EZB vor Zinserhöhung, und was das für uns wirklich bedeutet

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Hat die Europäische Zentralbank die gesamtwirtschaftlichen Leitzinsen seit Mai 2001 in mehreren kleinen Schritten kontinuierlich gesenkt, lagen sie seit dem 06.06.2003 unverändert auf niedrigem Niveau. Das freute Bauherren wie Investoren… ähem, investierende Unternehmen, meine ich natürlich 😉 Doch nunmehr gerät die EZB zunehmend unter Druck, zuletzt durch die Zinserhöhung der Federal Reserve Bank in den USA. Der BWL-Bote prognostiziert daher eine baldige Zinsanhebung auch der Europäischen Zentralbank. Was aber bedeutet das für Deutschland?

Können die Geschäftsbanken zur Deposit Facility Geld bei der EZB kurzfristig "parken", so leiht die EZB zum Main Refinancing Bid Rate den Geschäftsbanken kurzfristig Geld bis zu einem gewissen Maximalumfang im Rahmen eines Bietungsverfahrens; alle darüber hinausgehenden Refinanzierungen der Banken sind nur zur Marginal Lendig Facility möglich. Diese Zinsen liegen bisher bei 1, 2 bzw. 3%. Aber vermutlich nicht mehr lange.

Hauptaufgabe der EZB ist die Sicherung der Geldwertstabilität. Neben u.a. der Festsetzung von Mindestreservesätzen ist die Zinspolitik ein wesentliches Instrument, das sie hierfür einsetzt. Wir wissen aber alle, daß in den letzten Monaten insbesondere Energie drastisch teurer geworden ist – und ignorieren oft, daß auch jetzt noch der Staat den größten Teil des Zapfsäulenpreises kassiert, auch wenn darüber, aus naheliegenden Gründen, wenig in den Medien zu erfahren ist. Der allgemeine Energiepreisschock hat aber alle anderen Preise ebenfalls unter Druck gesetzt – eine Inflation droht, und damit ein Einschreiten der EZB.

Steigert diese die Leitzinsen, um den Preisauftrieb zu bremsen, typischerweise stets alle drei Zinssätze parallel, so werden Kredite der Geschäftsbanken ebenfalls teurer – was das Geld für Unternehmen wie für Privathaushalte verknappt. Weniger Darlehen und weniger überzogene Girokonten bewirken aber auch weniger Nachfrage auf den Gütermärkten, was die inflationären Tendenzen stoppen soll. Soweit der volkswirtschaftliche Grundkurs. Kommen wir jetzt also zum gesellschaftlichen Teil, d.h., gucken wir mal nach, was das wirklich bedeutet. Das ist nämlich viel interessanter:

Teureres Geld bedeutet nämlich nicht nur weniger Investition und mehr Konsumverzicht, sondern auch einen Nachfragerückgang bei den Unternehmen. Diese werden also versuchen, zu sparen, und wir dürfen drei Mal raten, wo sie damit anfangen – richtig, bei den Arbeitskräften. Eine Zinsanhebung hat also stets auch eine andere, weniger schöne Folge: Entlassungen. Damit aber kommen wir zum eigentlichen Problem, denn hier wären, nach dem Grundkonzept des EU-Vertrages, die Nationalregierungen gefragt. Diese tun aber, aufgrund der Vorgaben der demokratisch gewählten EU-Kommission alles, Arbeitsplätze und Arbeitgeber aus dem Land zu jagen. Sie zahlen sogar Arbeitsplatzabbauprämien, wie jüngst bei Norsk Hydro.

Steigen die Zinsen, so wirkt das also auf den gegenwärtigen Arbeitsmarkt prozyklisch, d.h., es verschärft die gegenwärtige Krise – die schon jetzt mit gekonnter "statistischer Massage" gut hinfortgelogen wird: so hat die Zeitschrift "Wirtschaftswoche" schon im Sommer 2004 die wahre Zahl auf 8,6 Millionen Arbeitslose geschätzt. Wieviele es heute wirklich sind, weiß vermutlich nichtmal mehr die "Regierung". Was also kommt als Nächstes?

Diese Frage ist allerdings leicht zu beantworten, man muß nur den Fernseher einschalten und eine Nachrichtensendung anschauen, die Nachrichten aus Frankreich, vorzugsweise. Was dort derzeit abgeht, kann man als Bürgerkrieg bezeichnen, auch wenn das Wort noch keiner so gerne in den Mund nehmen will. In Deutschland, so höre ich die Politiker tönen, gebe es keine solchen Ghettos wie in Pariser und anderen französischen Vorstädten. Wohl wahr. Aber dafür genügend anderen sozialen Sprengstoff, und zwar um so mehr als wir aus dem Öko-Alptraum erwachen und die wahre Lage erkennen.

Wir haben an dieser Stelle oft prognostiziert, daß es ein Ende mit Schrecken geben wird. Ob das jetzt kommt, wagen wir nicht vorherzusagen. Frankreich könnte aber ein Anfang sein. Mir jedenfalls graust vor der Zukunft. Bald wird es wohl genug Gelegenheiten geben, das Beten zu lernen.

Links zum Thema: Aluminiumindustrie: an der Grenze zum Öko-Tod | 8,6 Millionen Arbeitslose – schon vor Beginn der Energierationierung | New Orleans, oder das dünne Eis des Friedens (interne Links)

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