DocMorris und das Mehrbesitzverbot, oder wo der Sand knapp wird

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Konkurrenz belebt das Geschäft, wer wüßte das nicht, und das bedeutet stets niedrigere Preise für bessere und zahlreichere Güter und Leistungen. So brachte die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes in Deutschland ab 1996 drastisch fallende Telefongebühren und eine Vielzahl neuartiger Dienste und die uns einst in den USA von Ronald Reagan vorgemachte Deregulierung des Flugverkehrs brachte auch hierzulande viele neue Flugverbindungen zu immer günstigeren Preisen. Touristen und Geschäftsreisende wissen das zu schätzen. Nur das Gesundheitswesen sträubt sich – noch.

Dort nämlich hat der Markt nichts zu suchen: in einem Wust aus Zwangsversicherungen, Planpreisen und Pflichtleistungen passiert, was in jedem Sozialismus unvermeidlich ist: alles wird teurer, alles wird knapper, alles wird rationiert. Wirklich alles? Wie einst die Callback-Dienste die Telekom mit Billigpreisen ärgerten, gibt es auch im Gesundheitswesen Preispiraten, die frischen Wettbewerbswind ins System und niedrigere Preise an den Kunden bringen. Die Bundesgesundheitsministerin könnte sich davon eine Scheibe abschneiden – wenn sie nur wollte.

So hat die Internet-Versandapotheke DocMorris jetzt im Saarland ihr erstes Ladengeschäft eröffnet, in dem etwas Unerhörtes geschieht: traditionelle Apotheken werden unterboten. Zwar erst nur bei rezeptfreien Medikamenten, denn für verschreibungspflichtige Arzneien bestehen nach wie vor Planpreise, aber die alteingesessene Apothekerschaft schäumt vor Wut – und verweist auf das Mehrbesitzverbot des Apothekenrechts, das Apothekenketten ebenso wie nicht im persönlichen und direkten Besitz eines einzelnen Apothekers stehende Apotheken verbietet. Das aber steht im Widerspruch zum Europarecht.

So sieht der EU-Vertrag nämlich die berühmten vier Freiheiten vor, darunter die Niederlassungsfreiheit, die auch die sogenannte Inländergleichbehandlung umfaßt. Dies bedeutet, daß EU-Ausländer in jedem Mitgliedsstaat arbeiten und Niederlassungen begründen dürfen. Darauf berufen sich die niederländischen Pillendreher.

EU-Recht, so lernt jeder Erstsemersterjurist, steht über nationalem Recht. Das deutsche Mehrbesitzverbot ist also nichtig – und zwar schon seit 14 Jahren, denn so lange ist der einst in Maastricht geschlossene EU-Vertrag schon in Kraft. Das freilich hat deutsche Gerichte nicht daran gehindert, bisher stets im Sinne der restriktiven deutschen Vorschriften zu entscheiden. Ob sie das auch im DocMorris-Fall tun werden, bleibt abzuwarten. Wir wissen freilich auch aus anderen Rechtsbereichen, daß für Unternehmen oder Individuen vorteilhafte Regelungen des EU-Vertrages oft nicht angewandt werden, denn zu viel Freiheit ist bekanntlich auch nicht gut.

Schickt man einen DDR-Ökonomen in die Wüste, so wußte einst ein bitterer Witz, so passiert erst gar nichts, aber dann wird der Sand knapp. Schickt man eine Planwirtschaftlerin ins Gesundheitsministerium… ja, genau. Dabei sind die hohen Medikamentenpreise gerade immer wieder der Vorwand für weitere Erhöhungen der Zwangsversicherungsbeiträge. Und dabei wäre es so einfach… ohne Gesetze, ohne Kosten, ohne Verwaltungsakte. Nur durch den Markt. Der ist aber nach wie vor in Deutschland unerwünscht.

[Update]: Das Landgericht Saarbrücken hat heute die Klage einer Apothekerin gegen DocMorris als unbegründet abgewiesen. Der Antrag auf einstweilige Verfügung gegen den Betrieb der DocMorris-Ladenapotheke sei offensichtlich unbegründet, da das EU-Recht über dem deutschen Apothekenrecht stehe. Auch konnte das Gericht keine schwerwiegenden Fehler im Genehmigungsverfahren erkennen. Der Konsument kann allerdings nunmehr eine Chance auf demnächst sinkende Preise für Medikamente erkennen, was zweifellos ein Erfolg der Marktwirtschaft ist. Weitere Klagen sind jedoch anhängig; es wurde also nur eine Schlacht gewonnen, aber noch nicht der Krieg.

Links zum Thema: Bald kostenlose Flugverbindungen in Europa? | Ökonomischer Wahnsinn im Gesundheitswesen: ein Beispiel | Skript über die EU | Nicht angewandte Rechtsvorschriften im Steuerrecht | Gesundheitspolitik: weiterwursteln wie bisher | Bürgerversicherung: Die Leitbilder der Zwangsmentalität | Krankenversicherung: Deutsche Kassen zahlen für Eltern von Ausländern in deren Heimat (interne Links) (externer Link)

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