Die Bewertung des Sachanlagevermögens im Bereich der International Financial Reporting Standards (IFRS) unterscheidet sich erheblich von parallelen Konzepten im deutschen Recht. Während das deutsche Steuerrecht nur in wenigen, ganz bestimmten Fällen die Aufteilung eines physikalisch einheitlichen Vermögensgegenstandes in mehrere Komponenten kennt, ist die sogenannte Komponentenaktivierung (component approach) die einzige übliche Methode im internationalen Rechnungswesen. Aber auch die Folgebewertung unterscheidet sich stark vom deutschen Recht: durch die Neubewertungsmethode ist die Bewertung richtiger und vermittelt mehr Informationsnutzen für den Abschlußleser. Die Bilanzrechtsmodernisierung hat zwar die Hemmnisse des Maßgeblichkeitsgrundsatzes abgeschafft, aber in dieser Hinsicht doch nichts Vergleichbares geschaffen.
Wesentlich ist insbesondere, daß im deutschen Recht formale AfA-Methoden weiterhin eine zu große Rolle spielen. Nur durch die Pflicht zu einer uneingeschränkten Auf- und Abwertung auf den jeweils beizulegenden Zeitwert wird eine "richtige" Anlagebewertung geschaffen. Die Neufassung des Niederstwertgrundsatzes ist insofern leider nur eine halbe Reform.
Der eigentlich faule Kompromiß wird am besten durch ein Zahlenbeispiel deutlich. Ein Anlagevermögensgegenstand im Wert von 18.000 Euro (Anschaffungskosten nach IAS 16.16) werde zu Beginn einer Rechnungsperiode angeschafft. Die betriebsübliche Nutzungsdauer (useful life, IAS 16.50) betrage zutreffend acht Jahre, und die Zugangsbewertung stimme mit dem beizulegenden Zeitwert (fair value) des Gegenstandes überein. Eine Neubewertungsrücklage sei anfänglich nicht vorhanden. Der Gegenstand soll linear abgeschrieben werden (nach IAS 16.60 zulässig), und eine Neubewertung i.S.d. IAS 16.31 ff finde aufgrund eines verläßlich feststellbaren beizulegenden Zeitwertes alle zwei Jahre statt.
Zunächst wird die Anlage die ersten beiden Jahre mit je einem Achtel des Anschaffungskostenwertes oder 2.250 Euro/Jahr abgeschrieben. Am Ende des zweiten Jahres beträgt der Zeitwert also noch 18.000 – 2 x 2.250 = 13.500 Euro. Am Ende des jedes Jahres wird aber auch der beizulegende Zeitwert erfaßt. Der betrage am Ende des zweiten Jahres 15.000 Euro:
t | AfA | Zeitwert | Fair Value | Neubewertung | Rücklage | Aufwand |
0 1 2 |
2.250,00 2.250,00 |
18.000,00 15.750,00 13.500,00 |
18.000,00 16.000,00 15.000,00 |
+1.500,00 |
0,00 0,00 1.500,00 |
0,00 0,00 0,00 |
Es ist also eine Aufwertung um 1.500 Euro von 13.500 auf 15.000 Euro vorzunehmen. Diese Aufwertung bildet aber keinen Ertrag, sondern wird direkt über das other comprehensive income in das Eigenkapital in eine Neubewertungsrücklage gebucht (IAS 16.39). Dies hat also keine Auswirkung auf das eigentliche Ergebnis der Gewinn- und Verlustrechnung.
Damit entsteht eine Neubewertung i.H.v. 15.000 Euro, die über die verbleibenden sechs Jahre zu je 2.500 Euro abzuschreiben ist. Am Ende des vierten Jahres beträgt also der Zeitwert (carrying amount) des Gegenstandes noch 10.000 Euro. Der beizulegende Zeitwert zu diesem Zeitpunkt sinke aber auf 9.200 Euro. Es muß also eine Abwertung gebucht werden. Diese zehrt die nach dem zweiten Jahr gebildete Rücklage teilweise auf:
t | AfA | Zeitwert | Fair Value | Neubewertung | Rücklage | Aufwand |
2 3 4 |
2.500,00 2.500,00 |
15.000,00 12.500,00 10.000,00 |
15.000,00 12.500,00 9.200,00 |
–800,00 |
1.500,00 1.500,00 700,00 |
0,00 0,00 0,00 |
Es verbleibt damit eine Neubewertungsrücklage i.H.v. 1.500 – 800 = 700 Euro. Auch dieser Vorgang findet nur im other comprehensive income statt, und ist nicht aus der Gewinn- und Verlustrechnung ersichtlich.
Nach der Abwertung von 10.000 Euro auf nur noch 9.200 Euro ist die die Anlage daher für die restlichen vier Nutzungsjahre mit 2.300 Euro pro Jahr abzuschreiben. Das ergibt nach dem sechsten Jahr einen carrying amount (Zeitwert) i.H.v. 4.600 Euro. Zu diesem Zeitpunkt sei der verläßlich festzustellende Zeitwert des Gegenstandes aber auf 3.400 Euro gefallen:
t | AfA | Zeitwert | Fair Value | Neubewertung | Rücklage | Aufwand |
4 5 6 |
2.300,00 2.300,00 |
9.200,00 6.900,00 4.600,00 |
9.200,00 7.000,00 3.400,00 |
–1.200,00 |
700,00 700,00 0,00 |
0,00 0,00 500,00 |
Es ist damit erneut eine Wertminderung um 4.600 – 3.400 = 1.200 Euro zu erfassen. Es ist aber nur noch eine Neubewertungsrücklage i.H.v. 700 Euro vorhanden. Diese wird von der neuerlichen Abwertung der Anlage nach dem 6. Jahr vollständig aufgezehrt. Es verbleiben noch 500 Euro. Diese sind nunmehr als Aufwendung aus Neubewertung erfolgswirksam in der Gewinn- und Verlustrechnung zu erfassen.
Neubewertungen wirken sich damit stets auf das Eigenkapital aus, aber auf zwei verschiedenen Wegen. Alle Neubewertungen über den Zeitwert hinaus bilden eine Neubewertungsrücklage, die durch Wertminderungen aufgrund von Marktpreisverfall wieder aufgezehrt wird. Beides gelangt an der Gewinn- und Verlustrechnung "vorbei" über das other comprehensive income in das Eigenkapital. Man beachte hier die Darstellung der GuV nach IAS 1 entweder als einheitliches Rechenwerk oder in Form von zwei Statements. Erst wenn keine Neubewertungsrücklage mehr besteht, werden Wertminderungen durch Neubewertung als "normale" Aufwendung erfaßt, und gelangen auf diese Art in das Eigenkapital.
Wegen des Verbots, außerordentliche Aufwendungen zu erfassen (IAS 1.87), erscheinen Neubewertungen niemals als extraordinary items. Das other comprehensive income, das im Handelsrecht keine Entsprechung hat, stellt jedoch eine Position dar, die §277 Abs. 4 HGB ungefähr entspricht.
Insgesamt ist die Folgebewertung nach IAS 16 wesentlich besser als die formale handels- oder steuerrechtliche Bewertung nach deutschem Recht. Die Pflicht, verläßlich feststellbare Wertänderungen uneingeschränkt abzubilden, führt zu einem größeren Informationsnutzen für den Abschlußleser. Formale AfA-Methoden haben wenig Bedeutung, weil ja ohnehin doch von Zeit zu Zeit neubewertet wird. Die Bewertung nach IAS 16 ist aber auch komplexer und aufwendiger, und daher i.d.R. nur für große, kapitalmarktnahe Unternehmen wirklich sinnvoll.
Links zum Thema: Grundkonzepte im Rechnungswesen: Die Bewertung des Sachanlagevermögens | Component Approach: So ähnlich sind die IFRS dem deutschen Steuerrecht | Bilanzrechtsmodernisierung: Gesamtübersicht über die Reformen | BilMoG: wie alte Abschreibungsmethoden zu neuem Leben erwachen | BilMoG: die Neufassung der handelsrechtlichen Herstellungskosten |Umfangreiches IFRS-Skript (interne Links)