Die IHK-Textbände: Warum sie schlecht sind, weshalb man sie dennoch braucht und wo man sie herkriegt

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Im Rahmen des Lehrganges Betriebswirt(in) IHK verwendet die Kammer sogenannte "Textbände" zu den Lehrgangsinhalten, die zumindestens die Teilnehmer dieses Lehrganges an einer IHK genau kennen – sollten, die sie sind prüfungsrelevant. Dieser kleine Beitrag beschäftigt sich mit den Stärken und Schwächen dieser Produkte und gibt Empfehlungen für eine prüfungsorientierte Herangehensweise und Lernstrategie, die auf meiner jahrelangen Lehrerfahrung in diesem Bereich beruht.

Um es gleich vorwegzunehmen: es wird langsam besser. Während die alte Version der Textbände noch versuchte, das Marketing auf 30 Seiten abzuhandeln, ist in den neueren Ausgaben die Substanz erheblich erhöht worden – offensichtlich hat man also die Mängel erkannt (oder wurde darauf aufmerksam gemacht) und ist auf dem Wege des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. Aber ein kleines Produktaudit offenbart noch immer gravierende Schwächen: So versucht auch der aktuelle (mir vorliegende) Band über Finanzwirtschaft und Controlling, letzteres auf ganzen 28 Seiten zu vermitteln und bleibt dabei ganz an der Oberfläche. Die einzigen Rechenverfahren, die überhaupt dargestellt werden, sind die der Deckungsbeitrags- und Break Even Rechnung, und selbst das noch viel oberflächlicher, als es später in der Prüfung abgefragt wird. In anderen Textbänden hat man schon ein bißchen aufgeräumt: So umfaßt der Band über Qualitätsmanagement jetzt schon die wichtigsten Verfahren und Konzepte, leidet aber immer noch an gravierenden inhaltlichen Schwächen: so wird der Name des Malcolm Baldridge Quality Award durchgängig falsch geschrieben, was auf Recherchefehler (und nicht nur Tippfehler) hindeutet, und das demonstrierte Bewertungssdchema ist sechs Jahre alt, oder die Darstellung der Regressionsrechnung (Seite 40) ist unverständlich, wenn man es nicht vorher schon weiß; ebenso wird weder die Herkunft des Namens der Pareto-Analyse erklärt noch sind die seltsamen Linien im Pareto-Diagramm auf S. 41 und die in der Grafik angegebenen Folgerungen daraus verständlich, wenn man nicht schon vorher weiß, was die komische Skizze bedeuten soll.

Dennoch kann (oder besser: sollte) man in bestimmten Fällen nichr darauf verzichten, und warum, das lehrt ein Blick in alte Prüfungen:

  • Im Fach "Qualitätsmanagement" habe ich immer wieder den Verdacht, daß die Prüfungslyriker selbst nicht so richtig wußren, was sie schreiben sollten, und sich daher vor einen solchen Textband setzten, diesen irgendwo aufschlugen und aus dem, was zum Vorschein kam, ein Prüfungsfrage machten. Was sagt uns das? Man muß nicht in der Veranstaltung gewesen sein, aber sehr wohl den Textband gelesen und bis hinunter zur Interpunktion gelernt haben. Dann kann es einfach nicht schiefgehen.

  • Im Bereich "Projektmanagement" scheint es ähnlich zu sein – reproduktive Prüfungen erfordern wenig Denken in Zusammenhängen und eine Menge Auswendiglernen. Plus eine ganz eigenartige IHK-Terminologie mit skurrilen Lieblingswörtern ("Kick-off Meeting" für Projektstartbesprechung) ergibt das eine unverwechselbare Lernerfahrung!

  • Im Teil "Marketing" ist es viel leichter – man muß im wesentlichen die strategischen Verfahren (d.h., die Portfolio-Techniken) draufhaben, und dann kann es nicht ganz danebengehen. Der diesbezügliche Textband hat auch deutlich an Qualität zugelegt, so daß es mit der aktuellen Version keine ganz so entnervende Erfahrung mehr wird wie mit der alten, "grauen" Fassung. Diesbezüglich erinnern wir uns übrigens, daß die BWL-Prüfung zu Beginn aus zwei Fallstudien besteht, einer zu Marketing und einer zu mathematischen Fragen, aus denen der Kandidat auswählen muß: man kann sich also von Anfang an spezialisieren!

  • Hinsichtlich "Controlling" ist auch die aktuelle Version noch immer eine grausige Erfahrung voller Platitüden und "Gelaber", die zudem auch nur schlecht auf das Finale vorbereitet, denn dort geht es viel mehr ans Eingemachte als die schlappe Leistung des Textbandes ahnen läßt. Weitere Literatur und ein Dozent, der im Prüfungsausschuß sitzt und daher die alten Prüfungen kennt, sind dringend erforderliche Erfolgsfaktoren für die Vorbereitung!

  • Schließlich, die Außenwirtschaft: Das Fach "Europäische und internationale Wirtschaftsbeziehungen" war schon immer ein Angstgegner, und nicht ganz zu unrecht, denn solche Knaller wie die Zollschuldberechnung der letzten Prüfung (November 2001) sucht man im Textband vergeblich – übrigens auch im offiziellen Stoffkatalog. Auch eine ganz andere Hürde, nämlich die englischsprachigen Dokumente in der Prüfung, nimmt das Werk nur unvollkommen, indem es einige Beispiele im Anhang zur Verfügung stellt, aber in völlig veralteten Versionen und oft nur in Deutsch bzw. ohne Übersetzung oder wenigstens Vokabelliste zum Lernen. Aktuelle Formulare zum Zollverfahren oder INTRASTAT, wie man sie etwa auf der BWL CD findet (oder wie sie ein ordentlicher Dozent heranschafft), sucht man vergeblich. Auch, daß das Teil noch immer auf dem Vertrag von Maastricht aufbaut, obwohl ja schon seit 1997 der EU-Vertrag in seiner Version von Amsterdam gilt und seit Nizza die Osterweiterung vorangetrieben wird, ist ohne Zweifel ein Mangel, obwohl in der letzten Prüfung von EU-Institutionen kein Wort die Rede war – das kann sich nächstes Mal ja wieder ändern.

 

Daß das ganze Material nach und nach in die neue Schlechtschreibung gebracht worden ist, ist m.E. nach nur ein nachrangiger "Missstand" im Vergleich zu den inhaltlichen Schwächen. Dennoch ist insbesondere in den Fächern "Qualitätsmanagement" und "Projektmanagement" ein intensives Studium der Textbände unerläßlich – im Bereich "Außenwirtschaft" sollte der Textband von aktuellem Material ergänzt werden und im Bereich "Controlling" vielleicht als Kohlenanzünder zum Heizen während der langen Nächte vor der Prüfung Verwendung finden 😉

Wer's jetzt selber wissen will, wendet sich an den W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG, Postfach 10 06 33 in 33506 Bielefeld, Tel. 0521-91101-31 oder Fax 0521-91101-79 oder klickt einfach unten auf den Link, um direkt zu deren Homepage zu gelangen. Übrigens hat auch die BWL CD schon vielen Prüfungsteilnehmern geholfen 🙂 Mehr findet heraus, wer oben auf das Banner klickt!

Update vom 9. Juli 2002: Wie sich inzwischen in zahlreichen Beiträgen im Forum für Betriebswirtschaft sowie in diversen EMails herausstellt, gibt der WBV-Verlag die edlen Werke nicht an Normalteilnehmer ab, sondern nur an die Industrie- und Handelskammern. Wer also keinen guten Draht zu Kammer hat, oder Teilnehmer eines IHK-Lehrganges ist, hat schlechte Karten. Offiziell wird das mit der Konkurrenz zum "normalen" Verlagswesen begründet, was auch die Ursache dafür sein soll, daß die IHK-Textbände keine ISBN-Nummer haben. Ob es aber noch weitere Gründe hierfür gibt, sei dahingestellt. Manche Prüfungskandidaten, die wissen, daß sie die IHK-Hefte gelesen haben sollten, sind jedenfalls schon auf einem regelrechten Schwarzmarkt gelandet – keine gute Voraussetzung für die Prüfung, aber derzeit habe ich auch keine Lösung für das Problem.

Link zum Thema: W. Bertelsmann Verlag (externer Link).

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