Jetzt da der Sommer sich zum Ende neigt, planen viele Kammern die neuen Betriebswirte-Lehrgänge, und viele Teilnehmer überlegen, welcher wohl für sie der Richtige sein könnte. Der BWL-Bote versucht sich an einer kleinen Entscheidungshilfe bei der Wahl des richtigen Kammerlehrganges. "Geprüfter Betriebswirt" und "Geprüfter Technischer Betriebswirt" sind die höchsten Abschlüsse, die die Industrie- und Handelskammern zu bieten haben. Sie gehören auch zu den höchsten nichtakademischen Fortbildungen überhaupt, und was die Kammern besser können als die Universitäten, haben wir anderswo schon dargelegt. Ein wenig persönliche Karriereplanung kann also lohnen, wenn man nur bereit und fähig ist, den damit verbundenen Aufwand an Willenskraft und Zeit konsequent durchzuhalten. Diese Fragen sollte sich jeder zuerst stellen? Schaffe ich es, so lange auf Urlaub und Freizeit so weitgehend zu verzichten? Unterstützt mich meine Familie? Kann ich die finanziellen Belastungen (Verdienstausfall, Lehrgangsgebühren usw.) tragen? Wer hier verneint, läßt es besser gleich, denn Vorsicht ist, wenn man vorher denkt was nachher nicht passieren soll. Und es vorher abzublasen tut weniger weh als es mittendrin abzubrechen. OK, wir meinen es also ernst. Dann wäre wichtig zu wissen, was der grundlegende Unterschied zwischen "Betriebswirt" und "Technischem Betriebswirt" ist. Hier ist ein ausführliches Studium der hoffentlich zur Einsicht in der Kammer bereitliegenden Rahmenstoffpläne bedeutsam. Dann stellt man fest, daß der "Geprüfte Betriebswirt" sich an mittlere Führungskräfte mit Personalverantwortung und der "Geprüfte Technische Betriebswirt" an technische Fachkräfte mit Entscheidungskompetenz im Investitionsbereich richtet, was ein erheblicher Unterschied ist. Der "Geprüfte Betriebswirt" hat viel mehr mit qualitativen- und mit Marketing-Konzepten zu tun, der "Geprüfte Technische Betriebswirt" eher mehr mit Rechnungswesen und Controlling. Der eine eher strategisch-qualitativ, der andere taktisch und rechnerisch: Auch wenn der Unterschied nach der Reform der Rahmenstoffpläne in 2006 kleiner geworden ist, ist der Technische Betriebswirt doch eher die dienende und der Geprüfte Betriebswirt eher die führende Stellung. Mit dem Lehrgang "Geprüfter Technischer Betriebswirt" muß man schon vorher Techniker sein – technologische Inhalte werden nicht vermittelt, sondern vorausgesetzt. Aber man qualifiziert sich in kaufmännischer Hinsicht. Als "Geprüfter Betriebswirt" ist man eher der Vorgesetzte des Technikers mit breiterer kaufmännischer Qualifikation. Schwerer sind beide Lehrgänge mit den neuen Stoffplänen geworden (wir berichteten), was aber dem Ansehen der Absolventen mittel- bis langfristig dienlich sein könnte. Das der "Geprüfte Technische Betriebswirt" im Grunde eine Doppelqualifikation ist, hebt ihn übrigens von Ansehen und angestrebter Positionierung in der betrieblichen Hierarchie nicht über den "allgemeinen" Betriebswirt hinaus. So zu denken, ist naiv. Das hat viel mit der generellen Geringschätzung technischer Berufe in Deutschland zu tun. Man mag dies bedauern oder nicht, aber ändern kann man es nicht. Diese Geringschätzung ist übrigens im Westen ausgeprägter und tiefer verwurzelt als im Osten: konnte in den alten Bundesländern ein ordentlicher Jurist oft kaum einen Nagel selbst in die Wand schlagen, mußten sich früher im Westen alle mit bekanntlich oftmals mangelhaften Ostprodukten herumschlagen. Das förderte technisches Verständnis und manuelles Geschick. Und die Verachtung des Technikers wächst in unserer Gesellschaft grüner Bedenkenträger leider noch weiter. Am Ende sollten solche hierarchischen (oder gar politischen) Überlegungen aber für die Wahl eines Lehrganges und damit die Weichenstellung des weiteren persönlichen Lebensweges auch viel weniger ausschlaggebend sein als die eigenen Stärken und Schwächen und der erwartete berufliche Erfolg nach erfolgreichem Abschluß. Hierüber aber muß man sich ohnehin klar sein, ganz gleich, was für eine Fortbildung man angeht. Auch wenn insbesondere der "Geprüfte Betriebswirt" seit dem neuen Rahmenstoffplan schon viele Inhalte des Bilanzbuchhalter-Lehrganges aufgenommen hat, besteht zwischen beiden noch immer ein himmelweiter Unterschied. Bilanzbuchhalter brüten nur über Gesetzen und Richtlinien, die bis zum Prüfungserfolg zu inhalieren eine beträchtliche kognitive Leistung darstellt. Juristen müssen traditionell viel mehr auswendig lernen – und knallharte Prüfungsknallschoten, die Transferwissen und unkonventionelle Lösungsansätze erfordern, sind da viel weniger relevant als die Kenntnis hunderter Einzelvorschriften und ihrer Anwendung in zum Teil eher theoretischer ("weltfremder") Art und Weise. Die Defacto-Schnittmengen zu den anderen Lehrgängen sind daher dennoch eher klein. Die Bilanzbuchhalter bilden deshalb vielfach eher eine Kaste für sich – die übrigens fast ausschließlich weiblich ist. Alte Rollenvorurteile oder nicht: Männer haben bei den Bilanzbuchhalter-Lehrgängen Seltenheitswert, bleiben bei den Technischen Betriebswirten aber meist unter sich. Auch das kann für manche ein Kriterium sein. Eine Etage niedriger angesiedelt sind übrigens die Fachwirte-Lehrgänge. Deren Absolventen finden sich oft einige Jahre später in den Betriebswirte-Lehrgängen wieder, was im Grunde sinnvoll ist. Einige Kammern versuchen derzeit, die Fachwirte- und die Betriebswirte-Inhalte in einem einheitlichen Lehrgang zu kombinieren, also den Fachwirt und den Betriebswirt in einem Abwasch zu vermitteln und in zwei Prüfungen zu zertifizieren. Am Ende hat der erfolgreiche Absolvent also den Fachwirte- und zugleich einen Betriebswirte-Abschluß. Das scheint theoretisch sinnvoll; ob es auch praktisch wirkt, wird in der Zukunft hier im Boten zu lesen stehen. In kaufmännischen Fächern bietet sich die Kombination jedenfalls an, weil die Schnittmengen groß sind. Engpaß- und Break Even Rechnung, Kalkulation und bilanzielle Bewertung von Vermögen und Schulden – das müssen Absolventen beider Fortbildungen vorwärts wie rückwärts durchdeklinieren können. Die Unterschiede liegen nur im Schwierigkeitsgrad. Anders ist es beispielsweise in den rechtswissenschaftlichen Fächern, bei denen die Fachwirte meist "nur" auf Vorschriftenkenntnis geprüft werden, die Betriebswirte hingegen schon recht weitreichende Rechtsgutachten mit vielen verborgenen Fallstricken erstellen müssen. Beides unter einen Hut zu bringen ist vermutlich ziemlich anspruchsvoll; zum praktischen Erfolg werde ich mich an dieser Stelle in der Zukunft auslassen (einschlägige Erfahrungen stehen hier vor Ort in 2007/08 an). Wer es jetzt wissen will, sollte über die Wahl der richtigen Bildungsfirma nachdenken. Auch in diesem Markt treiben sich leider eine ganze Zahl von unseriösen Anbietern herum. Die grundlegende Wahl der richtigen Fortbildung muß also um die Wahl des richtigen Anbieters ergänzt werden. Paßt beides nicht zusammen, kann man den besten Lehrgang erfolgreich in den Sand setzen, und mit ihm viel Zeit und Geld. Doch darüber konnte man schon früher mehr an dieser Stelle lesen, so daß ich mich jetzt nicht wiederhole. Daß die Kammern als prüfende Organisation auch als Veranstalter der jeweiligen Fortbildungen einen Marktvorsprung haben, versteht sich von selbst. Freilich ist auch aus diesem Bereich bisweilen Kritik zu hören. Wir empfehlen übrigens wie immer, Postings im Forum für Betriebswirtschaft zu schreiben. Das ist kostenlos, aber nicht umsonst: Fragen zu Lehrgängen und ihren Anbietern werden nämlich oft ausgiebig und bisweilen heiß diskutiert. Der Leser kann also unterschiedliche Meinungen abwägen und sich ein Bild aus vielen Quellen machen – und einen besseren Rat kann auch der BWL-Bote nicht geben, auch nicht nach mehreren Jahrzehnten Lehr- und Kammererfahrung. Links zum Thema: Der olle Willi, oder was die IHK besser kann als eine Universität | Vom Wochenende in den Opportunitätskosten, oder die Zeitnöte der berufsbegleitenden Fortbildungen | Eine neue Alleinstellungsstrategie bei den IHK-Prüfungen? | Schwarze Schafe: Hinweise zur Wahl der richtigen Bildungsfirma | Forum für Betriebswirtschaft (interne Links) |