Das FMStG und die InsO: eine kleine aber interessante Änderung

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Am 17.10. ist nach einem nur wenige Tage währenden Turbo-Gesetzgebungsverfahren das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) im Bundesgesetzblatt erschienen. Während der durch dieses Gesetz eingerichtete Finanzmarktstabilisierungsfonds inzwischen schon weithin bekannt ist, bringt das neue Regelwerk auch eine kleine aber interessante Änderung an der Insolvenzordnung (InsO) mit sich. Die ist nicht nur für wackelnde Banken und erschütterte Kapitalanlagegesellschaften interessant.

Allgemeiner Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren ist die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit (§§17f InsO) sowie bei juristischen Personen auch die Überschuldung (§19 InsO). Während der Begriff der Zahlungsunfähigkeit vermutlich unmittelbar einleuchtend ist, bedarf der Begriff der Überschuldung möglicherweise einer Erläuterung:

H.B. Nichts GmbH
Aktiva Passiva
 
Eigenkapital 25.000 EUR       Schulden (Fremdkapital) 200.000 EUR
Anlagevermögen 55.000 EUR          
Vorräte 30.000 EUR          
Forderungen 85.000 EUR          
Bargeld (Kasse, Bank) 5.000 EUR          
 
       
 
200.000 EUR 200.000 EUR

Im vorstehenden stark vereinfachten Zahlenbeispiel ist das Eigenkapital einer GmbH aktivisch ausgewiesen. Das hat im wesentlichen einen von zwei möglichen Gründen:

  • Die Schulden sind so stark angestiegen, daß sie den Wert des Vermögens übersteigen, oder
  • der Wert des Vermögens ist so stark gesunken, daß der Restwert des Vermögens nicht mehr reicht, die Schulden zu decken.

Man spricht von einer sogenannten Unterbilanz. Selbst wenn alle Vermögensgegenstände veräußert werden, kann dies das Unternehmen nicht mehr sanieren. Dies entspricht der Definition des §19 InsO:

§19 Überschuldung
   (1) Bei einer juristischen Person ist auch die Überschuldung Eröffnungsgrund.
   (2) Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners ist jedoch die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist.
   (3) […]

Im zweiten Absatz der Vorschrift geht die Insolvenzordnung vom Grundsatz der Unternehmensfortführung (§252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) aus, wenn diese "überwiegend wahrscheinlich" ist, also eine Fortsetzung der Geschäftstätigkeit mit mehr als 50% Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Diese Regel dient der Sanierung des Unternehmens, denn die in dem vorstehenden Beispiel geschilderte Situation muß keinen Absturz der Unternehmung bedeuten – wenn etwa sich die Geschäftslage verbessert, der Wert der Vermögensgegenstände wieder ansteigt oder Geld nachgeschossen wird.

Genau hier macht das Finanzmarktstabilisierungsgesetz eine kleine aber bedeutsame Änderung, indem es den §19 InsO folgendermaßen neu faßt:

§19 Überschuldung
   (1) Bei einer juristischen Person ist auch die Überschuldung Eröffnungsgrund.
   (2) Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.
   (3) […]

Man muß vermutlich zwei Mal hingucken, um die Änderung zu sehen, die hier gemacht wurde: Die Notwendigkeit der Bewertugn der Vermögensgegenstände des überschuldeten Schuldners wurde entfernt. Überschuldung liegt jetzt also nicht mehr vor, wenn die Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit wahrscheinlich ist, ungeachtet der Bewertung des Vermögens. Dies kann eine weitreichende Bedeutung haben.

So bestehen die vermögensgegenstände der Banken nur zu einem kleinen Teil aus Immobilien und anderem Sachanlagevermögen. Vielmehr weisen Bankbilanzen in der Regel immaterielle Vermögensgegenstände in großem Umfang aus – und gerade diese sind ja jetzt vielfach eingestürzt. Beispielsweise würde eine Bank nur dadurch in die Überschuldung geraten, daß ihre milliardenschweren Lehman-Zertifikate plötzlich wertlos werden, nicht aber ihre Schulden. Dies alleine kann die oben in dem Zahlenbeispiel dargestellte Situation darstellen.

Nach der neuen Rechtslage führt dies nicht mehr zur Insolvenz der Bank, wenn ihre Geschäftstätigkeit wahrscheinlich fortgesetzt wird – was aber gerade der Finanzmarktstabilisierungsfonds garantieren kann. Doch von der Vorschrift profitieren auch Nichtbanken, die wiederum durch Spekulations- und andere Kapitalmarktgeschäfte in Schieflage geraten: auch bei Ihnen findet eine Bewertung der Vermögensgegenstände nicht mehr statt. Nur eine Bewertung der Wahrscheinlichkeit der Unternehmenstätigkeit. Das kann auch in ganz anderen Branchen vor der Insolvenz retten – solange die Wirtschaft insgesamt noch funktioniert, so daß eien Fortsetzung der Geschäftstätigkeit möglich scheint.

Die neue Rechtslage wirkt als Entbürokratisierung und Erleichterung. Sie soll Insolvenzen nur aufgrund der Finanzmarktkrise mindestens unwahrscheinlicher machen. Das ist jedoch befristet bis zum 31.12.2010. Danach wird §19 InsO wieder auf den alten Sachstand zurückgesetzt – falls das Problem mit der Finanzmarktkrise bis dahin gelöst ist. Was man indes bezweifeln mag.

Übrigens hat das auch eine bedeutende Auswirkung auf die Kostenrechnung. Hierzu ist an gleicher Stelle demnächst ein Artikel zu finden…

Links zum ThemaFinanzmarktkrise: die geldpolitische Symptomkur | Finanzmarktkrise: drohen uns geldpolitische Zwangsmaßnahmen? (interne LinksGesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsgesetz – FMStG) (externer Link)

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