Höchste Eisenbahn: Bundesregierung plant besseren Schutz von Kreditnehmern

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Im Zusammenhang mit der Hypothekenkrise sind auch deutsche Kreditnehmer von Zwangsvollstreckung bedroht, und zwar auch dann, wenn sie ihre Zinsen und Tilgungen immer ordnungsgemäß gezahlt haben. Hierbei geht es nicht um die Fälle von Kreditkündigungen durch die finanzierende Bank, sondern um den Forderungsverkauf an Finanzinvestoren wie zum Beispiel Hedge-Fonds. Diese drängen dann ihrerseits selbst zahlungsfähige Kreditnehmer von ihren Gründstücken – unter Ausnutzung einer geradezu unglaublichen Gesetzeslücke.

Es geht also nicht so sehr um Probleme mit der Hausbank. Die darf zwar bei einer wesentlichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse ihres Kreditkunden den bestehenden Kredit fristlos kündigen; wegen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§242 BGB) ist eine solche Kündigung jedoch unzulässig, wenn zwar eine Verschlechterung der finanziellen Verhältnisse des Kunden eingetreten ist, der Kunde aber trotz dieser Umstände die vereinbarten Kreditraten weiter pünktlich zahlt und der Bank hinsichtlich ihrer Forderungen ausreichende Sicherheiten zur Verfügung stehen (Urteil des KG Berlin vom 29.08.2005, Az.: 16 U 113/03). Solche Sicherheiten verschafft sich die Bank aber i.d.R. schon bei Beginn des Kreditverhältnisses durch Restschuldversicherungen, Lebensversicherungen des Kunden – und Grundpfandrechte. Da aber klafft eine Riesen-Gesetzeslücke, die bald zu einer regelrechten Plünderung von Häuslebauern führen könnte. Wenn Berlin nicht handelt.

Das Problem sind die ABS-Transaktionen, bei denen Banken Kredite an ausländische Investoren verkaufen. Diese "Special Purpose Vehicles" (Zweckgesellschaften) erfüllen mehrere Zwecke: sie dienen als Inkassostellen, zahlen der eigentlich finanzierenden Bank aber sogleich die Kreditsumme aus. Dadurch verbessert sich das Rating der Bank, die sich damit selbst günstiger refinanzieren kann. Die Bank hat also ein Interesse an Forderungsverkauf auch nicht-notleidender Darlehen. Die Zweckgesellschaft verbrieft die erworbenen Darlehen und bringt sie auf den Kapitalmarkt, wo sie durch Multiplikatoreffekte gerade die bekannten Probleme im Finanzmarkt ausgelöst haben. Zudem ist die Zweckgesellschaft im Ausland, und meist außerhalb des Konsolidierungskreises. Die eigentlich finanzierende Bank hat damit auch die Kreditrisiken abgeschoben. Und sie hat, was kaum jemand weiß, doppelt verdient. Das hängt mit der Zweckerklärung zusammen. Was aber ist eine Zweckerklärung?

Fast alle Baufinanzierungen sind, wie oben schon erwähnt, grundpfandrechtlich abgesichert. Das Grundpfandrecht ermöglicht der Bank die Verwertung von Haus und Grundstück wenn der Häuslebauer nicht zahlt. Seine Immobilie wird dadurch zur Kreditsicherheit. Diese Besicherung wird im Grundbuch eingetragen, kann aber nicht bei jeder einzelnen Zahlung entsprechend gesenkt werden. Sie wird erst bei völliger Tilgung des Darlehens zur Gänze aus dem Grundbuch gelöscht. Die Zweckerklärung verbindet jetzt das Darlehen mit der Eintragung ins Grundbuch und stellt sicher, daß die Bank nie mehr als den noch offenen Kreditbetrag vollstrecken darf. So weit, so gut.

Nun aber kommt der Forderungsverkauf an eine Finanzinvestorengruppe. Dieser Forderungsverkauf geschieht ohne die zugrundeliegende Zweckerklärung. Die Grundschuld wird damit gleichsam aus dem bestehenden Zusammenhang mit dem ursprünglichen Baudarlehen herausgelöst. Während der Häuslebauer jetzt an den Finanzinvestor seine Kreditraten zahlt, kann die Bank aus dem immer noch auf sie lautenden Grundpfandrecht vollstrecken – und der Häuslebauer zahlt doppelt. Oder geht pleite. Und das ist auch noch allen Ernstes legal. Kaum je hat es eine so große Gesetzeslücke gegeben, die so zur Plünderung von Kreditnehmern geradezu einlädt.

Das Problem betrifft nicht nur private Häuslebauer, sondern auch mittelständische Unternehmen, die für die Errichtung von Gebäuden ebenfalls in aller Regel auf die Banken angewiesen sind. Die Bundesregierung plant daher inzwischen gesetzgeberische Maßnahmen, die für mehr Transparenz und Schutz des Kreditnehmers sorgen sollen. Insbesondere sind geplant:

  • Eine Pflicht des Darlehensgebers zum Angebot nicht abtretbarer Darlehensverträge;
  • die Verpflichtung des Darlehensgebers zu Folgeangebot oder Hinweis auf Nichtverlängerung des Vertrages;
  • eine Pflicht zur Anzeige der Abtretung der Darlehensforderung bzw. des Wechsels des Darlehensgebers;
  • Verbesserung des Kündigungsschutzes bei Grundstücksdarlehen bei geringfügigem Zahlungsrückstand und
  • Verschuldensunabhängiger Schadensersatzanspruch bei unberechtigter Zwangsvollstreckung aus einer vollstreckbaren Urkunde.

Insbesondere der letzte Punkt könnte die Lösung des geschilderten Problemes werden, wenn er denn ausreichend formuliert wird. Das freilich muß erst im Bundesgesetzblatt erscheinen bevor ich es zu glauben vermag, denn bisher hat sich die Bundesregierung ja nicht gerade mit Ruhm bekleckert was den Schutz der Bürger vor Abzocke angeht. Das Thema wurde jedenfalls im Bundesjustizministerium erkannt; ob es auch rechtzeitig zu einer Neuregelung kommt, werden wir sehen. Erstaunlich ist aber, daß es überhaupt so lange gedauert hat, bis die Politik den Handlungsbedarf erkennt: die derzeitige Rechtslage besteht nämlich schon seit 2002.

[Update]: In http://itc.napier.ac.uk/e-Petition/Bundestag/view_petition.asp?PetitionID=577 [Link gelöscht, da Seite nicht erreichbar] (externer Link) gibt es sogar schon eine Petition an den Deutschen Bundestag in dieser Sache. Allen Lesern wird die Unterzeichnung empfohlen. Die Petition ist bis auf den 11. Januar 2008 befristet. Anschließend kann auf der Seite der weitere Fortgang der Sache verfolgt werden.

Links zum Thema: Was sind eigentlich ABS-Transaktionen? | Wie Factoring das Kreditrating verbessert | Basel II und die Hypothekenkrise, oder was lange währt wird endlich Wut (interne Links)

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