Theoretische Grundbegriffe: Sind Bildungen von Rückstellungen Kosten?

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Manche Aufgaben werden anscheinend synchron gestellt: binnen eines einzigen Tages legten mir jedenfalls mehrere Botenleser die Frage vor, wie Rückstellungen denn in der Kostenrechnung zu behandeln seien. Anscheinend wird der BWL-Bote im Klassenverband gelesen. Hier also eine ausführliche Antwort:

Zunächst sind Rückstellungen ungewisse Verbindlichkeiten. Eine Verbindlichkeit ist eine künftige Verpflichtung aufgrund vergangener Ereignisse. Sie sind bilanziell bei den Passiva in Teil C auszuweisen. Ist die Höhe dieser Verbindlichkeit oder der Zeitpunkt der künftigen Leistung ungewiß, so liegt eine Rückstellung vor. Diese ist in Teil B des Bilanzgliederungsschemas auf der Passivseite auszuweisen und daher ein rein bilanzielles Phänomen (präzise Definition mit Visualisierung). Mit der Kostenrechnung hat das zunächst nichts zu tun.

Interessant, und offenbar vom Fragesteller gemeint, ist aber die Bildung (die sogenannte "Dotierung") und die Auflösung von Rückstellungen. Diese können Kostencharakter haben oder auch nicht. Bedeutsam ist zunächst, sich die Kostendefinition zu verdeutlichen:

Kosten sind bewerteter, periodisierter Güter- und Leistungsverzehr zur Erstellung der betrieblichen Leistung oder zur Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit.

Die Dotierung einer Rückstellung ist damit eine Kostenart, wenn der zugrundeliegende Sachverhalt Kostencharakter hat. Das ist das grundlegende Prinzip. Einige Beispiele aufgrund der Vorschriften über Rückstellungen aus §249 HGB und §5 Abs. 3 bis 4b EStG verdeutlichen dies.

So dürfen beispielsweise unter bestimmten Voraussetzungen Jubiläumsrückstellungen für Dienstjubiläen von Arbeitnehmern gebildet werden (§5 Abs. 4 EStG). Solche Zuwendungen gehören zu Arbeitsverhältnissen und sind damit aufwandsgleiche Kosten (Zweckaufwendungen, Grundkosten). Die entsprechenden Bildungen von Rückstellungen haben damit ebenfalls Kostencharakter. Das gilt um so mehr als sie ja die zukünftige Leistungsverpflichtung im Sinne der Kostendefinition periodisieren, also auf die Geschäftsjahre verteilen.

Andere Aufwandsrückstellungen dürfen handelsrechtlich derzeit noch gebildet werden (das BilMoG könnte dies bald ändern). Wenn die zugrundeliegende Aufwandsart Kostencharakter hat, dann hat es auch die Bildung der Rückstellung. Ob das der Fall ist, kann aber nur im Einzelfall entschieden werden: Werden beispielsweise Rückstellungen für Prozeßkosten gebildet, weil uns ein Kunde verklagt, so könnten dies Kosten sein, so daß auch der Bildung der Rückstellung Kostencharakter zukommt. Steht einem konkreten Risiko aber ein kalkulatorisches Wagnis gegenüber, so ist dieses Wagnis bereits die Kostenart. Die Bildung der Rückstellung ist dann nur noch ein neutraler Aufwand.

Die Bildung von Steuerrückstellungen hat nur Kostencharakter, wenn für eine Kostensteuer eine Rückstellung gebildet wird. Die Bildung einer Rückstellung für eine erwartete Einkommens- oder Körperschaftsteuernachzahlung hat also keine Kosteneigenschaft, aber die Bildung einer Gewerbesteuerrückstellung sehr wohl.

Tritt das Ereignis ein, für das eine Rückstellung gebildet wurde, dann ist die Rückstellung aufzulösen. Hierbei werden entweder Mittel frei, oder es muß nachgelegt werden, denn fast nie trifft die ursprüngliche Abschätzung der Höhe der ungewissen künftigen Verpflichtung genau zu. Dies betrifft aber fast immer ein späteres Geschäftsjahr. Damit haben zusätzliche Aufwendungen für den durch die Rückstellung abgesicherten Sachverhalt aber niemals Kostencharakter, weil sie periodenfremd sind. Ein Beispiel: war die Bildung einer Gewerbesteuerrückstellung ursprünglich eine Kostenart, so ist ein im Folgejahr zusätzlich festgesetzter Steuerbetrag keine Kostenart mehr, weil er ein vergangenes Geschäftsjahr betrifft.

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Links zum ThemaGrunddefinitionen: der Ausweis der Verbindlichkeiten im HGB und in den IFRS | Grundlagen der Bilanzierung: das Geheimnis der Bilanzpositionen | Skript zum Jahresabschluß nach HGB | Skript zur Rechnungslegung nach IAS/IFRS (interne Links)

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Eine Antwort

  1. 14.05.2013

    […] Unabhängig davon, welche Berechnungsmethode zur Ermittlung des Cash Flows angewandt werden, müssen verschiedene Zahlen und Werte bekannt sein. Entscheidend für ein aussagekräftiges Ergebnis ist, dass nur Werte für die Berechnung verwendet werden, bei denen auch tatsächlich ein Geldfluss stattfindet. Abschreibungen, Rückstellungen und ähnliche Positionen bleiben bei der Cash Flow Berechnung deshalb außen vor. Aus den dann verbleibenden Werten kann der Cash Flow auf verschiedenen Wegen ermittelt werden. Gerade hinsichtlich der Rückstellungen herrscht häufig Unsicherheit. Wie dieser Posten betriebswirtschaftlich zu betrachten ist, lesen Sie hier. […]