Vor einigen Wochen betrachteten wir an dieser Stelle den IHK-Textband "Finanzwirtschaftliche Steuerung des Unternehmens", der im Lehrplan nach neuer Verordnung und neuem Rahmenstoffplan relevant ist. Auf diesen Artikel erhielten wir viele Zuschriften. Einige Leser haben mich aufgefordert, die gerügten Schwächen im Einzelfall unter Beweis zu stellen. Das tun wir jetzt also mal:
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Grundlage dieses Artikels sind zwei Textzitate aus dem nebenstehenden Textband, die der Leser sich zuerst anschauen sollte:
- Textzitat Seite 61 [500 x 700 px, 208k] mit Einführung der Aktienanleihe (unten) und
- Textzitat Seite 62 [500 x 700 px, 158k] mit einem Beispiel hierzu (ganzseitig).
Zunächst werden auf S. 61 verschiedene Arten von Anleihen dargestellt: Floating Rate Notes, Doppelwährungsanleihen usw. Im unteren Bereich der Seite wird die Aktienanleihe eingeführt, auf ganzen sieben (!) Zeilen. Das reicht natürlich, ein so komplexes Finanzmarktinstrument in die Tiefe zu verstehen. Dies aber ist nötig, um das auf S. 61 unten beginnende und auf S. 62 ganzseitig fortgesetzte Zahlenbeispiel zu verstehen.
Dieses Zahlenbeispiel hat weitere Schwächen. So ist in der Einleitung (S. 61 unten am Anfang des blauen Kastens) nicht klar, warum in dem Beispiel zwei Investoren A und B verglichen werden. Die Erläuterung, daß die Aktienanleihe mit einem reinen Aktiengeschäft ohne Anleihekomponente verglichen werden sollen, kann man erst aus der Erläuterung des Beispieles schließen. Der Leser braucht diese Kenntnis aber am Anfang des Beispieles – wo sie eben gerade nicht vermittelt wird.
Weiterhin wird im Beispiel der Basispreis der Anleiheaktien i.H.v. 34,49 Euro erwähnt, aber nirgends erläutert. Darauf, daß man diese Zahl berechnet, indem man den Nominalwert der Anleihe durch die Anzahl der zu liefernden Aktien dividiert (im Beispiel 1.000 Euro durch 29 Stück = 34,4827586 Euro/Stück), muß der Leser selbst verfallen – und was für eine Rolle dieser Wert in der Grafik auf S. 62 spielt ("Knick" der Aktienanleihe-Kurve), verschweigen die Textband-Autoren ebenfalls. Dies erschwert das grundlegende Verständnis dieses Anlageinstrumentes erheblich.
Ja, die Grafik (auf S. 62): ich muß gestehen, daß ich sie zunächst nicht verstanden habe – so wenig wie die Renditezahlen darüber, denen der Rechenweg fehlt. Das aber wäre gerade verständnisrelevant, denn "die" Renditeformel gibt es nicht. Nur richtige und falsche Rechenmethoden. Welche aber hier die Richtige ist, verschweigt der Textband.
Schon die graphische Aufbereitung der Skizze ist verwirrend: welche Linien stellen Werte dar, welche verweisen auf Erläuterungen? Was bedeuten die Zahlen mit den Bruchstrichen in den Kästen? Und seit wann kann man durch null teilen (links in der Skizze)? Ach so, das ist gar keine Division… sieht aber genau so aus.
Es scheint, daß die Textband-Autoren entweder ihr Fachgebiet nicht in die Tiefe hinein durchdrungen haben, oder ein krasses Mißverhältnis aus gegebenem Platz und verlangter Stoffülle besteht. Für den ersten Verdacht spricht die schlechte Aufbereitung des Beispieles: 29 Aktien auf 1.000 Euro Nominalwert ergeben schwer nachvollziehbare krumme Werte. Hätte man nicht wenigstens hier Ganzzahligkeit anstreben können? Warum wird der Basispreis angegeben aber nirgends erläutert? Haben die Autoren selbst nicht gewußt, wofür der gut ist? Für den zweiten Verdacht spricht die allgemeine Kürze der Erläuterungen: ein so komplexes Finanzinstrument kann man nicht in sieben Zeilen einführen. Dies braucht eine ausführliche Erläuterung mit sachlogischer Herleitung des Nutzens und der jeweiligen Eigenschaften. Das fehlt völlig. Wer nur den Textband liest ist daher nachher so schlau als wie zuvor – aber ein wenig mehr frustriert. Die Dozenten, die dieses Material verwenden, müssen genau wissen, was sie tun. Hoffentlich ist das auch immer gegeben. Die Prüfungslyriker der Aufgabenausschüsse jedenfalls werden ganz gewiß genau wissen, was sie tun.
Wir stellen an dieser Stelle den Aktienrechner für Excel® (Versionen 97 bis 2007, in ZIP-Archiv, 74k) zur Verfügung. Diese Datei ist normalerweise nur Bestandteil der BWL CD, wird an dieser Stelle aber allgemein veröffentlicht. Hier kann der Leser wenigstens die IHK-Beispiele nachrechnen und versuchen, sie durch Ausprobieren zu verstehen. Das ersetzt keinen Unterricht, aber erleichtert das Lernen. Die Datei ist uneingeschränkt funktionsfähig aber kennwortgeschützt. Das Kennwort ist nur den Käufern der BWL CD (und meinen Teilnehmern) bekannt und eröffnet den Zugang zu den Tabellenblattformeln und verborgenen Objekten.
Links zum Thema: Geprüfter Betriebswirt: die Fallen der Finanzwirtschaft oder die notwendige Reform der Reform | Geprüfter Betriebswirt: neue Verordnung, neue Prüfung – neues Spiel, neues Glück | Geprüfter Betriebswirt: Hinweise zum neuen Rahmenstoffplan | IHK-Textbände: wie und warum man sie benutzen sollte | Geprüfter Betriebswirt: was zum Teufel ist eine dynamische Kapitalbedarfsrechnung? | Finanzierungsarten: was Du heute kannst besorgen… (interne Links) W. Bertelsmann Verlag | Die neue Betriebswirte-Verordnung im BGBl (externe Links)