbild

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Schon in vielen früheren Beiträgen, unter anderem gestern, hat der BWL-Bote die zunehmende Totalüberwachung des Straßenverkehrs kritisiert – im Moment die schon in 2004 in einem Pilotprojekt erprobte Maut für alle Fahrzeuge auf allen Straßen, die als eine Art vermutlich sehr willkommenes Nebenprodukt auch die Totalüberwachung aller Bewegungen in der Öffentlichkeit zuläßt. Auch in der digitalen Welt zeichnen sich im Rahmen des sogenannten "Trusted Computing" Bestrebungen ab, jegliche Software und jede einzelne Datei zentral kontrollieren und vermutlich auch zensieren zu können. Das nunmehr im Bundesanzeiger erschienene neue Urheberrecht ist mit Kopierverbot geschützter Medien und Rechtsschutz für Kopierschutzsysteme und Digital Rights Management ein erster konkreter Schritt in diese Richtung. Schließlich wurde an dieser Stelle auch schon über den für die Zeit ab 2005 (in Deutschland möglicherweise erst ab 2007, also nach der nächsten Wahl) geplanten Zertifikatehandel mit "Treibhausgasemissionsberechtigungen" berichtet, der nicht nur zu einer Rationierung und künstlichen Verknappung von Energie, sondern auch zu einer Kontrolle aller energetischen Prozesse führen wird, also ebenfalls zu einer Form der Überwachung.

Offensichtlich ist allen diesen Zukunftsprojekten die Überwachung und Kontrolle wirtschaftlicher- oder allgemeiner Lebensprozesse als gemeinsames Merkmal eigen – und zwar in einer Weise, daß die Stasi der ehemaligen DDR, mit der unser Verkehrsminister Erfahrung besitzt, erblassen würde vor Neid. Ist der Überwachungsstaat also das Paradigma einer kommenden Epoche?

Ein Beispiel aus dem Finanzwesen könnte einen Hinweis liefern, nämlich §24c Kreditwesengesetz (KWG), mit dem wir uns an dieser Stelle näher beschäftigen wollen. Dieser Paragraph regelt zunächst nur, daß Banken Dateien über Konten und die persönlichen Merkmale der Konteninhaber führen müssen – eine Selbstverständlichkeit. Diese Daten müssen jedoch jederzeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zur Verfügung stehen. Insbesondere regelt §24c Abs. 1 Satz 5 KWG, daß die Bundesanstalt die in diesen Dateien gespeicherten Daten jederzeit in einem automatisierten Verfahren abrufen darf, und diese Abrufe, so Satz 6 derselben Vorschrift, dürfen der Bank nicht zur Kenntnis gelangen.

Um es also zusammenzufassen: Banken müssen Daten für eine staatliche Instanz bereithalten, also Auskunft erteilen, wissen aber nicht, über wen, wann und wie oft Auskünfte abgegeben werden.

§30a der Abgabenordnung (AO) regelt unter dem Titel "Schutz von Bankkunden", daß Banken Auskünfte an die Finanzbehörden nur unter recht engen Bedingungen weiterreichen dürfen. Die Finanzbehörden müssen auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Kunde und Bank Rücksicht nehmen. Sie dürfen also erst mit Auskunftsersuchen an die Kreditinstitute herantreten, wenn ein konkreter Verdacht etwa auf Steuerhinterziehung besteht – allgemeine und regelmäßige Kontrollmitteilungen sind verboten (§30a Abs. 2 AO). Ist es ein Zufall, daß schon in der letzten Teuerreform versucht wurde, diese Vorschrift zu kippen?

Nur der Stimmgewalt der CDU/CSU-Opposition im Bundesrat haben wir zu verdanken, daß diese wahrlich archaische Schutzvorschrift noch besteht – archaisch, wenn man das Bild des Datenschutzes betrachtet, das sich im KWG inzwischen durchgesetzt zu haben scheint. Ein Zitat aus §24c Abs. 6 KWG ist sehr verräterisch. Dort steht nämlich, daß Bank und Bundesanstalt Maßnahmen zur "Sicherstellung von Datenschutz und Datensicherheit" zu treffen haben, die "insbesondere die Vertraulichkeit und Unversehrtheit der abgerufenen und weiter übermittelten Daten gewährleisten". Datenschutz also nur noch als Argument der Datensicherheit und nicht des Schutzes des Bürgers, dessen Daten abgerufen werden?

Zweck der Regelung des §24c ist die Aufdeckung von Geldwäsche und anderen schweren Straftaten (§24c Abs. 3 KWG). Insofern erteilt die Bundesanstalt Auskunft – inwieweit sie selbst informiert ist, also Konten und Geldbewegungen kontrolliert, ist damit nicht gesagt. Und inwieweit etwa Steuerhinterziehung als "schwere Straftat" (Strafandrohung gemäß §§370, 370a AO immerhin bis zu 10 Jahre) nicht auch schon unter diese Regel fällt, ist unklar.

Wir haben also schon lange kein Bankgeheimnis mehr, auch nicht durch die Regelung der Abgabenordnung. Nur muß man ganz woanders nach den Gründen suchen, im viel esoterischeren, weniger Leuten bekannten Kreditwesengesetz. Der Staat guckt uns also längst allen auf die Finger, jedenfalls beim Zahlen und Kassieren.

Anders als bei Maut, Energierationierung und Urheberrecht gibt es hier allerdings einen einfachen Ausweg: die Rückkehr zur Barzahlungsgesellschaft. Bargeld ist anonym, und wenn es nicht in großen Mengen auf Konten eingezahlt wird, was nämlich selbst wieder eine Kontrollmitteilung auslöst, eignet es sich hervorragend, der staatlichen Überwachung wie der Kontrolle durch Marketing-Firmen, die mit Punktekarten und Rabattsystemen ihre Kunden ausspionieren, zu entgehen.

Der langen Rede kurzer Sinn: Cash is King!

Links zum Thema: Europaweites Mautsysteme für alle Fahrzeuge wird schon vorbereitet | TCPA: Auf dem Weg in die totale Kontrolle | Neues Urheberrecht tritt in Kraft | Treibhausgasemissionsberechtigungen: Es wird ernst (interne Links)

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