Wird es zweifelhaft, daß ein Kunde eine Rechnung bezahlt, so ist der fällige aber nunmehr zweifelhafte Betrag zunächst aus dem Konto "Forderungen aus Lieferungen und Leistungen" an ein separates Konto für zweifelhafte (dubiose) Forderungen abzugrenzen, weil nach §252 Abs. 1 Nr. 3 HGB Vermögensgegenstände und Schulden einzeln zu bewerten sind. Dann aber entstehen die Probleme: wie ist im Laufe eines meist Jahre dauernden Insolvenzverfahrens mit einer solch zweifelhaften Forderung zu verfahren?
Hauptproblem ist hier die sogenannte Verschröderung des Steuerrechts: unter dem damaligen Bundeskanzler Schröder wurde nämlich 1999 das Verbot der Teilwertabschreibung bei vorübergehender Wertminderung eingeführt (§6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG). Zugleich verlangt aber §253 Abs. 3 Satz 1 HGB i.V.m. §253 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 4 HGB aufgrund des Vorsichtsprinzipes aus §252 Abs. 1 Nr. 4 HGB ausdrücklich eine gerade solche Teilweitabschreibung auch bei vorübergehender Wertminderung. Steuer- udn Handelsrecht widersprechen einander also direkt. Wie kann man diesen Widerspruch lösen?
Hier kommt die indirekte Abschreibung ins Spiel: der Teilbetrag der dubiosen Forderung, der voraussichtlich ausfallen wird, wird nicht mehr direkt abgesetzt, denn das ist ja nach Steuerrecht verboten, sondern als Korrekturposten passiviert – die Einzelwertberichtigung (EWB). Die Forderungsposition bleibt damit für die Steuerbilanz bilanziell unangetastet, kann aber für die Handelsbilanz mit der zweifelhaften Forderung verrechnet werden. Dies ist dann kein Verstoß gegen das Verrechnungsverbot des §246 Abs. 2 HGB. Schauen wir uns mal an einem Beispiel an, wie das gehen kann:
Eine Forderung i.H.v. 8.999 Euro, die bereits 19% Umsatzsteuer enthalte (ja, wir sind zukunftssicher!), werde durch Insolvenz des Kunden zweifelhaft. Wir müssen zunächst die offene Forderung abgrenzen:
Euro | Euro | |||
Dubiose Forderungen | 8.999,00 | AN | Forderungen aus Liefer. u. Leistung. | 8.999,00 |
Damit ist zunächst dem Einzelwertprinzip Genüge getan, denn eine Zweifelhafte Forderung ist von anderer Qualität als die an einen ordentlichen Kunden. Der Insolvenzverwalter gibt nun die Auskunft, daß mit einer Insolvenzquote von 40% gerechnet werde, wir also voraussichtlich nur noch 40% unserer Forderung auch wirklich erhalten. 60% des Betrages sind vermutlich verloren und müssen indirekt abgeschrieben und als Korrekturposten passiviert werden. Hier ist bedeutsam zu bemerken, daß die Abschreibung natürlich immer nur den Nettowert der Forderung erfaßt, wir aber den Bruttowert abgegrenzt haben. In den 8.999 Euro Bruttoforderung stecken bei 19% Umsatzsteuer aber 7.562,18 Euro Nettowert und 1.436,82 Euro Umsatzsteuer, die wir ja schon dem Finanzamt vorgestreckt haben. Die 60% Forderungsabschreibung ist also nur auf die Nettosumme vorzunehmen und mit 7.562,18 x 0,6 = 4.537,31 Euro zu berechnen. Und so sieht die Buchung aus:
Euro | Euro | |||
Abschreibung auf Ford. | 4.537,31 | AN | Einzelwertberichtigung | 4.537,31 |
So kann das jahrelang stehenbleiben, während das Insolvenzverfahren vor sich hinbummelt, und wir können jeweils steuerrechtlich die ungeminderte Forderung ausweisen und durch Verrechnung mit der Abschreibung handelsrechtlich die abgeschriebene Forderung präsentieren. Was aber geschieht, wenn das Insolvenzverfahren abgeschlossen wird?
Nehmen wir an, daß die wirkliche Insolvenzquote der Vorhersage von 40% entspreche (selten, aber einfacher zu buchen). Durch Abschluß des Insolvenzverfahrens darf jetzt auch die Umsatzsteuer korrigiert werden – ebenfalls um 60% des Ausgangswertes. Der Restbetrag wird bei Eingang der Zahlung vom Insolvenzverwealter gebucht und die Einzelwertberichtigung aufgelöst:
Euro | Euro | |||
Bank | 3.599,60 | AN | Dubiose Forderungen | 8.999,00 |
Einzelwertberichtigung | 4.537,31 | |||
Umsatzsteuer | 862,09 |
Man bedenke, daß der Zahlungseingang natürlich, wie alle Zahlungseingänge von Kunden (oder ihren Insolvenzverwaltern), stets ein Bruttowert ist, also 40% des Ausgangsbetrages i.H.v. 8.999,00 Euro. Die hier im Soll geminderte Umsatzsteuer ist natürlich ebenfalls 60% der ursprünglichen USt.
Was aber geschieht, wenn die wirkliche Ausfallquote 70% betrage, also die tatsächliche Insolvenzquote auf 30% sinkt? Auch dann ist die Einzelwertberichtigung bei Abschluß des Insolvenzverfahrens aufzulösen, aber es muß zusätzlich ein außerordentlicher Aufwand (§277 Abs. 4 Nr. 1 HGB) ausgewiesen werden. Diese Position erfaßt die zusätzliche (im Beispiel auch periodenfremde) Forderungsabschreibung (im Beispiel i.H.v. 10%), die am Ende des Insolvenzverfahrens entsteht:
Euro | Euro | |||
Bank | 2.699,70 | AN | Dubiose Forderungen | 8.999,00 |
Einzelwertberichtigung | 4.537,31 | |||
Außerordentlicher Aufwand | 756,22 | |||
Umsatzsteuer | 1.005,77 |
Selten schließtlich ist der Fall, daß die Insolvenzquote am Schluß des Verfahrens doch besser ist als ursprünglich gedacht. Erhalten wir beispielsweise noch 75% unserer Forderung, müssen wir also nur 25% abschreiben, so ist die Einzelwertberichtigung zwar ebenfalls bei Abschluß des Verfahrens zur Gänze aufzulösen, aber ein entsprechender Ertrag muß die Korrektur i.H.v. 35% ausweisen:
Euro | Euro | |||
Bank | 6.749,25 | AN | Dubiose Forderungen | 8.999,00 |
Einzelwertberichtigung | 4.537,31 | Außerordentlicher Ertrag | 2.646,76 | |
Umsatzsteuer | 359,20 |
Der Leser ist aufgerufen, sich die hinter dieser Methode stehenden Rechen- und Buchungsverfahren sorgfältig anzuschauen, denn die Prüfer haben das auch getan – und sie wissen, warum. Wer es ausprobieren will, der findet hier einen EWB-Rechner für Excel, der im Vorfeld von Prüfungen und Klausuren wärmstens empfohlen wird. Ein allgemeiner Abschreibungsrechner ist hier zu finden.
[Update 27.11.2006] Wir wurden darauf aufmerksam gemacht, daß die Praxis der Finanzämter hinsichtlich der Korrektur der USt. sich offenbar inzwischen geändert hat. Allgemein ist die USt. zu korrigieren, wenn die Forderung uneinbringlich geworden ist (§17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG). Uneinbringlichkeit ist Nichtrealisierbarkeit des Betrages. Dies kann einerseits schon gegeben sein, wenn ein Zahlungspflichtiger substanziiert die Zahlungspflicht bestreitet; für den vorliegend dargestellten Buchungsgang kann aber auch interessant sein, daß es inzwischen schon eine Rspr. gibt, daß schon bei Eröffnung (Und nicht erst bei Abschluß) eines Insolvenzverfahrens Uneinbringlichkeit einer nicht einredebehafteten Forderung bestehen kann (BFH-Urteil vom 22.04.2004 – V R 72/03). Und offenbar erkennen die Finanzämter in der Praxis USt.-Korrekturen schon bei erheblichen Zahlungsstückungen an – was dem Stpf zweifellos entgegenkommt. An unserem oben dargestellten Buchungsverfahren würde das ändern, daß die USt. schon bei Forderungsabschreibung in voller Höhe auf Null auszubuchen ist; allerdings wird die USt. dann wieder aufleben, wenn am Ende doch noch Geld vereinnahmt wird. Wir danken R. Wegner für den Hinweis auf das BFH-Urteil.
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