Alle Jahre wieder nehmen Teilnehmer am beliebtesten betriebswirtschaftlichen Quiz der Nation teil, und immer wieder sind einige von ihnen nachher mit dem Ergebnis unzufrieden. Manche von diesen legen Rechtsmittel ein in der Hoffnung, damit das Resultat noch verbessern zu können – insbesondere wenn es schon mehrfach nicht gewirkt hat und das vielleicht die letzte Chance war. Dieser Artikel gibt Hinweise für den Kampf mit den Kämmerlingen.
Aber um es gleich vorwegzunehmen: als Mitglied zahlreicher Prüfungsausschüsse bin ich nicht die Lösung, sondern Teil des Problems. Für Hilfe bei Einsprüchen, insbesondere für Gutachten und ähnliche Leistungen, stehe ich daher nicht zur Verfügung. Nein. Als Prüfer (und Auftragnehmer der Kämmerlinge) bleibe ich neutral. Allgemeine Ratschläge sind aber erlaubt. Nach dieser Predigt kommen wir also zum gemütlichen Teil:
Anwendbare Rechtsquellen sind zunächst allgemein das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und speziell die jeweils dem Lehrgang zugrundeliegende Prüfungsverordnung. Die Bekanntgabe des anzufechtenden Prüfungsergebnisses ist ein Verwaltungsakt (§35 VwVfG). Bei offenbaren Unrichtigkeiten wie Schreib- oder Rechenfehlern oder Personenverwechslungen ist eine Korrektur schon nach §42 VwVfG geboten und bedarf keines Einspruches. Das ist aber selten, denn meist geht es ja um abweichende Einschätzungen hinsichtlich des Prüfungsergebnisses. Die hat der Teilnehmer meist bei einer Einsichtnahme erfahren, denn die Prüfer schreiben ihre Kommentare gerne an den Rand neben die Ausführungen der Teilnehmer. Dort kommunizieren auch Erst- und Zweitprüfer miteinander, was oft Einblick in deren Denkmuster gewährt.
Wer gar nicht mit seinem Prüfungsergebnis einverstanden ist, kann Widerspruch einlegen (§§68 ff VwGO). Der Widerspruch eröffnet das Vorverfahren und sollte (muß aber nicht) kostenlos sein. Er ist binnen eines Monats ab Bekanntgabe der Ergebnisse an die den Verwaltungsakt erlassende Behörde (also an die jeweilige IHK) zu richten, und muß den angefochtenen Tatbestand und eine Begründung enthalten. Natürlich empfiehlt es sich, Belege für die Anfechtung wie Auszüge aus Büchern, Quellenverweise, Internetlinks oder Gutachten vorzulegen. Bisweilen wurden an dieser Stelle einzelne Prüfungen bzw. zugehörige Lösungen der IHKen kritisiert; ob diese Kritiken als Argument gegen eine dem (u.U. unrichtigen) offiziellen Lösungsvorschlag folgende Benotung taugen, wurde meines Wissens noch nicht ausprobiert. Wir haben jedenfalls alle an dieser Stelle vorgetragenen Kritiken sorgfältig und nachvollziehbar begründet.
Die jeweilige Kammer wird den angefochtenen Verwaltungsakt vollständig erneut durch andere Prüfer bewerten lassen, sich also nicht auf den angefochtenen Sachverhalt beschränken. Dabei kann natürlich auch ein neuer Sachverhalt, der zuvor möglicherweise zugunsten des Prüfungsteilnehmers übersehen wurde aufgedeckt und zuungunsten des Prüfungsteilnehmers geändert werden ("Verböserung"), etwa ein bislang übersehener Fehler in der Lösung des Prüfungsteilnehmers. Eine Beschränkung nur auf den angefochtenen Tatbestand gibt es nicht. Ich kann aber (aus eigener Erfahrung) versichern, daß solche Widersprüche ernst genommen und sorgfältig und unvoreingenommen bearbeitet werden. Die Kammer ändert die angefochtene Prüfung oder erläßt einen Widerspruchsbescheid. Erst wenn da kein Ergebnis herauskommt, mit dem der Prüfungsteilnehmer zufrieden ist, kann er vor das Verwaltungsgericht ziehen.
Beschwerdeführer (und Kläger), die inhaltlich keine Chance sehen, versuchen oft formale Kriterien anzufechten. Das kann insbesondere ein Weg sein, eine zum dritten Mal (also endgültig) vergeigte Prüfung doch noch einmal wiederholen zu können. Leider gibt es nicht viele formale Fehler, die sich hierfür eignen. Umsichtige Prüfer fragen bei mündlichen Prüfungen stets als erstes, ob der Prüfungsteilnehmer denn bei ausreichend guter Gesundheit sei, und protokollieren die Antwort auf diese Frage. Wer bejaht, kann sich später nicht mehr auf Krankheit berufen, auch nicht mit ärztlichem Attest. Allerdings kann es auch Sinn machen, nach Fristversäumnissen zu suchen: eine zu spät zugestellte Einladung zur Prüfung könnte beispielsweise ein Nichtigkeitsgrund sein, muß aber beweisbar sein.
Insgesamt ist das Verwaltungsverfahren, ob gerichtlich oder nicht, kaum ein guter Weg, es doch noch zu schaffen. Prüfer entscheiden meist nach dem Grundsatz, im Zweifel stets für den "Angeklagten" zu benoten. Es ist üblich (aber nirgendwo vorgeschrieben), bei Leuten, die es gerade eben nicht schaffen, noch irgendwo nach Punkten zu suchen, um sie über die Hürde zu heben – zur Not auch mit einem zugedrückten Auge. Da öffnen aber auch spätere Rechtsmittel kaum noch Spielräume. Aus gutem Grund gibt es eine Erst- und eine Zweitprüfung: Fehler eines Prüfers sollen vom anderen gefunden werden. Nicht zufällig haben IHK-Prüfungsteilnehmer keinen Namen, sondern nur eine Nummer. Und mündliche Prüfungen finden nur vor mindestens drei Prüfern statt – um auch persönliche Mißgunst und Voreingenommenheit erkennen zu können.
Wie kommt man zu den Symphonikern? Richtig, üben, üben, üben. Auch bei den Betriebswirten ist es nicht eigentlich anders: Ohne Fleiß kein Preis, per aspera ad astra: zum Erfolg gibt es keinen Lift, auch keine verwaltungsrechtliche Hintertür. Nur wer glaubt, daß die Kämmerlinge wirklich einen Bock geschossen haben, sollte das versuchen. Dem Rest ist nur die Treppe zum Erfolg zu empfehlen, auch wenn die lang und steil ist.
Link zum Thema: Neues Spiel, neues Glück: Der BWL-Bote wünscht viel Erfolg in der Prüfung! (interner Link)