Ein Strategem ist ein abstraktes Denkmodell, aus dem bei unterschiedlichen Sachverhalten strukturell gleichartige Vorgehensweisen abgeleitet werden können. Das Strategem ist also die abstrakte Form, die auf unterschiedliche oberflächliche Phänomene bezogen werden kann. Dies ist eine in der Didaktik und in Prüfungen häufige Figur, wo bekannte Lösungsmechanismen auf unbekannte Probleme angewandt werden sollen, aber auch in der Betriebsführung wichtig, wo durch abstrahierte Lösungsstrategien neuartige Probleme schneller oder besser als durch den Konkurrenten gelöst werden sollen.
Was das bedeutet, illustrieren wir an einem Beispiel: Das Qualitätsmanagement gibt regelmäßige Rundschreiben und Berichte an Betriebsangehörige heraus. Sie wollen wissen, ob ein solcher Bericht auch wirklich genutzt wird. Sie können natürlich die Adressaten geradeheraus fragen, werden aber möglicherweise angelogen, weil man sie nicht enttäuschen oder ihre Arbeit abwerten will. Stattdessen können Sie aber die Herausgabe des Berichtes vorübergehend unangekündigt einstellen und beobachten, ob und von wem die ersten Nachfragen und/oder Beschwerden kommen: so finden Sie zuverlässig die wahren Bedarfsträger, oder (durch ihr Schweigen) auch die, die ihren Bericht gleich in der Rundablage verschwinden lassen. Dieser Verhaltensweise liegt ein Strategem zugrunde, das man als "Kreative Unterbrechung bezeichnen könnte.
Grundgedanke der Strategemtheorie ist stets, verborgene Zusammenhänge aufzuspüren und damit dem Prognostizierenden einen Wettbewerbsvorteil durch tiefere Einsicht zu verschaffen. Oswald Spengler ist vielleicht der Vater dieser Methode. In seinem weltberühmten Buch "Der Untergang des Abendlandes" versuchte er, langfristige historische Entwicklungen in quasi-naturgesetzmäßige Form zu bringen und insbesondere den Übergang von Kultur zu Zivilisation an der Analogie des Verhältnisses Griechenland-Rom und Europa-Amerika aufzuzeigen. Aufgrund dieser Analogie prognostizierte er schon während des Ersten Weltkrieges, daß die Kultur untergehen, die Religion vergessen und der Staat die Beute einzelner Diktatoren werde – mit Blick auf die spätere Entwicklung im Zwanzigsten Jahrhundert eine grandiose Vorhersage.
Ende der Vierziger Jahre versuchte Sedelmayr in "Verlust der Mitte" insbesondere aufgrund der Analyse von Kunstwerken in ähnlicher Weise verborgene Strömungen und damit von diesen getriebene gesellschaftliche Entwicklungen aufzuzeigen.
Aus diesen Anfängen ist der Ursprung der historischen Analogie aus den Geschichts- und Kulturwissenschaften offensichtlich. Dennoch lassen sich die Analogiemethoden, die im geisteswissenschaftlichen Bereich verwendet werden, auch auf die Wirtschaft übertragen, weil Wirtschaft ein Phänomen der Gesellschaft ist und damit auch eines der Geisteswissenschaften.
Sagt man etwa einen allgemeinen Trend zur Ökologie und zur Natur voraus, und prognostiziert man etwa, daß Tiere und Pflanzen in den nächsten Jahren eher Leitbilder des Design werden als Lokomotiven und Flugzeuge, dann hat dies Auswirkungen auf das Produktdesign von Autos und anderen Fahrzeugen, die nunmehr windschnittiger und "runder" gebaut werden. Die Analogie mit einer gesellschaftspolitischen Entwicklung erlaubt damit die Prognose eines neuen Designtyps und damit dem, der diesen zuerst am Markt einführt, einen Wettbewerbsvorteil.
Ähnlich wäre der Versuch einer Analogie zwischen gesellschaftlichen Netzwerken und Computernetzwerken, der die Prognose zulassen würde, daß Menschen dazu tendieren, sich wie Gehirnzellen zu komplexen, im gesellschaftspolitischen Fall aber weltweiten Netzwerken zusammenzuschalten, und daher übernational angebotene Netzdienstleistungen im Internet eine größere Zukunft haben werden als lokal eingesetzte Softwaresysteme. Stanley Milgram und Jeffrey Travers haben in diesem Zusammenhang die Menschheit mit einem großen Peer2Peer-Netz verglichen – was alleine schon ein Grund wäre anzunehmen, daß die von Hollywood so bekämpfte Tauschbörsen nicht mehr totzukriegen sind.
Im betriebswirtschaftlichen Kontext kann man die Rolle von Strategemen einfach beschreiben: ich sehe was, was Du nicht siehst…. Gelingt es mir, eine Einsicht zu erlangen, die einem Konkurrenten fehlt, unterbreche ich beispielsweise die Zustellung von Informationen, um in Wirklichkeit damit zu erfahren, wer diese Daten wirklich braucht, so handele ich in einer Weise, die ein Anderer nicht in seine Denkweise einbezieht (nicht "sieht"), und kann damit einen Wettbewerbsvorteil erzielen. Strategeme sind damit ein wesentliches Element der betrieblichen Entscheidungstheorie, insbesondere der Spieltheorie.
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