Beliebte Kammerfehler: Die Nullrentabilität, oder wo die Kröten nicht springen

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Nachdem wir vorgestern Aufgabe 28 auf S. 11 des Übungsbandes "Finanzierung und Investition" im Fortbildungsgang "Geprüfter Technischer Betriebswirt" aufs Korn genommen haben, die einen Kosten- und Gewinnvergleich enthält, riskieren wir heute ein zweites Auge. Und werden prompt erneut fündig, und das auch noch in der gleichen Aufgabe, nur eine einzige Frage weiter.

Rentabilität, so weiß der wohlvorbereitete Prüfungsteilnehmer, ist die Rückkehr des Kapitals zu seinem Herren und Meister, der Return auf die Investition, der Krötensprung. Je höher, desto besser, denn nur ungerne nimmt der Handelsmann statt baarem Gelde Stuhlgang an. Die Investitionsrechnung befaßt sich in weiten Teilen mit der Bemessung dieses Krötensprunges, so daß der Investor in die am höchsten hüpfenden Kröten investieren kann. Das gilt auch für die statischen Verfahren. So weit, so selbstverständlich.

Auch im Rahmen der statischen Investitionsrechnung kann eine Rentabilität ermittelt werden, indem man nämlich das Betriebsergebnis einer Periode in Beziehung zum Umsatz setzt (Umsatzrentabilität) oder zum durchschnittlichen Kapital, das in der Investition gebunden ist (Kapitalrentabilität). Das Ergebnis ist genau der erwähnte Krötensprung, ausgedrückt in Prozent, interpersonell und international vergleichbar, ein ideales Entscheidungsmaß. All das reißt den Leser nicht vom Hocker, und den Prüfungsteilnehmer nicht rein. Wenn da nicht die schon erwähnte Aufgabe 28 wäre, in der die Prüfungslyriker zu erkennen geben, daß sie grundlegende Konzepte nicht verstanden haben.

So wundere ich mich beim Studium des Aufgabentextes nicht schlecht, denn es wird ein Kalkulationszinsfuß von null vorausgesetzt, also der kalkulatorischen Zins vollkommen ignoriert. Begründung: in der anschließenden Rentabilitätsrechnung würde sonst eine "Über-Rentabilität" entstehen. So ein Unfug!

In der Kostenrechnung entsteht eine Rentabilität erst, wenn die eingesetzten Produktionsfaktoren ersetzt sind, denn die Kosten sind die Bewertung der Produktionsfaktoren. Die kalkulatorischen Zinsen bewerten den produktiv eingesetzten Faktor "Kapital". Sie sind daher ein Vermögenszins. Wer sie ignoriert, verzichtet auf den Ersatz für den Kapitaleinsatz, betrügt sich also offenbar selbst. So entsteht eben keine Über-, sondern eine Unterrentabilität. Ein wahrlich seltsames Konzept! Erst wenn die Gesamtkosten gedeckt sind, also ein Betriebsergebnis (und nicht etwa ein Gewinn) entsteht, darf man überhaupt darüber nachdenken, von Rentabilität zu sprechen. Erst nach den Selbstkosten, die auch die kalkulatorischen Zinskosten enthalten, "lohnt" sich eine Investition, springen also die Kröten. Vorher kommen sie nur zurückgekrochen, und das lockt keinen Investor hinter dem Ofen vor.

Solche Elementarfehler kann man vielleicht ignorieren, aber nicht, wenn sie in den offiziellen Lehrmaterialien der Industrie- und Handelskammern zu finden sind. Dann besteht nämlich das Risiko, daß der Quatsch von der Nullrentabilität sich eines Tages auch in Prüfungsfragen wiederfindet, und da hat er nun wirklich nichts zu suchen. Und würde die Rentabilität der in Abschlußprüfungen investierten Teilnehmerkröten ganz erheblich beeinträchtigen, denn niemand käme auf die Idee, eine Kostenvergleichsrechnung ohne Zinskosten zu veranstalten.

Links zum Thema: Unausrottbare Fehler: schon wieder die kalkulatorischen Zinsen | Kostenvergleichsrechnung: wie man Preise drückt und Lieferanten knebelt | Irrungen und Wirrungen der Kostenrechnung: warum Bankzinsen keine Kosten sind | Der kaufmännische Gewinnbegriff: Ohne Moos nix los… | Fehler in IHK-Prüfungen: »gegenwärtig rechnet man…«, oder der Knaller mit der Mindestrentabilität | Unausrottbare Fehler: zum Beispiel die kalkulatorischen Zinsen (interne Links)

Literatur: Zingel, Harry, "Lehrbuch der Kosten- und Leistungsrechnung", Heppenheim 2004, ISBN 3-937473-05-X, Amazon.de

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