Diätratschläge für Betriebswirte: viel Vitamin B konsumieren…

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Wir haben den Aufschwung, behaupten jedenfalls die Nachrichtensendungen, und mit ihm die Inflation, wissen die Preisschilder in den Märkten und die Europäische Zentralbank, die mit vorhersagbarer Regelmäßigkeit vier Mal im Jahr die Zinsen erhöht. Eigentlich, so könnte man meinen wären das ganz ausgezeichnete Bedingungen für einen Berufseinstieg. Einige Grundregeln wollen freilich dennoch beachtet werden: die grundlegenden Ernährungsratschläge für Betriebswirte zum Beispiel…

So ist es weder selten noch verwunderlich, daß angehende PR-Spezialisten als Animateure am Touristenstrand enden oder Controlling-Absolventen als Mathe-Nachhilfelehrer versacken: nicht jeder, der etwas kann, findet auch den passenden Ort, sich zu entfalten. Führen Universitäten und andere Lehranstalten noch ein System der Auslese durch, das sich an berufsbezogenen kognitiven Fähigkeiten orientiert, also den Besten fördert, ist das Auslese- und Karrieremodell der Gesellschaft oft anders angelegt: nicht der Beste steigt auf, sondern der Bestangepaßte. Nicht um Fähigkeiten geht es, sondern um die Nutzung sozialer Netzwerke.

Das ist besonders im Rahmen von Arbeitsverhältnissen so, denn dort sichern sich die Personalverantwortlichen nicht nur durch die Vorlage objektiver Dokumentationen wie Zeugnisse und Zertifikate, mit denen sie im Zweifelsfall beweisen können, bei der Einstellung richtig gehandelt zu haben. Sie befragen auch Kollegen und Mitarbeiter. Sie sichern ihre Entscheidung auch in ihrem sozialen Umfeld ab. Sie stellen nicht nur nach Note und Leistung ein, sondern auch nach Empfehlung. Für einen angehenden Absolventen kann es daher nichts Wichtigeres geben, als Netzwerke aufzubauen, die im richtigen Moment zur Verfügung stehen. Stellen findet man nicht beim zur Agentur mutierten Arbeitsamt, such nicht über Blindbewerbung, sondern in aller Regel nur per Empfehlung.

Das also ist der betriebswirtschaftliche Ernährungstip: man kann essen, was man will, aber Vitamin B muß konsumiert werden. Und das geht nicht nur beim Essen oder beim Sport, sondern zunehmend auch im Internet. Machten einst noch Generationen von Graduierten die Erfahrung, daß die wirklich wichtigen Informationen nicht bei der Dienstberatung früh um halb zehn im Büro, noch nichtmal über dem Schreibtisch des Direktors sondern erst nach Dienstschluß beim Golf oder Sonntags auf dem Fußballplatz rüberkommen, so digitalisiert sich auch das zunehmend: Netzwerk-Dienste wie Xing oder DocuTrade erlauben ihren Nutzern, Profile anzulegen und soziale Netzwerke anzulegen. Zudem erhöht sich so die Googlability des Bewerbers, denn viele Personaler geben bei einer in die nähere Auswahl gekommenen Bewerbung zuerst den Namen des Bewerbers in Google ein um zu sehen, was es über den Bewerber zu sehen gibt. Ein Xing-Profil ganz oben in der Liste ist da nicht gerade das schlechteste Ergebnis.

Doch auch wenn der Aufschwung mancherorts noch immer mit der Eisenbahn kommt, bleibt das Echte doch das Echte, und das bedeutet in der Praxis, daß man sich bemühen soll, die "richtigen" Leute persönlich kennenzulernen – und ihnen auch im Gedächtnis zu bleiben. Das ist die wichtigste informelle Aufgabe jedes Studienteilnehmers neben Scheinerwerb und Klausurerfolg: die Entscheider und Trendsetter der möglichen späteren Arbeitgeber rechtzeitig kennenlernen, denn diese Leute empfehlen sich gegenseitig Personalentscheidungen. Sie sind also die Zielpersonen informeller Maßnahmen des Selbstmarketing, die beim Besuch von Messen und Tagen der offenen Türen beginnen und abends in Kneipen und Clubs noch lange nicht enden.

Auch Praktika sind übrigens hervorragende Gelegenheiten, sich zu beweisen, auch wenn diese in letzter Zeit etwas in Verruf geraten sind, werden sie doch von vielen Unternehmen als Weg mißbraucht, unentgeltlich an willige Mitarbeiter zu kommen. Doch wer darauf keine Lust hat, dem kann auch ein anderer Rat gegeben werden: Lehrjahre waren nicht umsonst schon immer auch Wanderjahre. Auch heute ist das nicht anders. Ich habe Betriebe und ihre Führungskräfte in Afrika und Asien immer viel zugänglicher erlebt als hier im versteinerten Sozialsystem Europas. Dies aber sind Chancen der Premium-Klasse, denn steckt der Aufschwung hierzulande weiterhin im Eisenbahnerstreik fest, kann sich so ein Job im Ausland ergeben: in boomenden Ländern wie China, Indien oder in Arabien, die nicht vom Sozialrecht, der deutschen Geschichte oder dem Ökologismus petrifiziert werden. Und ein paar Jahre im Ausland machen sich ausgezeichnet in jedem Lebenslauf, selbst wenn man nachher doch noch zurückkommt. Was beiweitem nicht immer der Fall ist.

Besonders Akademiker und andere "High Potentials" bleiben nämlich oft für lange oder für immer der Heimat fern: Arabien würde ohne deutsche Ingenieure zusammenbrechen und selbst im traditionell deutschfreundlichen Indien finden sich inzwischen eine Menge deutsche Arbeitnehmer in indischen Unternehmen. Die Globalisierung macht's möglich: Vitamin B internationalisiert sich und öffnet Märkte, die einst hinter dem engen deutschen Tellerrand verborgen waren. Diese zu erkennen und zu nutzen ist der erste und wichtigste Ratschlag, den man deutschen Studienanfängern geben kann, denn die am Beginn der Ausbildung gelegten Karrierefundamente entscheiden oft noch Jahrzehnte später über Erfolg oder Versagen.

Links zum Thema: Studienstrategie und Karriereplanung: Unkonventionelle Tips zum Semesterbeginn | Studienfachwahl: Was man im Leben tun sollte, und warum (interne Links) Xing (externe Links)

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