Materialwirtschaft: Fallstricke zwischen Stückliste und Gozintograph

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Analytische Verfahren der Mengenplanungen für Einkauf und Produktion enthalten Aufschlüsse über die Zusammensetzung und Mengenverhältnisse von Bedarfsobjekten. Neben den verschiedenen Arten von Stücklisten ist der sogenannte Gozintograph eine beliebte weil besonders anschauliche Darstellungsform. Dennoch verbergen sich heir Fallsticke, die einem Klausurteilnehmer das Fürchten lehren können. Schauen wir mal, wie das geht:

So unterscheidet man die Stgrukturstückliste als direkt aus der Konstruktionszeichnung abgeleitete Gesamtübersicht der physischen Zusammensetzung eines Produktes und die daraus zusammengefaßten Baukastenstücklisten für die einzelnen Produktionsstufen und die Mengenübersichtsstückliste für den Einkauf. Die Materialwirtschaftler haben sich hierfür aber auch eine Visualisierungsform ausgedacht: den Gozintographen. Die anscheinend seltsame Bezeichnung ist vermutlich eine Verballhornung von "Goes-into graph" und bezeichnet eine Skizze, die zeigt, was wo verbaut werden soll. Schauen wir uns das an einem Beispiel an.

Für zwei Endprodukte E1 und E2 werden verschiedene Rohstoffe R1 bis R4 benötigt. E1 erfordert vier Produktionsstufen, besteht also aus vier Baukastenstücklisten, in denen verschiedene Zwischenprodukte Z1 bis Z4 entstehen. E2 hingegen hat nur zwei Produktionsstufen und damit zwei Zwischenprodukte, die aus den gleichen Rohstoffen hergestellt werden:

 

Die beiden Stücklisten

 

Eine beliebte aber noch einfache Aufgabe ist, aus diesen beiden Strukturstücklisten einen Gozintographen abzuleiten. Der Gozintograph zeigt, was in den Stücklisten von unten nach oben in hierarchischer Darstellung gezeigt wird, durch Pfeile. Jeder Pfeil wird mit der Menge beschriftet. Die Pfeile zeigen sehr anschaulich, was wo in welcher Menge verbaut wird:

 

Der Gozintograph

 

Wie die Skizze zeigt, wird i.d.R. in eine Rohstoff-, eine Zwischen- oder Halbproduktebene und oben in die Endproduktebene unterschieden. Die Gozintographendarstellung ist primär wegen ihrer Anschaulichkeit nützlich, aber die Prüfungspoeten haben entdeckt, daß man damit auch eine Menge knackiger Prüfungsfallen stellen kann. Das liegt daran, daß Fehler in den Stücklisten meist auffallen, aber in Gozintographen schwer zu finden sind. Das ist geradezu eine Steilvorlage für knallige Prüfungsfragen. Das folgende Beispiel demonstriert das:

Der Leser möge versuchen, sämtliche Fehler in der folgenden Darstellung zu finden. Die Skizze hat nichts mit dem vorstehenden Beispiel zu tun, ist also nicht aus den oben eingeführten Strukturstücklisten abgeleitet (daher keine Farbdarstellung). Es ist nicht notwendig aber möglich zu versuchen, die Strukturstücklisten zu rekonstruieren. Nur wer alle fünf versteckten Fehler findet, hat die Sache wirklich vertieft verstanden. Die Lösung folgt direkt nach der Skizze. Wer es also selbst versuchen möchte, sollte zunächst nur so weit runterscrollen, daß die Skizze vollständig sichtbar wird, nicht aber der folgende Text:

 

Wo stecken hier Fehler?

 

Folgende Fehler sind in der vorstehenden Skizze auch ohne Kenntnis der zugrundeliegenden Stücklisten zu finden:

 

  • R2 befindet sich in R3: das ist offensichtlich unmöglich. Dies ist das auffälligste und daher am leichtesten zu findende Problem.
  • Z2 befindet sich ein Mal in Z3, aber Z3 steckt zugleich zwei Mal in Z2: das ist eine unzulässige direkte Zirkelbeziehung, sozusagen ein Kurzschluß. Kein Produkt kann aus einer Komponente bestehen, in der es selber schon drinsteckt!
  • Z1 steckt ein Mal in Z2, Z2 dann ein Mal in Z3 und Z3 wiederum ein Mal in Z4 (soweit ok), aber Z4 steckt wiederum drei mal in Z1: das ist eine unzulässige indirekte Zirkelbeziehung, sozusagen ein größerer Kurzschluß.
  • Z3 ist in R4 enthalten: auch das ist unmöglich. Zwischenprodukte werden aus Rohstoffen gefertigt, aber nicht umgekehrt!
  • Schließlich: an der Beziehung von Z2 nach E1 fehlt die Mengenangabe. Nichts in der Produktion geschieht aber ohne genaue Mengenangabe, dennschließlich ist der Sinn der ganzen Sache ja, die Bedarfsmengen zu bestimmen. Auch das ist also ein Fehler.

 

Wer sich demnächst einer Prüfung in Sachen Materialwirtschaft stellen will, soll oder muß, sollte das hier vertieft verstanden haben, denn die Aufgabenautoren wissen, wie schwierig das bisweilen ist, und zaubern prächtige Knallschoten. Auf die muß man aber nicht auflaufen, denn wer das Prinzip kapiert hat, kommt mit den Einzelheiten klar. Es ist, wie immer, eine Frage der Übung. Man muß die Lernkurve kriegen, und das geht nicht in einer Schnellveranstaltung sondern nur mit etwas Fleiß und Willenskraft. Auf der BWL CD befinden sich selbstverständlich weitere Übungen zu diesem Thema, mit denen das ausprobiert werden kann.

Links zum ThemaIndustrielle Disposition | Methoden der Bestellmengenplanung (interne Links)

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