Von Bildung, Macht und neuen gesellschaftlichen Leitbildern

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Anders als die meisten Tiere kommt der Mensch hilflos zur Welt, entwickelt sich dann aber durch Geist und Technologie zum Herrscher über Natur und Welt – ganz gemäß Gottes Auftrag, sich die Erde untertan zu machen, 1 Mose 1, 28. Diesen Auftrag erfüllen heute die Wissenschaft und ihr ausführender Arm, die Industrie. Sie erforschen und entdecken immer neue Naturgesetze, mit deren Hilfe sich entlang der von der Natur zum Menschen führenden Wertkette aus Gütern mit potentiellem Nutzen marktfähige Produkte mit tatsächlichem Nutzen machen lassen.

Der oft gescholtene Markt mag dabei nicht der optimale innergesellschaftliche Austauschprozeß sein, aber er ist der einzige, der immerhin einigermaßen funktioniert, wenn man ihn nur läßt. Der dezentrale Austausch nützlicher Produkte aufgrund der individuellen Nutzen- und Bedarfsfunktionen als fundamentales gesellschaftliches Ordnungsmodell hat bisher den größten Erfolg unter allen alternativen Entwürfen erzielt. Das Versagen der zwei historischen Diktaturen des vorigen Jahrhunderts alleine in Deutschland, und das Versagen der gegenwärtigen ökologistischen Ideologie auf der ganzen Welt beweisen eindrucksvoll, daß es keine Alternative zum Markt gibt, auch wenn viele Ewiggestrige immer noch davon träumen.

Da der Mensch – anders als alle Tiere – nicht im wesentlichen instinktgeleitet handelt, sondern sich selbst reflektieren und zukünftige Umweltzustände planen und gezielt herbeiführen oder abwenden kann, ist Bildung immer als bedeutungsvolle Nutzung von Informationen definiert, oder etwas platter gesagt, aus der Nutzbarkeit von Erkenntnissen heraus determiniert. Gebildet ist, wer die Herrschaft des Menschen über die Welt vertiefen und daraus Nutzen ziehen kann. Da dies nicht zufällig geschieht, sondern planvolles Handeln voraussetzt, sind absichtsvolle Selbstreflexion und also geistige Durchdringung der Welt und des Ichs eine Grundvoraussetzung. Dies ist der auf Friedrich Wilhelm Christian Carl Ferdinand von Humboldt (1767-1835) zurückgehende Kernbegriff einer jeden Bildung.

Das biblische Motiv des sich untertan machen der Welt setzt aber implizit stets Expansion voraus, also die fortgesetzte Ausweitung des menschlichen Machtbereiches. Dies ist ein seit Jahrhunderten zu beobachtendes Grundmuster der Wirtschaftsgeschichte: immer dann, wenn eine Nationalökonomie sich in neue Territorien ausdehnt, sei dies mit friedlichen oder militärischen Mitteln, dann prosperiert sie. Das kann eine räumliche Ausdehnung wie etwa in den deutschen Osten oder in überseeische Kolonialgebiete meinen, die Erschließung neuer Rohstoffquellen (Goldrausch, Ölboom) oder eine Ausdehnung in die Tiefendimension neuer Naturgesetzmäßigkeiten, z.B. durch neue Produktionsverfahren und Produkte. Chemieindustrie, Elektrifizierung, Verbrennungsmotoren und Computertechnik sind damit ebenso wenigstens indirekt religiös motiviert wie Kriege, Eroberungen und Völkermorde. Besonders letztere werden heute nicht mehr hochgeschätzt, waren aber gleichwohl für den Wohlstand der siegreichen Nationen bestimmend. Für manche historische Ereignisse zahlen wir sogar noch immer Reparationen. Dabei wäre die nächste zu schlagende Schlacht direkt über uns, denn die Grenzen des Wachstums erblickt, er in einer klaren Winternacht in den Sternenhimmel schaut – und die Himmelskörper wirtschaftlich nutzbar zu machen hätte zudem den Vorteil, auf der Erde umwelt- und sozialverträglich zu sein, da es ohne Umweltkatastrophen und ohne Völkermord möglich wäre. Gewollt wird es freilich nicht, denn man hat, wie wir bereits anderswo darstellten, die Expansion als Grundmotiv menschlichen Handelns aufgegeben und insbesondere um weitere Ausdehnung des Menschengeschlechtes zu verhindern, die Raumfahrt faktisch eingestellt.

Alle bisherigen Expansionsprozesse der Wirtschaftsgeschichte brachten nämlich Unsicherheit für die politische Führung einer Gesellschaft. Venedig verkam von einer Führungsmacht, die den Handel bis nach China kontrollierte zu einem Freilichtmuseum als man den Seeweg nach Indien entdeckte (und damit die Landrouten der Italiener umgehen konnte) und Weltreiche entstanden entlang der Handels- und Verkehrswege. Kaum auszudenken was den heutigen Regierungen (Regimen) blühen würde gäbe man zu, daß nicht nur Rohstoffe in nachgerade unerschöpflicher Menge sondern auch Artefakte rezenten oder gar gegenwärtigen außerirdischen Lebens längst entdeckt worden sind: nichts könnte eine US-Regierung ganz gleich unter welchem Präsidenten mehr destabilisieren als einfach nur zuzugeben, daß wir keineswegs alleine sind. Kein Wunder also, daß man mit einem heißen Abriß des World Trade Centers neue Angst und einen neuen Kriegsgrund schaffen mußte, um Kräfte zu binden und politische Stabilität zu gewährleisten – und das Denken und Wollen noch für ein paar Jahre zu kontrollieren.

Interessanter noch ist das dahintersteckende Motiv. Anders nämlich als frühere Revolutionen, die auf die Abschaffung des Bestehenden zugunsten von etwas Neuem drängten, allen voran die von 1789, zielen die derzeitigen konservativen Kräfte gerade nicht mehr auf Expansion und Ausdehnung, sondern auf Beschränkung, Verknappung, Rationierung und Bewahrung des Bestehenden zur Sicherung ihrer eigenen Macht. Induzierte Ängste vor behaupteten Naturkatastrophen gehören ebenso dazu wie der permanente Abbau politischer und bürgerlicher Freiheiten durch immer neue Kontrollen, Überwachungen und politisch-ideologische Zwänge. Sie haben damit den bisherigen Revolutionsbegriff geradezu in sein Gegenteil verkehrt: statt einer Revolution, die alte Zwänge zerschlägt und das Volk befreit, ist die grüne Revolution gleichsam eine Konterrevolution gegen die Zukunft, die Technik, die wirtschaftliche und politische Expansion und die sie tragende Bildung, also gegen die Freiheit des Individuums und des Volkes.

Kein Wunder also, daß Wilhelm von Humboldt zum Intimfeind aller Bildungsreformer avanciert ist, denn die Welt geistig zu durchdringen und verborgene Zusammenhänge zu erkennen bringt stets auch geistige Autonomie und damit Unregierbarkeit des Individuums herbei, aber nichts fürchten die derzeit Mächtigen so sehr wie gebildete Menschen, die ihre eigenen Ziele erreichen wollen anstatt sich außengeleitet von Moden, Meinungsmachern und diesem unerträglichen zeitgeistigem Öko-Schwindel fernsteuern zu lassen. Ruhe ist bekanntlich erste Bürgerpflicht: Es wundert also nicht, daß auch der akademische Bildungsbereich, traditionell das gefährlichste Segment, immer mehr zum Ziel reformerischer Bemühungen geworden ist, die aber gerade nicht mehr wie einst auf die Freiheit der Lehre und der Forschung, sondern auf die Kontrolle darüber gerichtet sind. Der unter der Flagge der Menschlichkeit auftretende Konformitätsdruck der political correctness führt dabei immer mehr Denkverbote ein und entsorgt ganze Fachgebiete wie Gen-, Nano-, und Kerntechnik. Kein Wunder also, daß Wissenschaftler und Lehrende sich immer mehr mit „Gendering“ und „Wissensbilanzen“ befassen sollen anstatt mit ihrem Fachgebiet. Forscher, die sich mit sich selbst anstatt mit der zu beherrschenden Welt befassen, sind für das Regime ungefährlich, so die einfache Wahrheit. Brain Drain ist also erwünscht, nur zugeben mag das keiner in der parasitären politischen Kaste.

So zeigt sich aber auch, daß das Leitbild still und heimlich ausgetauscht worden ist: vom Menschen, der sich die Erde untertan macht, also vom utilitaristischen Leitbild des Nutzens und des Wachstums, das unweigerlich zur Freiheit und Unabhängigkeit führt, sind wir zum Ziel der statischen Gesellschaft gekommen, in der pseudowissenschaftliche Kaderorganisationen der Politik und übernationale Großbürokratien wie das IPCC die Interessen der Finanzwirtschaft auf Kosten von Freiheit, Wachstum und Wohlstand wahren. Wir expandieren und gedeihen nicht mehr, sondern werden zu einer bewegungslosen Masse in der Schockstarre der Öko-Horrolügenmärchen. Viele Diktatoren der Vergangenheit haben von einem solchen statischen Endzustand der Geschichte geträumt und wir haben es fast erreicht, endlich am Ziel. Aus Gottes Gebot, sich die Erde untertan zu machen, wurde das politische Gebot der Öko-Profiteure, sich den Nächsten untertan zu machen: Mautsysteme und Emissionshandel statt neuer Raketenmotoren und einer bemannten Mondbasis, Krötentunnel statt Brennstoffkreislauf, Armut, Verteuerung und Rationierung statt billiger Energie und wirtschaftlichem Fortschritt: bete und arbeite, andere wollen von Dir leben. Das ist das neue Leitbild dieser Gesellschaft. Das Mittel, dies zu erreichen, ist die Geringschätzung der Bildung: wird aus dem Volk der Dichter und Denker eine online kontrollierte und pro Nutzungsvorgang abgerechnete Informationsgesellschaft, lassen sich politische Ziele erst in den Köpfen und dann in der Wirtschaft verankern. Das ist subtiler als der bisweilen doch etwas brachiale Ansatz früherer Diktaturen, aber es ist immer noch eine Diktatur.

Dies bringt uns zum traurigen Schluß der Analyse, denn die Geschichte zeigt, daß Diktaturen langlebiger sind als freiheitliche Systeme. Es hat mehr als ein Menschenalter gebraucht, das totalitäre Sowjetsystem zu überwinden, und derzeit wird es in der EUdSSR neu errichtet. Die DDR währte immerhin noch über vierzig Jahre, die aber mit einer Alternative gleich vor dem westlichen Gartenzaun. Das heutige ökologistische Modell ist aber weltweit, ohne direkt sichtbare Alternative jeden Abend auf dem Fernsehbildschirm wie einst im Westprogramm.

Auch der Ökologismus währt nicht ewig, aber vermutlich währt er noch lange. Solange Schulabgänger nicht mehr rechnen können, dafür aber an Killerspielautomaten zum Töten trainiert in die Armee eintreten, solange Erwachsene die Prozentrechnung nicht mehr beherrschen aber den ganzen Tag Klingeltöne herunterladen, so lange Fortbildungsteilnehmer ihren Dozenten auffordern, etwas zu diktieren (all das selbst erlebt!), so lange wird das derzeitige Gesellschaftssystem sicher vor jeglicher Veränderung sein. So lange können Regierungen, wie auch imemr sie heißen mögen, uns hemmungslos abzocken. Angst, Dummheit und Armut sidn die fundamentalen Herrschaftsmechanismen unserer Zeit, das ist das Fazit. Das ist traurig, denn es bedeutet, daß die verpaßte Chance von 1989 so schnell nicht wiederkommt, aber es ist leider das Ergebnis dieser Analyse. Wenn nicht die Leser sich entschließen, den Autoren dieser Zeilen Lügen zu strafen…

Links zum Thema: NS-Zwangsarbeiterentschädigungen: von der fortwirkenden Bußsucht und ihrem Nutzen | Gesellschaftliche Metatrends: von der Analyse verborgener Entwicklungen zur mittelfristigen Prognose | Wovor die Mächtigen sich wirklich fürchten | Hal R. Varian, »Intermediate Microeconomics«: Wie ein Verlag einen Autor kastriert (und das Studium erschwert) | Wo es rückwärts vorwärts geht: über Produktivität, Knappheit und Herrschaft (interne Links)

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