Aktienrechtliche Rücklagen nach §150 AktG, ein Prüfungsknaller

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Die Eigenkapitalrechnung der Aktiengesellschaft war schon immer bei den Prüfungslyrikern beliebt, denn anders als die Bilanz der Personengesellschaften hat sie ein nach §266 Abs. 3 HGB feststehendes Schema, das wenig Interpretationsspielraum in Prüfungen läßt, es also dem Prüfer leicht macht, fair und präzise zu sein. Anders als die GmbH hat die AG ferner Sondervorschriften zu Bewertung und Ausweis, zum Beispiel in §150 AktG. Diese Vorschrift ist ein Liebling der Prüfungslyriker. Schauen wir mal nach, weshalb.

Zunächst ist wichtig, die Rücklagen von den Rückstellungen abzugrenzen, denn schon hier werden viele Fehler gemacht. Was aber ähnlich klingt, kommt noch lange nicht aus demselben Stall: während eine Rücklage ein Teil des thesaurierten, also einbehaltenen Eigenkapitals ist, ist eine Rückstellung einer der Höhe und/oder Zeit nach ungewisse Schuld (§249 HGB), also ein Teil des Fremdkapitals. Hier aber geht es nur um die Rücklagen, nicht die Rückstellungen.

Ferner unterscheidet man im Aktienrecht zwei Kategorien von Rücklagen: Kapital- und Gewinnücklagen. Während Kapitalücklagen durch Überpari-Emission entstehen, also durch die Augabe von Anteilsscheinen über ihrem Nennwert (§272 Abs. 2 HGB), sind Gewinnrücklagen aus einbehaltenen Gewinnen zu bilden.

Es gibt vier Arten von Gewinnücklagen: satzungsgemäße, also solche, die beliebig durch die Satzung der AG festgelegt sein dürfen, "andere", über deren Art und Höhe operativ entschieden werden kann, Rücklagen für eigene Anteile i.S.d. §70 Abs. 2 Satz 2 AktG und gesetzliche Rücklagen nach §150 AktG. Die Rücklagen für eigene Anteile sind aus Gründen des Gläubigerschutzes zu bilden, wenn die AG eigene Anteilsscheine erwirbt. Das ist normalerweise verbuten, aber §70 Abs. 1 AktG enthält einen Kataloig von Ausnahmegründen. Tritt ein solcher Ausnahmefall ein, dann ist die Rücklage für eigene Anteile zu bilden, um die Schutzwirkung des Aktienkapitals zu erhalten, denn die eigenen aktivisch ausgewiesenen Anteile verrechnen sich faktisch mit dem Eigenkapital und stellen damit keine Haftungssubstanz mehr dar.

 

  A. Eigenkapital Euro
  I. Grundkapital 200.000
  II. Kapitalrücklage 8.000
  III. Gewinnrücklagen  
    1. gesetzliche Rücklage 0
    2. Rücklage für eigene Anteile 0
    3. satzungsgemäße Rücklage 0
    4. andere Gewinnrücklage 0
  IV. Gewinnvortrag/Verlustvortrag 0
  V. Jahresüberschuß 50.000

In die gesetzliche Rücklage schließlich "ist der zwanzigste Teil des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses einzustellen, bis die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklagen nach §272 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 HGB zusammen den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals erreichen" (§150 Abs. 2 AktG). Diese Vorschrift ist Grund für viele Prüfungsfallen und sollte dem Prüfungsteilnehmer daher bekannt sein.

 

Betrachten wir mal den nebenstehenden Fall: eine Kapitalrücklage i.H.v. 10.000 Euro besteht schon und der Jahresüberschuß sei 50.000 Euro. Steuerliche Probleme sind zu ignorieren (wie oft in solchen Aufgaben).

Die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklage zusammen sollen 10% des Grundkapitals ausmachen. Zielwert ist damit 10% von 200.000 Euro oder 20.000 Euro. Davon (!) entfallen schon 8.000 Euro auf die bereits bestehende Kapitalrücklage. In die gesetzliche Rücklage sind also maximal noch 12.000 Euro einzustellen. Es sollen aber nur "der zwanzigste Teil" oder 5% des Jahresüberschusses eingestellt werden – um di eGewinnverwendung nicht zu stark einzuschränken. Hier wären also im Berichtsjahr 5% von 50.000 Euro = 2.500 Euro in die gesetzliche Rücklage zu dotieren – fertig. So einfach ist das!

 

  A. Eigenkapital Euro
  I. Grundkapital 200.000
  II. Kapitalrücklage 8.000
  III. Gewinnrücklagen  
    1. gesetzliche Rücklage 11.000
    2. Rücklage für eigene Anteile 0
    3. satzungsgemäße Rücklage 0
    4. andere Gewinnrücklage 0
  IV. Gewinnvortrag/Verlustvortrag 0
  V. Jahresüberschuß 50.000

Wer das verstanden hat, kommt auch mit der nebenstehenden Variante unseres Falles problemlos klar: Alle Zahlen entsprechen denen aus dem ersten Beispiel, aber hier sei schon eine gesetzliche Rücklage i.H.v. 11.000 Euro vorhanden. Wieviel ist jetzt noch vom Jahresüberschuß in die gesetzliche Rücklage einzustellen? Offenbar muß hier wie im vorstehenden Fall die gesetzliche Rücklage 12.000 Euro umfassen, denn die 8.000 Euro Kapitalrücklage bestehen ja auch hier. Da aber derzeit nur 11.000 Euro bestehen, sind noch 1.000 Euro zusäzlich einzustellen. 5% des Jahresüberschusses sind aber 2.500 Euro – also "zu viel". Es genügt hier also, "nur" 1.000 Euro einzustellen, so daß die gesetzliche Mindesthöhe erreicht wird.

 

Schließlich sind noch Gestaltungen dieses Aufgabentyps denkbar, die den Verlustvortrag einbeziehen. Bestünde beispielsweise ein Verlustvortrag i.H.v. -10.000 Euro, also ein Verlust aus dem Vorjahr, der noch nicht verwendet wurde, so minderte dies den Jahresüberschuß des Beruchtsjahres. Im ersten Beispiel wären daher nur 5% von (50.000 – 10.000) = 40.000 = 2.000 Euro einzustellen. Im zweiten Beispiel würde dies zu keiner Änderung führen.

Eigentlich nicht so schlimm, oder?

Link zum ThemaSkript zu den Buchungen des Jahresabschlusses (interner Link)

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