Schröder, das Gutenberg-Gymnasium und die stabilisierende Wirkung von Amokläufen

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Bundeskanzler Schröder, der zwar dauernd von »Milliarden für die Bildung« schwafelt aber zugleich die Mittel so zusammenkürzt, daß es kaum noch Bildungsfirmen gibt, hat heute das Gutenberg-Gymnasium hier in Erfurt wieder eingeweiht. An dieser Schule hatte der 19-jährige ohne Abschluß entlassene Schüler Robert Steinhäuser vor drei Jahren bei einem Amoklauf sechzehn Menschen und dann sich selbst erschossen (wir berichteten). Was aber hat uns der Festakt noch zu sagen?

Wie immer liegt die Wahrheit tiefer, und zwar diesmal schon in der reinen Anwesenheit des Bundeskanzlers, und natürlich in den hier ausgegebenen Summen: zehn Millionen Euro soll die Sanierung des alten Schulgebäudes gekostet haben, was ein Hohn ist, bedenkt man den baufälligen Zustand manch anderer Schule in unmittelbarer Nachbarschaft des Gutenberg-Gymnasiums. Böse Zungen könnten auf die Idee kommen, daß jede Schule, der die Mittel zur baulichen Sanierung fehlen, einen ordentlichen Amoklauf bräuchte.

Aber schon die Anwesenheit von Spitzenpolitikern selbst war eine eiwurfverdächtige Übung in Verlogenheit, denn gerade der Bundeskanzler hat den Absturz der Bildung in Deutschland und damit die bekanntlich wenig erfreulichen Ergebnisse der beiden Pisa-Studien zu verantworten. Jetzt aber sonnt er sich im Glanz von zehn Millionen Euro Steuergeldern, während in den Straßen rund um das Gutenberg-Gymnasiums herum zwangsversicherte Arbeitslose versauern, weil ihnen Aus- und Fortbildungsveranstaltungen verweigert werden. So gerecht ist der Zwangsversicherungs-"Sozialstaat"!

In der DDR faselte man dauernd von Frieden und Sozialismus, aber beides hat es nie wirklich gegeben. Heute verbreitet sich die parasitäre Kaste über Milliarden für die Bildung, aber außer einem frisch renovierten Gymnasium mit leerstehendem Betroffenheitstempel unter dem Dach ist nix gewesen: die seit Jahrzehnten überfälligen Reformen des Schulwesens werden nichtmal öffentlich diskutiert. Vom Sterben der Erwachsenenbildung und damit indirekt einer ganzen Generation auf den Fluren der Sozialämter, und also auf dem Müllplatz der Gesellschaft, fangen wie hier lieber gar nicht an.

Unter der Betroffenheitsoberfläche des Gutmenschentums ahnt der BWL-Bote, daß jener unglückliche Tag vor drei Jahren für Deutschland in einer ebenso unglücklichen Weise ausgebeutet werden soll wie jene noch viel unglücklicheren (angeblich) Tausend Jahre von 1933 bis 1945, denn jenen sollen wir auch andauern gedenken – um nicht unserer eigenen Probleme und Sorgen zu gedenken, oder gar Abhilfe und Fürsorge vom Staat zu fordern, was zu bieten doch eigentlich seine Pflicht wäre. So sollen wir jetzt wohl auch dem Amoklauf von Erfurt gedenken und immer dann voll zerknirschter Betroffenheit eine Schweigeminute einlegen, wenn Reformen in der Gegenwart gefordert werden könnten, oder einfach nur angemessene Ausstattungen mit Sachmitteln, Lehrern und Geld. Die Bildung am Arsch der Republik, das ist, was der Amoklauf von Erfurt uns gebracht hat.

Wir brauchen die Terroristen, denn sie erzeugen Angst und Betroffenheit, und beides wirkt regimestabilisierend. Dafür sollte Robert Steinhäuser postum das Bundesverdienstkreuz zuerkannt werden. Das weiß natürlich nicht nur Schröder, sondern auch Merkel, die eiserne Lady aus dem Osten, die es von der FDJ bis vielleicht bald ins Kanzleramt geschafft hat. Es wundert daher nicht, daß auch die CDU, sollte sie bei der Wahl am 18. September siegen, die Bildung ebenso kürzen will wie es Schröder getan hat. Wir haben daher, falls das noch jemand bezweifelt, keinen wirklichen Wechsel, keine wirkliche Wahl. So lange nicht, bis nicht ein wirklicher Amokläufer kommt. Was dann passiert, kann man in Geschichtsbüchern nachlesen. Doch wer lernt heute noch lesen?

Links zum Thema: Schröder: »Milliarden für die Bildung« | Handys, Quake und BMW: Erfahrungsbericht eines Dozenten | Endzeitstimmung bei den Bildungsfirmen | Notprogramm und Gegenrevolution: alternative Vorschläge zur Schulreform | Auch die CDU will die Bildung kürzen – aber warum? (interne Links)

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