Mehrfach berichteten wir, daß mit Hilfe von Maut-Technik Bewegungsprofile von Fahrzeugen erstellt werden sollen. Wir äußerten dabei den Verdacht, daß dies neben der Einnahmenerzielung ("Abzocke") eines der Hauptziele des Mautsystems sei. Wer aber meint, in öffentlichen Verkehrsmitteln der Totalüberwachung des öffentlichen Raumes entgehen zu können, der irrt gewaltig: Bewegungsprofile von Bus- und Bahnfahrern werden nämlich auch schon vorbereitet. Mit RFID-Technik.
So hat T-Systems für öffentliche Verkehrsmittel ein elektronisches Ticketing-System entwickelt, das bundesweit die konventionellen Fahrscheine ersetzen soll. Wie bei den Banknoten ist auch hier das primäre Argument die Fälschungssicherheit, was im Prinzip nachvollziehbar ist, denn Tickets sind viel leichter nachzumachen als Geldscheine. Das Marketing-Argument dürfte aber eher sein, daß der Fahrgast beim Ein- und Aussteigen automatisch erfaßt werden kann, ohne den Fahrschein vorzeigen oder auch nur aus der Brieftasche nehmen zu müssen. Auch das Fummeln mit Münzen und der Streß mit defekten Automaten gehört dann der Vergangenheit an. Abgerechnet wird bequem per monatliche Gesamtabrechnung – kostensparend auch für die Verkehrsverbünde, was eine schnelle Verbreitung des Systems befürchten läßt. Zumal sich neben der Deutschen Bahn AG schon jetzt zahlreiche Verkehrsverbünde dem System angeschlossen haben. Zugbegleiter und ähnliche Mitarbeiter üben schon mal das Ausfüllen einschlägiger Formulare der Arbeitsämter…
Denn aber auch hier bestehen riesige Nebenwirkungen: So sind alle RFID-Fahrscheine ja individuelle einer Person zurechenbar. Der Datenabgleich zwischen den Verkehrsverbünden ermöglicht damit ein komplettes Bewegungsprofil aller Fahrgäste. Entnervende zielgerichtete Marketing-Kampagnen ("Spam-Schlachten", Werbefaxe und -anrufe) werden damit gefördert. Niemand weiß, ob die Daten nicht auch an Arbeitgeber vermittelt werden, die sie in Vorstellungsgesprächen verwenden, oder um Blaumacher zu finden. Viel schlimmer ist noch, daß wer so einen Fahrschein besitzt damit auch außerhalb von Bus und Bahn identifizierbar wird, und keiner weiß, wo noch überall Lesegeräte lauern. Und daß Rabenvater Staat, immerhin ja noch immer alleiniger Aktionär der Bahn (und Eigentümer oder Aktionär vieler weiterer Verkehrsverbünde) Zugriff auf die Fahrgast-Bewegungsprofile hat, versteht sich von selbst. Daß die Daten hier nur zum Auffinden der bösen Terroristen genutzt werden, glaubt freilich höchstens der Anwalt ebensolcher Terroristen, der jetzt die Rolle des Bundesinnenministers gibt.
In Berlin und im Rhein-Main-Verkehrsverbund wird das System schon ausprobiert. Proteste von Datenschützern wie gegen die Überwachung durch das Mautsystem sind mir nicht bekannt. Der deutsche Michel ist tief in seine Schlafmütze vergraben, wie immer.
Links zum Thema: Mit Maut-Technik: Polizei scannt alle Kfz-Kennzeichen | RFID, oder der Spion in der Hose | Neue Banknoten: Will man jetzt auch die Bargeldsparer finden? | »Intelligente Banknoten« mit RFID noch in 2005? (interne Links)