BWL ist der beliebteste Studiengang in Deutschland – sowohl bei Männern, als auch bei Frauen. Ist es angesichts der Wirtschaftslage und der Flut an Absolventen allerdings überhaupt noch sinnvoll, ein Studium der Betriebswirtschaftslehre aufzunehmen?
Schaut man sich Antworten in verschiedenen Foren an, stellt man schnell fest, dass viele Studieninteressenten nicht wissen, wie sie die Zukunftschancen nach einem BWL Studium einschätzen sollen. Auch in unserem Forum wurde schon darüber diskutiert.
Wir wollen Vorteile und Nachteile ehrlich gegenüberstellen und Studieninteressenten helfen, das Karrierepotenzial einzuschätzen.
Wann ein BWL Studium Sinn macht/ sich lohnt
Die Betriebswirtschaftslehre ist ein sehr weit gefächertes Gebiet. Von Marketing über Controlling bis zu Personalwesen und Steuerberatung werden Fachgebiete behandelt, die in jedem Unternehmen auf dieser Welt vorkommen. Das ist der wohl größte Vorteil des Studiengangs. Wer zu Beginn der Studienzeit noch nicht weiß, in welchem Berufsfeld er später arbeiten möchte, kann bei der BWL in den ersten 2-3 Semestern in sämtliche Grundlagenkurse schnuppern und dadurch feststellen, welche Bereiche Spaß machen und welche man von Beginn an langweilig findet. Erst ab dem 4. Semester entscheidet man sich dann für Studienschwerpunkte und vertieft somit fachspezifisches Wissen. Diese Variabilität ist auch einer der Gründe, warum es oft heißt „Wer nicht weiß, was er werden soll, studiert Betriebswirtschaft“. Klingt negativ, kann man aber auch positiv sehen: Statt nach 1-2 Semestern ein spezialisiertes Studium abzubrechen, weil man merkt, dass es nicht das ist, was man sich versprochen hat, kann man bei der BWL erstmal in verschiedene Bereiche reinschauen.
Super wichtig: Praktika und Nebenjobs
Die oben genannten Faktoren sind erstmal persönlich für einen selber wichtig. Aber wenn es dann zum Berufseinstieg kommt, zählen nochmal andere Dinge: Welche BWL-Absolventen kriegen schnell einen Job, welche müssen lange suchen und sich oft bewerben? Es gibt keine allgemeingültige Formel, aber sicher ist: Wer während des Studiums in den Semesterferien sinnvolle Praktika macht und während des Studiums passende Nebenjobs hat, findet sehr wahrscheinlich schneller einen Job, als derjenige, der die Semesterferien am Strand verbringt. Klingt total logisch – wird aber von tausenden Studenten nicht umgesetzt. Mal heißt es „Ich muss doch auch mal Urlaub machen“, mal reicht angeblich die Zeit für einen Nebenjob nicht aus, mal hat man es dank wohlhabender Eltern gar nicht nötig zu arbeiten. Das kann man so sagen, dann sollte man aber nicht erwarten, mit der ersten Bewerbung den Traumjob zu ergattern.
Michael Blies vom Karriereportal e-fellows beschreibt gute Strategien für einen erfolgreichen Berufseinstieg so: „Wer erst bei Studienende beginnt, sich auf dem Arbeitsmarkt umzusehen, ist spät dran. Man sollte sich schon ab der zweiten Hälfte des Studiums damit beschäftigen. Praktika, Werkstudentenjobs, ein Mentor aus einem Unternehmen, Unternehmensvorträge an der Hochschule, Karrieremessen und Recruiting-Veranstaltungen sind gute Wege, um frühzeitig relevante Erfahrung zu sammeln und Kontakte zu knüpfen. Nur so findet man auch heraus, was einem liegt und was nicht. Gleichzeitig lernt man den Unternehmensalltag kennen. Das erleichtert den späteren Berufseinstieg deutlich.“
Diese Aussage wird auch von Martin Meyer, Leiter des Personalmarketings beim Sportwagenhersteller Porsche gestützt: „Über 80 Prozent der Hochschulabsolventen, die wir einstellen, kennen wir schon vor der Bewerbung.“ Der Kontakt entsteht meist über Praktika oder Abschlussarbeiten, die in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen geschrieben werden.
Diese Aussagen sollte man sich hinter die Ohren schreiben oder in großen Buchstaben in die Studentenbude hängen.
Auch sinnvoll: Ausbildung vor dem Studium
Denk mal drüber nach, vor dem Studium eine Ausbildung zu machen. Das klingt „old school“, hat aber viele Vorteile. Unternehmen schätzen die Kombi von gesammelter Berufserfahrung in der Ausbildung und zusätzlichem akademischen Know-how. Die Studie „Studentenspiegel 2“ hat herausgefunden, dass eine Berufsausbildung nicht nur bei einem schnelleren Berufseinstieg helfen kann, sondern ehemalige Azubis auch ein höheres Gehalt beim Jobeinstieg aushandeln. Warum? Die Unternehmen hoffen, Uni-Abgänger mit Berufserfahrung leichter in den Arbeitsalltag eingliedern zu können. Ein Klassiker geradezu ist die Kombination aus einer Ausbildung zum Kaufmann und einem anschließenden BWL-Studium.
Auch wichtig: Die Noten
Die Studentenzeit ist eine besondere Zeit – viele Partys stehen an und keiner sagt einem so richtig, was zu tun ist. Über diese Freiheit sollte man das Lernen aber nicht vernachlässigen. Audrey Herz von der Deutschen Bank hat eine ganz klare Aussage zu den Noten im Studium: „Schlechte Noten sind in der Regel schon ein Ausschlusskriterium. Hier gehen wir einfach von einem Mangel an Können und Kenntnissen aus. Außerdem deuten schlechte Noten auf fehlende Einsatzbereitschaft hin.“ Zack! Klingt ziemlich knallhart – ist es auch. Versetzt euch in die Rolle eines Personalmanagers, der hunderte Bewerbungen kriegt: Wem traut ihr mehr zu? Demjenigen mit Abschlussnote 1,9 oder dem mit 3,2? Das ist der erste Eindruck. Einen Teil kann man durch Praktika und Nebenjobs aufwiegen, aber nicht alles.
Nicht ganz so wichtig: Hochschulart bzw. Name der Hochschule
Sehr große Unternehmen, die es sich leisten können und die viel Wert auf Renommee legen, haben bestimmte Lieblings-Hochschulen. Da wird dann der BWL-Absolvent der Uni Mannheim dem von der FH Kiel vorgezogen. Aber die Bedeutung der Hochschule ist bei weitem nicht so wichtig, wenn man die oben genannten Punkte erfüllen kann. Auch gibt es immer weniger einen Unterschied zwischen der Fachhochschule und der Universität. Klar, die FH ist meist noch etwas praxisorientierter und die Uni vermittelt noch tiefgreifenderes, theoretischeres Wissen, aber für den Berufseinstieg ist die Hochschulart meist nicht mehr ausschlaggebend.
Warum es bei der Jobsuche schwierig werden kann
Du hast die oben genannten Punkte weitestgehend erfüllt, findest aber trotzdem keinen Job? Das kann auch sein – eine Jobgarantie gibt es nämlich leider nie. Besonders schwer wird es in hippen, überlaufenen Fachbereichen. „Bei BWL Studenten sind die Schwerpunkte Marketing, Personal, Organisation und Controlling sehr beliebt“, sagt Prof. Dr. Gassen von der Humbolt Uni Berlin. „Solche Fächer sind zugänglicher, aber auch überlaufen“. Finanz- und Rechnungslehre, sprich die zahlenlastigen Fächer, hätten dagegen weniger starken Zulauf. Die Nachfrage nach solchen Experten sei aber groß, die Jobs krisenfester.
Ob ein BWL Studium sinnvoll ist, hängt also von der Zukunftsvision ab. Wer nach dem Schulabschluss noch keine Vision hat, ist mit dem Studium gut aufgestellt, weil man erstmal überall reinschnuppern kann. Wer allerdings weiß, dass er in einem der meistgewählten Bereiche arbeiten möchte, sollte sich auch nach sinnvolleren Alternativen umgucken. Im Personalbereich haben Betriebswirte zum Beispiel starke Konkurrenz durch Wirtschaftspsychologen und -pädagogen bekommen. Für Marketing gibt es ebenso Wirtschaftspsychologen, studierte Marketingmanager oder auch ehemalige Azubis mit Marketingweiterbildung.